Sophia Niepert-Rumel: Metaphernkombinationen in der neutestamentlichen Red
Sophia Niepert-Rumel: Metaphernkombinationen in der neutestamentlichen Rede vom Tod Jesu, WUNT II/563, Tübingen: Mohr Siebeck, 2021, Br., 704 S., € 134,–, ISBN 978-3-16-160035-7
Was für eine interessante und umfangreiche Arbeit! Niepert-Rumel legt ihre an der Fakultät für Kulturwissenschaften 2020 in Paderborn eingereichte Diss. vor. Der erste Hauptteil der Arbeit (15–262) widmet sich ausführlich metapherntheoretischen Überlegungen (Kp. 1, 17–145) und legt ausführlich Grundzüge metapherntheoretischer Ansätze von der Antike bis heute dar (20–86; tabellarische Übersicht 82–85). Neben quellennahen Darstellungen der Aussagen von Aristoteles, Cicero und Quintilian zu Metaphern (M.), werden die gegenwärtigen Ansätze vorgestellt: Die Substitutionstheorie, die Vergleichstheorie, Andrew Goatlys Ansatz (Genre-Relevance, Graded-Risk Approach to Metaphorical Scalarity), die Interaktionstheorie (I. A. Richards und Max Black), die Verbal-opposition-Theorie (Monroe Beardley), die Conceptual Theory (John Lakoff / Mark Johnson), die Blending Theory (Gilles Fauconnier, Mark Turner und deren Schüler), die Class-Inclusion-Theorie (Sam Glucksberg / Matthew McGlone, beide Psychologen) und die M. in der pragmatischen Sprechakttheorie (John Searle, Donald Davidson). Die Ansätze werden vorbildlich ausgewogen und differenziert beurteilt. – Die terminologische Klärung der Bestandteile einer M. (87–88) ergibt, dass unter den diversen Vorschlägen die Bezeichnung topic (das Zielkonzept, das Eigentliche), vehicle (das, was das Gemeinte transportiert, das Bildspendende) und ground (das, was topic und vehicle gemeinsam ist) für die drei Grundbestandteile jeder M. sinnvoll ist. – Eine wichtige Erkenntnis neuerer Sprachforschung (89–96) ist: M. sind ein integraler Bestandteil der Sprache. Die trennscharfe Unterscheidung zwischen wörtlichem und metaphorischem Sprachgebrauch muss daher hinterfragt werden. Und für das Erkennen von M. gilt, dass es kein auf alle Fälle zutreffendes Kriterium dafür gibt. – Niepert-Rumel bespricht (97–125) daher ausführlich elf sprachliche Phänomene, die in einem engeren oder weiteren Verhältnis zur M. stehen: Tropus (allg. für Stilmittel), Vergleich, Metonymie und Synekdoche, Allegorie, Analogie, Symbol, Gleichnis und Parabel, Rätsel, Oxymoron, Personifikation und Katachrese. Dabei wird deutlich, dass z. B. Vergleich und auch Metonymie eine gewisse Nähe oder z. T. überschneidende Funktionen mit der M. haben. – Erklärend besprochen werden sodann (126–132) die vier gängigsten Klassifizierungsvorschläge für M., nämlich „nach Wortarten“ (v. a. nominale: X ist Y, aber auch Verb- und Adjektivmetaphern), nach Konventionalitätsgrad (tote, schlafende und lebendige M.), nach grounds (genannt/nicht genannt; Assoziationsnähe: notwendig, erwartet, möglich; vor/nach vehicle; bildhaft, strukturhaft, textlich) und die Einteilung in explizite und implizite M. – M. können markiert oder signalisiert werden durch direkte Aussagen (z. B. „sozusagen…“), mit Hilfe von Intensivierern (z. B. „tatsächlich“), Absicherungen (z. B. „in gewisser Weise“) oder semantischer Metasprache (z. B. „in beiden Bedeutungen“). Niepert-Rumel schließt sich hier und auch bei der Frage nach den kommunikativen Funktionen und Auswirkungen von M. den Arbeiten von Goatly an (er ordnet den drei Metafunktionen „ideell“, „interpersonal“ und „textlich“ dreizehn verschiedene Funktionen zu). – In dem (zu?) knappen Abschnitt über „Metapher und Wirklichkeit“ (138–141) weist die Autorin auf die in der Philosophie kontrovers diskutierte Frage nach dem Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit/Wahrheit hin und meint zu Recht, dass eine völlige Skepsis gegenüber M. als „uneigentliche Rede“ nicht angebracht ist. Gegenüber konstruktivistischen Ansätzen weist sie auf das Verständnis von Ricoeur (mit Nähe zu Husserl und Heidegger) mit seinen unterschiedlichen Ebenen von Wirklichkeit hin. – Den Ertrag für das eigene Metaphernverständnis (142–145) erhebt die Autorin sorgfältig aus dem bisher Dargelegten und sieht dabei in mehreren M.-theorien Erkenntnisse, die übernommen werden sollen. Sie fasst diesen Ertrag mit dem bewusst spannungsvollen Slogan „Widerspruch und Ähnlichkeit“ zusammen. Es ist gerade die zuerst wahrgenommene Spannung und Widersprüchlichkeit einer M., die den Rezipierenden anhält, Ähnlichkeiten und Verbindungen zu suchen und herzustellen.
