Praktische Theologie

Dominik Klenk, u.a. : YOUBE

Dominik Klenk / Roland Werner / Bernd Wannenwetsch: YOUBE – Evangelischer Jugendkatechismus, Basel: Fontis, 2015, 176 S., € 18,99, ISBN 978-3-03848-050-1

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„Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum: wer nicht fragt, bleibt dumm“ – mit diesem Intro beginnt nicht nur seit Jahrzehnten eine Kindersendung. Was da helle Kinderstimmen singen, bleibt auch für Jugendliche und Erwachsene gültig. Die wichtigen Fragen des Lebens zu stellen und zu wissen, wem ich diese Fragen sinnvollerweise stelle, ist eine Lebensaufgabe – und zugleich ein Privileg der Gattung Mensch.

Das Frage-Antwort-Schema ist von jeher die Grundform des Katechismus. Über Jahrhunderte hinweg hat so Martin Luthers „Kleiner Katechismus“ Glaubensgeschichte geschrieben. Was lehrt uns das erste Gebot? Gott „fürchten, lieben und vertrauen“ – das ist nach Luther die Kurzformel evangelischen Glaubens. Und wer mit dem „Heidelberger Katechismus“ in den Glauben eingeführt wurde, dem wird kaum Frage 1 wieder aus dem Kopf gehen, in der es heißt: Zu Jesus Christus zu gehören, das ist mein „einziger Trost im Leben und im Sterben“. Die Form des Katechismus steht für die Einübung im Glauben in der Gemeinschaft der Glaubenden: kompakt, konkret und – zumeist – konfessionell (also z.B. lutherisch, reformiert etc.). In der Religionspädagogik des 20. Jahrhunderts ist das Lernen am Katechismus in Verruf geraten. Die Einwände: zu frontal, zu traditionell-dogmatisch, zu wenig partizipativ, was den Schüler oder Konfirmand angeht. Ist es von daher nicht ein Wagnis, im Vorfeld des Reformationsjubiläum 2017 einen neuen Jugendkatechismus auf den Markt zu bringen? Ich meine, ein Wagnis wohl, aber ein gut begründetes. Nach der Lektüre von YOUBE sehe ich drei Gründe, warum dieser Katechismus wichtig ist:

  1. Die evangelischen Glaubenswelten sind (wie das Leben überhaupt) unübersichtlicher und komplizierter geworden. Wo Traditionen wegbrechen, haben Meinungs- und Stimmungsmacher leichtes Spiel. Wer nicht weiß, wo er mit seinem Glauben vor Anker gehen kann, wird Schiffbruch erleiden. YOUBE legt den sicheren Grund des Christseins frei. Hier wird erklärt, zu wem Christen gehören, was sie glauben und wie der Glaube im Leben Gestalt gewinnt. Das – im deutschen Buchtitel für Erwachsene vielleicht gewöhnungsbedürftige – Kunstwort „YOUBE“ fasst die Grundbotschaften dieses Jugendkatechismus zusammen, die in einem Dreiklang daherkommen: „You belong – you believe – you behave“. Dabei wird deutlich: Glauben heißt, aus der Beziehung heraus leben, zu der ich als Mensch bestimmt bin. Zu wem gehören wir? Zu Gott. Wer steht für mein Leben ein? Jesus Christus. Wer weist uns den Weg? Der Heilige Geist. Und so geht es weiter. In einer Sprache, die auch Jugendliche verstehen, die in der Welt der Kurznachrichten unterwegs sind, wird hier Glaube greifbar, anschaulich, eingängig, aber nicht simplifiziert.
  2. Der Katechismus steht mit seiner Frage-Antwort-Form für eine elementare Form menschlicher Kommunikation: für das Gespräch. Glaube entsteht und wächst nicht ohne das Gespräch, in dem die Gesprächspartner einander ernst nehmen. Junge Menschen heute sind es gewöhnt, als „Subjekte ihrer eigenen Entwicklung“ anerkannt zu werden. Einfacher gesagt heißt das: Ihre Fragen müssen vorkommen, sonst wird dies nicht ihr Katechismus sein. Und deshalb nehmen die Autoren von YOUBE das klassische Frage-Antwort-Schema auf, führen es aber einen – ich denke, unverzichtbaren – Schritt weiter. Auf jede Frage folgt zunächst eine biblisch gegründete Antwort, die dann näher erläutert wird („Was bedeutet das für uns?“). Dann aber folgt stets ein Einwand, der mit „Ja, aber“ beginnt und Fragen stellt, wie sie von Jugendlichen in der einen oder anderen Form immer wieder zu hören sind: „Kann ich Gott als Vater vertrauen, wenn ich selbst ohne Vater aufgewachsen bin oder von meinem Vater enttäuscht wurde?“ Oder: „Kann ich ein richtiger Fan von etwas sein, ohne dass es für mich ein Gott wird?“ Oder: „Meinen Glauben vor anderen zu bekennen ist mir peinlich. Kann ich die Angst davor überwinden, ausgelacht zu werden?“ Auch auf diese Fragen werden Antworten gegeben – und doch bleibt der Einwand, dass das Gespräch sich zwar am Katechismus entwickeln, aber nicht mit ihm ans Ende kommen soll. Deshalb braucht dieser (wie jeder andere) Katechismus glaubwürdige geistliche Leiter („Katecheten“), die den Einwänden Jugendlicher Raum geben und zugleich für ihren Glauben einstehen – nicht als Alleswisser, sondern als Christen, die mit allen Fragen zur Quelle des Glaubens führen, also zur Bibel.
  3. Es ist ein sichtbares Zeichen christlicher Einheit, wenn ein Katechismus heute konfessorisch, also bekennend, aber nicht im engen Sinne konfessionell ist. YOUBE geht in dieser Hinsicht einen Weg, der zeitgemäß und zugleich dem Evangelium verpflichtet ist. Gesucht wird also nicht der kleinste gemeinsame Nenner unterschiedlicher kirchlich-konfessioneller Standpunkte. Vielmehr wird bei strittigen Fragen wie z.B. der Taufe, die gemeinsame evangelische Wurzel der unterschiedlichen Auffassungen gesucht, es wird also tiefer gegraben statt die Differenzen einzuebnen. Für die Taufe bedeutet dies, sowohl das „unverdiente Ja Gottes zu uns“ als auch „das notwendige Ja des Menschen zu einem Leben mit Gott“ im Blick zu behalten.

