Isabelle Noth / Eva-Maria Faber (Hg.): Seelsorgebegegnungen
Isabelle Noth / Eva-Maria Faber (Hg.): Seelsorgebegegnungen. Praxisbeispiele theologisch reflektiert, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2023, Pb., 141 S., € 18,–, ISBN 9783525634110
Isabelle Noth, Praktische Theologin in Bern, und Eva-Maria Faber, römisch-katholische Dogmatikerin in Chur, haben eine Sammlung von zwölf Seelsorgebegegnungen herausgegeben, „die grundsätzlich als gelungen und/oder besonders lehrreich empfunden wurden“ (7). Die Beiträge kommen von Seelsorgerinnen und Seelsorgern aus Universität und Ausbildung und entstammen Institutionen wie Krankenhaus, Gefängnis und Heim sowie der Supervision. Faber beschließt mit einer systematisch-theologischen Reflexion. Die Herausgeberinnen intendieren mit der vorliegenden Sammlung den Start einer Reihe, die Einblick in verschiedene Situationen und Institutionen nimmt.
Die Beiträge orientieren sich an den fünf Dimensionen Wahrnehmung der Seelsorgesituation, theologische Reflexion, humanwissenschaftliche Reflexion, Selbstreflexion sowie Begründung der seelsorglichen Position, d. h. Einbindung in die Praktische Theologie. Vorbildhaft werden auf diese Weise verschiedene Perspektiven eröffnet, wie Seelsorge reflektiert und orientiert sein kann. Zudem bieten einzelne Beiträge Skizzen theoretischer Konzepte wie Trauma oder Empathie.
Über die zwölf Beiträge hinweg sticht hervor, wie sehr sich die Seelsorgenden für die individuellen Patienten/Klienten einsetzen, sich empathisch einfühlen und vor dem Hintergrund breit angelegter Reflexion in Interaktion treten. Die hier vorgestellte Seelsorge will sich uneingeschränkt auf das Gegenüber einlassen und so gut es geht heilsam wirken. Faber fasst zusammen: „Seelsorgende selbst sind ihrerseits Hoffnungszeichen als jene, die in der Spur Jesu der befreienden und heilenden Treue Gottes ein menschliches Gesicht geben“ (141). Seelsorge geschehe im Auftrag Gottes und repräsentiere ihn, wobei dies im Dialog nicht immer expliziert wird. In den theologischen Reflexionen zu den Seelsorgebegegnungen werden überwiegend grundlegende theologische Figuren wie Segen, Gottesebenbildlichkeit oder Gnade geltend gemacht.
Dabei fällt auf, dass der Sündenbegriff nahezu keine Rolle spielt, obwohl sich in den Situationen häufig beispielsweise menschliche Konflikte leidvoll äußern. Er böte die Chance, das nicht nur unter Krankheit, sondern eben auch unter (fremder und eigener) Sünde leidende Individuum – etwa in Form gestörter Beziehungen, problematischer Lebensentscheidungen oder einer verstummten Gottesbeziehung – näher in den Blick zu nehmen. Wo Martin Luthers „in sich selbst verkrümmter“ Patient bzw. Klient sachgemäß betrachtet wird, könnte weiterhin die Frohe Botschaft in ihren vielfältigen heilvollen Facetten in seelsorgerlicher Reflexion und Dialog weiter entfaltet werden.
Mit dem vorliegenden Band erhalten die Leserinnen und Leser neben einem „Blick über die Schulter“ von Seelsorgenden einen Einblick in nicht alltägliche Bereiche. Aktiven Seelsorgerinnen und Seelsorgern bietet er „Hospitationen“ in unbekannten Orten und Situationen, an denen sie seelsorgerliches Denken, Fühlen und Handeln Anderer studieren können, um für ihre eigene Tätigkeit zu lernen.
Johannes Schütt, Klinikseelsorger, Leipzig