Da die Arbeit insbesondere an der Kombination von M. interessiert ist, werden im zweiten Abschnitt des ersten Hauptteils (Kp. 2, 146–262) die Grundlagen für das Phänomen der Metaphernkombination gelegt und die Autorin begründet ihre These, „dass Hybridität ein Grundcharakteristikum jeder Metapher darstellt und dass somit Metaphernkombinationen als Potenzierung von Metaphorizität gesehen werden müssen“ (146). – Dabei werden zuerst (146–158) die drei möglichen Begriffe/Konzepte der „Mischung“, „Hybrid/Hybridität“ und „Kombination“ beleuchtet und auf ihre Tauglichkeit für den Kontext des Sprachphänomens M. geprüft und die Bevorzugung des Ausdrucks „Kombination“ begründet (neutraler konnotiert; weiter gefasst; das Wie der Interaktion nicht festgelegt). – Da das Phänomen der Kombination in der Metapherntheorie unterschiedlich stark eine Rolle spielte, wird die Theoriegeschichte und der Forschungsstand ausführlich referiert (159–260). Besonders ausführlich (164–196) und kenntnisreich wird dabei das Aufkommen des Begriffs „mixed metaphor“ im 18. Jh. in Großbritannien (gefördert durch die Rhetorik des Scottish Enlightenments) dargestellt. Interessanterweise haben die gegenwärtigen Metapherntheorien erstaunlich wenig – und wenn, dann meist Negatives – zur Metaphernkombination zu sagen. Einzig die Conceptual Theory (Lakoff/Johnson) misst ihr (v. a. für konventionalisierte M.) grössere Bedeutung zu und hat die positive Bewertung z. B. auch in der Blending Theory und in neueren Arbeiten (Gibbs 2016, Sullivan 2019) gefördert. Entstanden sind dadurch auch neuere (englische) Begriffe wie Mixaphor, Blendaphor und Malaphor, die allerdings zu wenig präzise gefasst sind, um im akademischen Diskurs brauchbar zu sein. – Niepert-Rumel hält aus dem Bisherigen fest: „Jede Metapher ist hybrid, obwohl dies den meisten Menschen im Alltag […] nicht bewusst ist.“ „Metaphernvermischungen machen also nichts Anderes als Metaphern selbst, nur auf einer anderen Ebene. Man kann sie somit als Potenzierung von Metaphorizität sehen.“ (234) – Ähnlich wie beim Phänomen der M. ist auch die Kombination von M. in einem Text nicht isoliert vorhanden, sondern meist mit anderen sprachlichen Phänomenen verbunden, insbesondere mit dem Metarison (M. und Comparison/Vergleich) und der Metaphtonomy (M. und Metonymie). – Schließlich (242–252) lassen sich Metaphernkombinationen in mindestens neun Arten von Kombinationen einteilen: Wiederholung, Modifikation (ein Topic mit versch. Vehicles, die lexikalisch/semantisch nahe), Diversifikation (ein Topic mit versch. Vehicles aus unterschiedlichen semantischen Feldern), Multivalenz (mehrere Topics mit demselben Vehicle verbunden), Erweiterung (entspricht Allegorie), Vermischung, Inkonsistenz (mehrere M. mit demselben Topic mit versch. Vehicles kombiniert, die aus einem semantischen Feld), Topic-Vehicle-Übertragung (ein Topic einer M. wird zum Vehicle einer anderen), Vehicle-Topic-Übertragung (ein Vehicle