Joachim J. Krause: Die Bedingungen des Bundes
Joachim J. Krause: Die Bedingungen des Bundes. Studien zur konditionalen Struktur alttestamentlicher Bundeskonzeptionen, FAT 140, Tübingen: Mohr Siebeck, 2020, Ln., 264 S., € 114,–, ISBN 978-3-16-159132-7
Das vorliegende Buch zur Interpretation des Bundes in drei wesentlichen Textbereichen des Alten Testaments dürfte so manche Bewegung in die alttestamentliche Wissenschaft bringen und verdient eine aufmerksame Lektüre. Es handelt sich hierbei um eine überarbeitete Fassung der von der Evangelisch-theologischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen angenommenen Habilitationsschrift von Joachim J. Krause.
Ausgangspunkt der Fragestellung des Buches bildet die gängige, in vielen Arbeitsbüchern zum Alten Testament begegnende Unterscheidung zwischen deuteronomistischer Bundeskonzeption eines vom Gehorsam des Volkes abhängigen, bedingten, Bundes zwischen Gott und seinem Volk und der priester(-schrift)lichen Bundeskonzeption eines unbedingten, ewig geltenden Noah- und Abrahambundes. Demgegenüber versucht Krause im vorliegenden Buch die These zu begründen, dass jeglicher Bund im Alten Testament auch mit Bedingungen verbunden ist, es einen unbedingten Bund als solchen also nicht gibt. Dabei zielt der Durchgang durch die von ihm untersuchten Texte auch auf eine Präzisierung bzw. Veränderung dessen, was unter Bedingung in Bezug auf den Bund Gottes mit Israel gemeint ist. Nach Krause geht es nicht um Bedingungen für die Gabe des Bundes („how to get in“), sondern um Bedingungen der Bewahrung des Bundes („how to stay in“).
Krause entfaltet seine Untersuchung in sechs Abschnitten (I–VI). Schon in den beiden einführenden Kapiteln zeigt sich ein begrüßenswertes hermeneutisches Problembewusstsein, das sich letztlich durch die gesamte Arbeit zieht und mit dem es gelingt, die oft impliziten (religiösen und konfessionellen) Voraussetzungen in den verschiedenen Forschungspositionen zu problematisieren oder überhaupt transparent zu machen. In der Einleitung (I.) skizziert Krause die aktuelle Forschungslage (I.1), hebt als extra Problem die Interpretation konditionaler Strukturen heraus, bietet in einem Exkurs hilfreiche Klärungen zur Wiedergabe von בְּרִית berîṯ im Deutschen (I.2) und umreißt Anlage und Vorgehen in seiner Arbeit (I.3). Im zweiten Kapitel bezieht Krause in die hermeneutischen Reflexionen jeweils eine Skizze des Verständnisses vom Bund und Gesetz bei Paulus (II.2) und in den frühen rabbinischen Schriften (II.3) mit ein, da Vorverständnisse zwar nicht ausgeblendet oder ausgeschaltet werden können, aber notwendig geprüft und hinterfragt sowie notwendigenfalls auch verändert und dafür beständig bewusst gehalten werden müssen (II.4).
In den drei Hauptabschnitten untersucht Krause die Rolle und den Charakter von Bedingungen in den Bundeskonzeptionen der Priesterschrift (III.), deuteronomistischer Texte (IV.) und in der Verheißung eines neuen Bundes im Jeremiabuch (V.).
So fordert Krause einen weitgehenden Konsens (v. a. unter protestantischen Auslegern) über einen bedingungslosen Bund in der Priesterschrift heraus und argumentiert für dessen konditionale Struktur in dem Sinne, dass Gottes gnädiger Zuwendung eine Gehorsamsforderung an sein Volk korrespondiert (III.). Dabei präzisiert Krause zunächst, was er unter einer Bedingung versteht (1.), ordnet seine These forschungsgeschichtlich ein und begründet sie dann anhand von Gen 17 (3.) und weiterer zur priesterschriftlichen Überlieferung in Beziehung stehender Texte (4.-5., vor allem Lev).
Für die Bundeskonzeption in der deuteronomisch-deuteronomistischen Überlieferung (IV.) bestätigt Krause die konditionale Struktur des Bundes. Jedoch ist sie einerseits nicht auf das Zustandekommen des Bundes zu beziehen. Nicht der Eintritt in den Bund hängt am Gehorsam, sondern das Verbleiben in diesem. Andererseits scheitert auch der Bund nicht automatisch mit dem Übertreten der Gehorsamsforderungen, sondern hängt dessen Fortbestand allein an JHWH selbst. Diese Thesen versucht Krause an der nichtpriesterlichen, vorderen Sinaiperikope (Ex 19–24), in Dtn 28 (und den darin erkennbaren Abweichungen von anderen vorderorientalischen Vassallenvertragskonzepten), in der deuteronomistischen Geschichtsdarstellung (Dtn-2Kön), in den ermahnenden Passagen in Dtn und in deuteronomistischen Passagen des Jeremiabuches (Jer 7; 11) zu bestätigen.
