Neues Testament

Jacob Thiessen: Das Matthäusevangelium – Eine Verständnishilfe

Jacob Thiessen: Das Matthäusevangelium – Eine Verständnishilfe, Beiträge zum besseren Verständnis biblischer Texte, Ansbach: Logos Editions Science, 2023, geb., 364 S., € 29,95, ISBN 978-3-945818-38-1


Jacob Thiessenist Rektor der STH Basel und dort Professor für Neues Testament. Er legt mit diesem Band nach eigenem Bekunden keinen Kommentar zum Matthäusevangelium vor, sondern eine Hilfe zum eigenen Verständnis des Textes und seiner historischen und biblischen Zusammenhänge.

Thiessens Beitrag geht dabei auf Vorarbeiten im Rahmen von Bibelarbeiten, Lektürekursen und seiner vorherigen Publikationen zurück. Neben Paralleltexten verarbeitet der Autor in diesem Werk die vollständige Mischna und eine nicht näher genannte Anzahl von biblischen und außerbiblischen antiken Texten, die er nach eigenem Bekunden der Bibelsoftware Accordance entnommen hat.

Nach einem Vorwort werden zunächst Einleitungsfragen im Kapitel „Die Entstehung des Matthäusevangeliums“ diskutiert. Dies beinhaltet die Verfasserfrage, die ausführlich und im Gespräch mit überwiegend evangelikaler Literatur diskutiert wird, und die Datierung des Evangeliums. Seine Hauptgesprächspartner sind Werke von Theodor Zahn, Erich Mauerhofer sowie die Einleitung von Carson und Moo, wobei weitere aktuelle Werke, wie etwa von Udo Schnelle, Karl Jaroš oder Eduard Lohse durchaus beachtet werden. Man spürt, dass dem Verfasser diese beiden Fragestellungen wichtig sind. Sie stehen allerdings relativ unzusammenhängend zwischen dem Vorwort und dem dritten Teil des Werkes, dem Text des Matthäusevangeliums mit Parallelen und Erläuterungen.

Dieser Teil ist nach Kapiteln und ggf. gebündelten Versen aufgeschlüsselt. Diese werden, gelegentlichen auch mit griechischen und hebräischen Texten bzw. Übersetzungen, angegeben. Es folgt eine Auflistung von Parallelen, die ausgeschrieben werden und damit durchaus auch über eine Spalte an Länge füllen können. Diese beinhalten neben biblischen Texten z. B. auch Texte aus dem Midrasch oder der Mischna (siehe z. B. Mt 5,19). Hierbei zeigt sich allerdings, dass sich das Werk keinesfalls an Laien richtet. Denn ein Verzeichnis der Abkürzungen oder wenigstens eine kurze Einführung in diese Texte sucht man vergeblich. Im Anschluss oder auch zwischen diesen Bausteinen werden zu manchen Versen weitere Erläuterungen eingefügt. Diese sind teils sehr ausführlich, wie etwa direkt Mt 1,1 zeigt, eher kurz wie beispielsweise in Mt 13,44 – oder es wird keine Erläuterung gegeben, wie beispielsweise für Mt. 9,32–34.

Diese Erklärungen sind durchaus eine große Stärke dieses Buches, helfen sie doch zum Verständnis der Texte, indem sie mögliche Zusammenhänge zeigen. Als Beispiel seien die ausführlichen Kommentare zu den Pharisäern in Mt 23 genannt. Vergleicht man dieses Kapitel mit dem Werk von Strack und Billerbeck (1922), so fallen mehrere Dinge auf: Zum einen bietet Thiessen deutlich ausführlichere Erklärungen, die auch sprachlich besser zugänglich sind. Allerdings selektiert er auch deutlich stärker vor und kann somit die Studie von Strack und Billerbeck und auch ggf. das eigene Arbeiten mit den Texten nicht ersetzen.

Die Auflistung von Parallelversen ist ausführlich und weicht von der Nennung in verschiedenen Bibelübersetzungen ab, mal sind es mehr, mal deutlich weniger (z. B. in Mt 23,5). Diese Diskrepanz bleibt allerdings unerklärt, da der Autor die Kriterien zur Auswahl nicht offenlegt. Hier zeigt sich eine deutliche Schwäche des Werkes: Die möglichen Zusammenhänge lassen den Leser zeitweise eher ratlos zurück, da diese nur unstrukturiert präsentiert werden. Das Buch gleicht somit eher einem Wollknäuel. Hier hätte man sich eine bessere Führung oder Einordnung durch den Autor gewünscht. Es bleibt auch die Frage, warum die Parallelstellen ohne Einordnung so ausführlich zu Papier gebracht wurden. Den Lesern stehen – sofern Sie nicht selber blättern wollen – neben kommerzieller Software auch vielfältige Bibelprogramme online oder als Freie und Open-Source-Software (FOSS) zur Verfügung, die diese Aufgabe durchaus bequemer und übersichtlicher erledigen können.

Dieses Buch mit einem durchaus nützlichen und lesenswerten Anliegen könnte in einer weiteren Ausgabe davon profitieren, dass die genauen Kriterien des Autors zur Auswahl seiner Erläuterungen und Parallelen ausführt und es somit auch in der Ausbildung und Forschung verwendet werden könnte. Außerdem wäre es für viele Leser hilfreich, zumindest eine kurze Einführung in die außerbiblischen Texte zu geben. Dies könnte auch das Kapitel mit den Einleitungsfragen abrunden. Ein Abkürzungs­verzeichnis sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Es bleibt auch unklar, was die Zielgruppe dieses Buches sein soll. Der Theologe oder Fachkundige verfügt über andere Zugänge, findet aber wohl Nutzen in den ausführlichen Erläuterungen Thiessens – wobei er ja nach eigenem Bekunden keinen Kommentar vorlegen wollte. Der Laie wiederum wird an nicht definierten Abkürzungen und nicht sehr ausführlichen Erklärungen zu diesem Werk scheitern.

Das Werk ist in deutscher Sprache verfasst, sprachlich zugänglich, auch wenn es sich definitiv eher an Fachkundige und nur am Rande an interessierte Laien richtet. Es beinhaltet eine Bibliographie. Der Textsatz des Buches ist lesbar, wobei kleinere Mängel zu finden sind. Kritisch ist das Fehlen eines Abkürzungsverzeichnisses.


Dr. Jens Dörpinghaus, University of Pretoria, Faculty of Theology and Religion, Hatfield, Pretoria, South Africa