einer M. wird zum Topic einer anderen). Diese Arten von Metaphernkombinationen werden in einer Tabelle (254–257) übersichtlich mit einer Definition, möglichen Unterkategorien, den semantischen Verbindungen zwischen den Topics und den Vehicles (notwendig, möglich, nicht gegeben), einem Stichwort zur syntaktischen Verbindung der Einzelmetaphern, einem stichwortartigen „Schaubild“ und je einem Beispiel aus dem NT (inhaltlich nicht mit dem Tod Jesu zusammenhängend) dargestellt. Ein praxisorientierter Fragenkatalog (258–261) je für die Analyse von Einzelmetaphern und Metaphernkombinationen (in Anlehnung an Ruben Zimmermann) schließt den methodischen Teil des Buches ab.
Der zweite Hauptteil (263–695), „Neutestamentliche Aktualisierung“, besteht wie der erste aus zwei Hauptkapiteln. In dem ersten (Kp. 3, 265–468) werden die „Arten der Rede vom Tod Jesu im Neuen Testament“ in sechs Unterabschnitten gebündelt. Und zwar, indem mit sechs unterschiedlichen Fragestellungen jeweils das ganze NT befragt und die Antworten fast enzyklopädisch angeführt werden: In welchen Gattungen/Genres finden sich Aussagen über den Tod Jesu (269–276)? Antwort: In allen. Wer erzählt oder deutet den Tod von Jesus (277–285)? Antwort: Gegner, Jesus selbst, Joh. der Täufer, Kajafas, die Evangelisten, Petrus, Paulus, Festus, Propheten des AT. Welche (AT)Zitate und Traditionen werden zur Beschreibung und Deutung des Todes von Jesus im NT aufgenommen (286–311)? Antwort: v. a. Tora (und da v. a. Lev 16, Bundesschluss) Psalter (118,22; 22; 8,5–7; 110,4; 40,7–9; 130), Propheten (insbesondere Jes 53 und Bundeserneuerung Jer 31)). Welche Akzente setzen die direkten Aussagen vom Tod Jesu (mit den Begriffen Tod/töten, sterben, Kreuz/kreuzigen), welche die indirekten Sprachformen (v. a. Begriffe Blut, Kreuz, Leiden, (sich) Hingeben) (312–348)? Antwort: Ein heterogenes Bild, die indirekte Sprechweise überwiegt, bei Paulus ist der gewaltsame Tod weniger im Vordergrund, spez. bei Joh ist die Rede von der „Erhöhung“. Welche Deutungen des Todes Jesu werden gegeben (349–415)? Antwort: Einerseits wird die „Zwangsläufigkeit“ seines Todes auf verschiedene Weise betont (Verweis auf Prophezeiungen; die „es muss…“ und ähnliche Wendungen; Erfüllung von Schrift/Prophetie; Prophetenschicksal; u. a.). An Deutungen im Sinne der „Funktion“ des Todes Jesu findet Niepert-Rumel acht Funktionsdeutungen mit entsprechenden Formulierungen und Begriffen:
- „für“ (ὑπέρ, περί + Gen., ἀντί, διά) mit Personenbezeichnung
- „für (ὑπέρ, περί) Sünden“, inkl. Ausdrücke zur Tilgung von Sünden
- Versöhnung – Vergebung – Sühne
- Befreiung
- Mitvollzug/Partizipation
- Vorbildhaftigkeit
- Heiligung
- Offenbarung der Liebe Gottes
- Andere (Kindschaft/Erbschaft; Verpflichtung 2Kor 5,14; neuer Bund; Kontrastschema; Vorreiterrolle Joh 14,1–7 u. a.; gerecht gesprochen Röm 5,9 u. a.; Versöhnung untereinander; Einmaligkeit und Endgültigkeit; umgekehrter Mitvollzug Hebr 2,10–18 u. a.)