Schließlich argumentiert Krause für Gehorsam als zentrales Element der Bundeskonzeption auch des Neuen Bundes (V.). Dafür nimmt er sowohl die masoretische Textüberlieferung als auch die Septuaginta in den Blick (V.2.), arbeitet heraus, dass die eschatologische Verheißung des neuen Bundes gerade nicht bereits einen Bruch des bestehenden Bundes impliziert (V.3.) und entkräftet unter Einbeziehung neuerer Studien zum Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit in der Schreiberausbildung überzeugend die Interpretation eines Gegensatzes der Verheißung des Neuen Bundes („nicht mehr lernen“) zum deuteronomistischen Bildungskonzept (Dtn 6,6–7). Geht es damit in der Verheißung eines neuen Bundes nicht um das Problematisieren des Gehorsams, sondern um dessen Ermöglichung, stellt sich abschließend die Frage, ob mit dessen Verheißung ein pessimistisches Menschenbild verbunden ist, in dem ein Halten des Bundes gar nicht möglich ist (5.). Nach Krause trifft das nicht auf das Jeremiabuch, sondern erst auf dessen Rezeption bei Paulus im Römerbrief zu.
Im letzten Abschnitt (VI.) fasst Krause die wesentlichen Ergebnisse seiner Arbeit zusammen und stellt sie in einen größeren theologischen Horizont, insbesondere den jüdisch-christlichen Dialog.
Das Buch ist aus vielerlei Gründen sehr zu empfehlen. Es bietet instruktive Zusammenfassungen maßgeblicher (aktueller) Forschungspositionen, die zudem mehrfach die – häufig eher impliziten – Vorverständnisse zu erhellen vermögen. Es fordert so manche etablierten Positionen heraus. Es bietet eine Reihe bedenkenswerter Einzelbeobachtungen und Anfragen (z. B. zum literarischen Zusammenhang von Gen 17 und der Sinaiperikope in P, zur textpragmatischen Unzulänglichkeit der gängigen Interpretation priesterschriftlicher Bundeskonzeption, zum Bund im deuteronomistischen Geschichtswerk, die Widerlegung des konstruierten Gegensatzes zwischen Jer 31,31–34 und dem Bildungskonzept von Dtn 6,6–7). Es integriert wichtige Reflexionen zum religionsgeschichtlichen Einfluss hethitischer, aramäischer und neu-assyrischer Vergleichstexte insbesondere auf die Bundeskonzeption im Deuteronomium. Es lässt das hermeneutische Problembewusstsein auch in der Gesamtanlage erkennen.
Anzumerken bleibt, dass das Buch sich nicht als Gesamtdarstellung alttestamentlicher Bundestheologie eignet, da es zu viele relevante Texte ausspart. Insbesondere das Auslassen einer eingehenderen Beschäftigung mit Gen 15 und Jos 24 überzeugt auch im Hinblick auf die begrenzte Frage nach dem Verhältnis von priesterlicher und deuteronomistischer Bundestheologie nicht (auch nicht, wenn Gen 15 auf Gen 17 reagiert, wie S. 74 Anm. 187). Ebenso wenig ist die Frage nach der Integration von priesterlicher und deuteronomistischer Bundestheologie im vorliegenden literarischen Zusammenhang im Blick. Sie wäre aber mindestens methodenkritisch relevant, nämlich an welcher Stelle der literarische Zusammenhang für die vorliegende Frage mit zu berücksichtigen ist. Wenn die vorliegende Arbeit zudem zu einigen weiteren kritischen Anfragen zu einzelnen Details motiviert (zu geringe Einbeziehung des Zerbrechens der Bundestafeln; der Versuch ein „pessimistisches Menschenbild“ nicht bei Jer, sondern erst bei Paulus zu verorten), so ist auch das Ausweis dafür, dass Joachim J. Krause eine anregende, wichtige und unbedingt wahrzunehmende Studie zu einem bedeutenden Thema alttestamentlicher und gesamtbiblischer Theologie vorgelegt hat.
Prof. Dr. Torsten Uhlig, Professor für Altes Testament an der Evangelischen Hochschule Tabor, Marburg