Weil Christen auch mit ihrem Leben Zeugnis geben, muss der Glaube konkret werden. Mit der Ethik betritt YOUBE vermintes Gelände, stellt sich dieser Herausforderung aber souverän: Anhand der 10 Gebote werden Leitlinien für das Leben entfaltet, die sich bewährt haben. Die Einwände bleiben Einwände, die ernstgenommen werden und Beachtung erfahren, sie werden aber nicht zur Norm moralischer Experimente, die dann im Nachhinein religiös eingekleidet oder unter Verweis auf das eigene Gewissen gegen Anfragen der biblischen Texte immunisiert werden.

Warum wünsche ich mir, dass meine Kinder mit diesem Katechismus vertraut werden? Zunächst: Er ist attraktiv aufgemacht und das gilt sowohl für die Designausgabe als auch für die „Nur-Text-Ausgabe“ (beide in den Texten seitenidentisch und daher in der Arbeit mit Gruppen kombinierbar). Der Titel ist „cool“, das Cover abwischbar und die Innentexte sind locker gesetzt, so dass kein Jugendlicher in einer „Bleiwüste“ verloren geht. Dieser Katechismus ist ferner didaktisch durchdacht. Die 27 Kapitel (in den genannten drei Teilen) lassen sich gut auf ein Jahr Biblischen oder Konfirmandenunterrichts aufteilen. Die Kerntexte, die den Gesprächsfaden (Frage – Antwort – Einwand – Antwort) abbilden, sind in einem augenfreundlichen Grünton unterlegt. Am Außenrand der Seiten laden klug ausgewählte Bibelzitate, Sinnsprüche und Liedtexte zum Weiterdenken ein. Es gibt Fragen, die dazu einladen, eigene Überlegungen aufzuschreiben. Aber nicht nur dort, sondern praktisch im gesamten Buch ist viel Platz für eigene Notizen. Dieses Buch will angeeignet sein. Personen- und Stichwortregister führen zu den einschlägigen Fundorten. Man spürt dem Buch ab, dass die Autoren Signale setzen möchten, die den Leser nicht überrumpeln, aber auch nicht übersehen werden sollen. So werden die drei Teile des YOUBE von einer Klammer zusammengehalten: Am Anfang steht das Apostolische Glaubensbekenntnis, am Schluss steht das Doppelgebot der Liebe. Allein diese „Klammer“ ist Einladung zum Nachsinnen. Und schließlich: YOUBE ist evangelisch klar. Und das heißt: konsequent am Evangelium von Jesus Christus orientiert, in dem Gott sich offenbart hat und den die Bibel verlässlich bezeugt.

Ich wünsche dem Jugendkatechismus YOUBE, dass durch seinen Gebrauch viele (junge) Menschen Jesus Christus kennenlernen und ihm nachfolgen. Denn er allein ist, mit den Worten des Katechismus gesagt, „Zentrum der Geschichte. Wendepunkt der Zeit und Ziel in Ewigkeit“.

 

Prof. Dr. Christoph Raedel, Professor für Systematische Theologie an der Freien Theologischen Hochschule Gießen

 

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