Welches metaphorische Sprechen vom Tod Jesu finden wir im NT (416–464)? Antwort: Es gibt (neben 1Petr 1,2 und Hebr 6,6) v. a. zwei m. Aussagen, in denen der Tod Jesu den Hintergrund für den Vehicle-Ausdruck bildet: Die Abendmahleinsetzung (Leib/Blut sind darin Vehicle und meinen den Tod von Jesus) und die M. die vom Mitvollzug des Todes Jesu durch die Gläubigen sprechen (v. a. Röm 6,11; Eph 2,1.5; Kol 2,13 „tot/Tote“ (der Sünde/in Übertretungen etc.) ist dabei Vehicle-Ausdruck; und die vielen Verbalmetaphern zum Mitvollzug des Todes (Röm 6,2.4.6.8; 7,4.6; 8,17; Gal 2,19a.b; Kol 2,12.20; 3,3; 2Tim 2,11; 1Petr 2,24b, die Verben sind dabei die Vehicle-Ausdrücke); s. auch Gal 6,14; Eph 2,16; Kol 2,14; 1Petr 2,24a).
Bei den M. mit Jesu Tod als Topic (und verschiedenen Vehicles, die diesen erklären und bildhaft darstellen) gilt es zu beachten, dass diese selten in „reiner“ Form vorkommen (z. B. „Jesu Tod ist ein kultisches Opfer“), sondern gewisse konzeptuelle M. (Lakoff/Johnson) werden unterschiedlich ausgedrückt und oft nur indirekt evoziert. Ohne genauere Begründung fasst Niepert-Rumel die vielen M. in drei konzeptuelle M. zusammen und nennt danach noch einige Einzelmetaphern, die hier hergehören. Die drei sind:
Jesu Tod ist ein Los- bzw. Freikauf (z. B. aus Sklaverei, Gefangenschaft) (433–441) mit Verweis auf folgende Stellen:
- Lösegeld: Mk 10,45 und 1Tim 2,6; s. in Kombination auch in Tit 2,14; 1Petr 1,18f
- erkaufen, herauskaufen: 1Kor 6,20; 7,23; Gal 3,13; 4,5; 2Petr 2,1; Offb 5,9; 14,3.4
- Erlösung?/Freikauf, Auslösung: Röm 3,24; Kol 1,14; Eph 1,7; Hebr 9,12.15
- Offb 1,5b der uns Loskaufende/Erlösende
- Hebr 2,15 „befreit die, die … das ganze Leben lang in Sklaverei gebunden waren“
Jesu Tod ist ein kultisches Opfer (442–450) mit Verweis auf folgende Stellen:
- Eph 5,2 „sich selbst … hingegeben als … Opfer“
- 1Kor 5,7b (Passalamm); Röm 3,25 (Sühne/Kapporet durch Glauben in seinem Blut); 1Petr 1,2.19 (Besprengung mit Blut; „Blut …eines untadeligen und unbefleckten Lammes“); 1Joh 2,2; 4,10 (ἱλασμός); Offb 5,6.9.12; 13,8 (Lamm; geschlachtet); Hebr 5,7; 7,27; 8,3; 9,14.25.28; 10,12 ([sich] darbringen; [Sünd-]Opfer)
Jesu Tod ist eine Reinigung (451–456) mit Verweis auf folgende Stellen:
- reinigen: Eph 5,26; Tit 2,14; 1Joh 1,7; Hebr 9,14(.22)
- Reinigung: 2Petr 1,9; Hebr 1,3
- rein: Hebr 10,22
- waschen: Offb 7,14
Ein Schlussabschnitt zählt eine ganze Reihe sonstiger M. mit Jesu Tod als Topic (Jesu Tod konstituiert einen neuen Bund (Abendmahlsworte; Hebr 9,15–22; 10,29; 12,24; 13,20); Gott/Jesus als Hirte und der Tod Jesu Mk 14,27; Joh 10,11–18; Hebr 13,20, sowie Jesus als Lamm Joh 1,29.36; Offb 5,6.9f.12; 7,14; 12,11; 13,8; Vorhang-Metaphorik Hebr 6,19f; 10,19f; Schmecken des Todes Hebr 2,9; Schlüssel-Metaphorik Offb 1,18) auf und nennt Gleichnisse und Beispielgeschichten (Mk 12,1–9par. gewaltsame Tötung des Sohnes; Mk 2,19par. Fortnehmen des Bräutigams; Mk 14,27 Schlagen des Hirten; Joh 12,35 Licht nur noch kurze Zeit; Joh 14,1–7 Fortgehen; Joh 12,24 sterbendes Weizenkorn; Joh 2,18–22 Tempelzerstörung und Jesu Tod; Mt 12,40 drei Tage im Herz der Erde; Eph 4,9 Hinabsteigen in die Tiefen der Erde; Apg 2,24 aus den Wehen des Todes befreit) sowie Einzelformulierungen (Passa 1Kor 5,7; Fluch Gal 3,13; zur Sünde gemacht 2Kor 5,21; tragen den Tod Jesu am Leib umher 2Kor 4,10; Erstgeborener aus den Toten Kol 1,18; Offb 1,5). – Einerseits erscheint die Aufzählung beinahe vollzählig und andererseits wird nicht klar oder verständlich, warum hier eine theologiegeschichtlich so bedeutsame konzeptuelle Metapher wie Jesu Tod ist ein Sieg über die bösen Mächte (Sünde, Tod, Teufel) fehlt (s. Kol 2; 1Joh etc.)?
Eine ähnliche inhaltliche Engführung weist auch das letzte große Kp. 4 zu den ntl. Metaphernkombinationen mit Bezug zum Tod Jesu auf. Nach einem einführenden Unterkapitel zu „Kombinationen von M. mit anderen sprachlichen Phänomenen“ (475–482), werden im Abschnitt „Arten von Metaphernkombinationen“ (482–690) die im NT vorkommenden M.-kombinationen geordnet nach den oben vorgestellten unterschiedlichen (sechs Haupt-)Arten der Kombination näher erklärt und an mindestens einem Bsp. illustriert: Wiederholung (Bsp. Röm 6,1–11) und Modifikation (Bsp. Eph 5,2); Diversifikation (Bsp. Mk 12,1–12); Multivalenz (Bsp. Hebr 5,7; 13,15f + προσφέρω-Aussagen im Hebr); Erweiterte M. (Bsp. 1Petr 2,4–8); M.-vermischung (Bsp. 1Petr 1,18f ) und -inkonsistenz (Bsp. Hebr 10,19f; Grenzfall Röm 3,24f) und Topic-Vehicle und Vehicle-Topic-Übertragung (Bsp. synopt. Kelchmetaphern). Eine kurze „Zusammenfassung und theologische Reflexion“ schließt dieses Kp. 4 ab und ein praktisch ebenso kurzes (6 Seiten) „Fazit und Ausblick“ schließt das umfangreiche Werk auf S. 704 ab.
Diese Schlussseiten sind irgendwie sprechend für die gesamte Arbeit. Die Autorin selbst meint zum Wert ihrer Arbeit, in ihr würden „auf theoretisch fundierte Weise verschiedene Arten der Metaphernkombination mit Bezug zum Tod Jesu kategorisiert, umfangreich dargestellt und in ihrer Funktion gedeutet“ (12). Dieses Vorhaben wird vollauf erfüllt, denn Teil 1 zu M. und deren Kombination ist vorbildlich „theoretisch fundiert“ und Teil 2 stellt praktisch alle themenrelevanten Texte des NT „umfangreich“ dar. Die Funktionen der M.-kombinationen werden akribisch gedeutet und doch bleibt sachlich-inhaltlich am Ende tatsächlich „nicht viel zu sagen“. Niepert-Rumel beansprucht lediglich, etwas zur „Rede von“ dem Tod Jesu zu sagen, nicht etwa „zur Sache“ oder gar zu der in den Deutungen des Kreuzestodes verwiesenen „Realität“. Allerdings überschreibt sie die Zusammenfassung des Kp. 4 auch mit „…und theologische Reflexion“. Diese (theologische?) Reflexion besteht aber einzig in der Erkenntnis, dass die „Verwendung multipler Metaphern … dazu [diente], sich auf keine Interpretation festzulegen, sondern darzulegen, dass keine Deutung den Kern der Sache richtig treffen kann.“ Und daher solle auch heute beim Sprechen über den Tod von Jesus „vermieden werden, dass eine Metapher eine Art Monopolstellung einnimmt.“ Auch wenn es nicht darum geht, den Tod Jesu als abstraktes Geschehen zu beschreiben, so wollen die Texte „zeigen, was dieser im Leben der Gläubigen bewirken kann.“ (695). Was heißt das? Kann man mit diesem Schlusssatz den Pfarrer in seine Predigtvorbereitung für Karfreitag entlassen?
Ich meine, dass auch im Rahmen einer sprachwissenschaftlichen Arbeit mehr zu sagen gewesen wäre zur in M. gekleideten Rede vom Tod von Jesus. Dazu müssen zwei Hinweise genügen: Die Fokussierung auf das Sprachphänomen M. verengt den Blick und es fehlt die Integration von m. E. für das Verstehen von M. wichtigen sprachwissenschaftlichen Erkenntnissen. Entscheidend für ein möglicherweise sogar kohärentes „Verstehen“ des mit unterschiedlichen M. beschriebenen und gedeuteten Geschehens des Todes von Jesus wäre eine vertiefte Auseinandersetzung mit Intertextualität (Aussagen dazu (305ff) stützen sich auf Vielhauer (1980) ab! Es fehlen die Forschung und Erkenntnisse seit R. Hays), mit den Erkenntnissen der Framesemantik (Bedeutung von sprachlichen Ausdrücken in Bezug zum Weltwissen der Sprecher) und mit dem Phänomen der Isotopie (Textverknüpfungen unter semantischen Gesichtspunkten). Und zweitens führt das Weglassen historischer Fragestellungen oder auch die Übernahme einiger historisch-kritischer Urteile zur historischen Unzuverlässigkeit ntl. Aussagen zur Ausblendung von Verstehenshinweisen, die für die Bedeutung der M. in der „Rede vom Tod Jesu“ wichtig wären. Als Beispiel nenne ich die Marginalisierung des Passas und Exodus (sei atl. unhistorisch; ohne Opferthematik; s. 323, 345, 442f, 460f u. a.) und die Nichterwähnung des Kreuzestitulus mit einer (menschlich-historisch-politischen) „Deutung“ des Todes von Jesus durch seine „Gegner“ oder des Berichts von der Freilassung eines Schuldigen (Barrabas) anstelle des Unschuldigen (Mt 27,15ffpar). Durch die fast ausschließliche Fokussierung auf das Sprachphänomen M. entfallen spannende Fragen der Narrativität der Texte, die erst durch den Versuch einer zeitlich-historischen Einordnung der Texte zum Vorschein kommen: Wie hat Jesus seinen Tod selbst gedeutet und dabei M. benutzt? Welche Bedeutung hat das leere Grab für die Deutung des Todes von Jesus? Selbstverständlich sind dabei die Evangelienberichte – Apostelgeschichte – Briefe als unterschiedliche Etappen des Deutungsprozesses der ersten Christen zu lesen. Die Aussagen in Lk 24,27 (Jesus „legte ihnen aus, was in allen Schriften von ihm gesagt war“) und 1Kor 15,3 („Christus gestorben ist … nach der Schrift“) sind Hinweise, dass auch die den Tod von Jesus deutenden M. in erster Linie auf dem atl.-jüd. Hintergrund – insbesondere Passa, Versöhnungstag und Jes 53 – verstanden werden muss (s. dazu z. B. N. T. Wright, The Day the Revolution Began: Reconsidering the Meaning of Jesus’s Crucifixion, 2016). – Diese Hinweise schmälern allerdings in keiner Weise die für jeden Exegeten wichtige und überaus hilfreiche und fundierte Darstellung des Phänomens der M. und deren komplexes Vorkommen als M.-kombinationen in den biblischen Texten.
Pfr. Dr. Jürg Buchegger-Müller