Altes Testament

Ernst Axel Knauf: 1 Könige 1–14

Ernst Axel Knauf: 1 Könige 114, HThKAT, Freiburg/Basel/Wien: Herder, 2016, 407 S., € 80,–, ISBN 978-3-451-26814-4

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Die Reihe „Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament“ schließt nach und nach ihre Lücken, die vor allem bei den Vorderen Propheten noch vorhanden sind. Nach dem Kommentar von Groß zu Richter im Jahr 2009 folgte nun 2016 die Kommentierung von Knauf zu 1Könige 114.

Schon im Vorwort markiert Knauf die Besonderheiten dieses Kommentars. Erstens schildert Könige „den Ersten Tempel und seinen Untergang aus der Perspektive des Zweiten.“ (9). Damit wird also die Endredaktion, nicht, wie so oft in der Erforschung der Königebücher, in die Zeit des babylonischen Exils gelegt, sondern in die Perserzeit. Zweitens weist schon die Aussage „Wenn es zulässig wäre, die vielen Stimmen in diesem komplexen Buch in eine Hauptaussage zu kondensieren“ (9), dass sich Knauf bei der Kommentierung des Endtextes zurückhalten wird, wie der weitere Verlauf dieser Buchbesprechung noch zeigen wird. Dies ist allerdings umso erstaunlicher, weil die Richtung der Herder-Kommentierung auf ihrer Website wie folgt angegeben wird: „HThKAT legt seinen Schwerpunkt nicht auf die historisch-kritische Analyse oder die Einzelsemantik, sondern auf die Herausarbeitung der Makrostrukturen des Endtextes und dessen theologische (und kanonische) Interpretation“ (vgl. https://www.herder.de/theologie-pastoral-shop/reihen/herders-theologischer-kommentar-zum-alten-testament/c-37/c-252/, abgerufen am 26.11.2018). Drittens, erklärt Knauf „der Hauptakzent der Auslegung liegt auf der Tora-zentrierten TNK-Exegese; Altes und Neues Testament werden nur gelegentlich gestreift.“ (9) Mit dieser Zielvorgabe entspricht er nur dem ersten Teil der Herder-AT-Vorgabe, dem zweiten Teil widersetzt sich Knauf aber damit offensichtlich: „Andererseits muss eine Auslegung im Horizont des Christentums herausarbeiten, dass und wie ein Text Teil des christlichen Bibelkanons ist und insofern in einer bestimmten Beziehung zum Neuen Testament steht. HThKAT will hier pointiert neue Wege gehen“ (https://www.herder.de/theologie-pastoral-shop/reihen/herders-theologischer-kommentar-zum-alten-testament/c-37/c-252/, abgerufen am 26.11.2018).

Schon die Literaturübersicht zeigt, dass Knauf einen Schwerpunkt beim Thema „Geschichte und Archäologie Israels“ legt (14–18). Demgegenüber nimmt nach der Kommentarliste (19f) die Rubrik „Weitere Literatur“ nur 3,5 Seiten ein (20–24). Hier liegt der Schwerpunkt auf diachronen Betrachtungen zum Königebuch. Diese Richtung findet anschließend ihren Niederschlag dadurch, dass Knauf sich in der „Einleitung“ dann vor allem auf die Entstehung des Königebuches konzentriert (37–98). Die Ausführungen zur Struktur des Königebuches fallen sehr spärlich aus (66f). Stattdessen werden ausführlich die unterschiedlichen Sukzessionsformeln, Beurteilungen und Schlussnotizen dargestellt (81–88). Auch die Struktur der Salomo-Erzählung wird nur kurz aufgezeigt, ohne dass sie wirklich diskutiert wird (65, 104f). Das überrascht nicht wirklich angesichts der Tatsache, dass in der Literaturliste nur Brettler (21) und Särkiö (23) diesbezüglich Erwähnung finden. Die Beiträge von Duncker, Frisch, Parker, Porten, Olley, Walsh und Williams sind aber offensichtlich nicht konsultiert worden.

Diese Linie setzt sich schließlich in der Kommentierung des Textes. Die Auslegung des Textes geschieht auf den Hintergrund der diachronen Vorstellung, dass „Sam/Kön als (ein einziges) Geschichtsbuch begonnen haben und sind dann durch die Prophetenredaktion, vorwiegend des 4. Jh., zu Prophetenbüchern geworden. Dieser Doppelnatur muss auch die synchrone Interpretation des Buches Rechnung tragen.“ (41) Knauf grenzt sich hier überraschend zügig ab. Auf gerade mal einer Seite ringt sich Knauf durch („es ist aber nötig“), sich zum Thema DtrG zu äußern. Die Geschichte ist letztlich schnell erzählt: Martin Noths These und das Blockmodell sind „unhaltbar“ (43f). Das Schichten-Modell hat einfach zu viele Schichten. Rettung gibt es aber in der Perserzeit (44). Damit ist Knauf dann nach nur wenigen Abschnitten bei seiner Grundlage angekommen, wovon er seine Theorie zur Entstehung des Königebuches erklären kann. Hier betont Knauf die Prophetenredaktion des Königebuches im 4. Jh. (41, genauer ausgeführt 89–98).

Für die Auslegung des Textes bedeutet dies eine diachrone Vorabeinstellung. Dies veranschaulicht die exemplarische Auslegung von 1Kön 11,1–13, was auf die Redaktion der proto-chronistischen Propheten zurückgeht. Hier weiß Knauf, was sich diese „zunutze machten“ (328) und was sie „wahrscheinlich nicht dachten“ (329). Auf diese Weise kommt aber eine synchrone Auslegung letztlich zu kurz. Die Erläuterungen zum literarischen Kontext von Kap. 11 beschränken sich auf einen kurzen Abschnitt zur Gliederung des Kapitels. Die Anbindung an Kap. 10 wird nicht erklärt; die Schichtung von 1Kön 11 umso deutlicher (323–328). Die eigentliche Auslegung des Textes von 11,1–13 fällt dann verhältnismäßig kurz aus. Einige Punkte werden nur kurz angerissen, so dass der interessierte Exeget gerne mehr erfahren hätte zu der Heirat fremdländischer Frauen im AT, dem Bezug von 11,2d zu Gen 2,24, der hohen Anzahl der Frauen (700 und 300) oder warum JHWH in 11b–e als sein eigener Prophet auftaucht (328f). Hinzu kommt, dass manche Aspekte gar nicht thematisiert werden. So wäre z. B. mit einem synchronen Zugang durchaus zu fragen, welche Rolle das „Herz“ (11,2–4.9) in Verbindung zu dessen Erwähnung in 1Kön 3,9 hat oder auch die theologische Bedeutung der Opferpraxis in 11,8 im Rückgriff auf die in 3,3.15.

Überraschend bleibt am Ende in Erinnerung, dass gemäß Knauf Salomo nicht der Vater von Rehabeam ist, sondern zwei Namen der gleichen Person: Als „Salomo“ bestieg er den Thron und nahm im fünften Regierungsjahr den Namen Rehabeam an (vgl. genauer 76f).

Überrascht wurde der Rezensent aber nicht von einem positiven Gesamteindruck. Die Stärke des Kommentars liegt sicherlich in den historischen und archäologischen Hinweisen an zahlreichen Stellen. Wer aber die Hoffnung bei der Lektüre hat, dass eine Perikope im Kontext einer großen Erzählung im Königebuch inklusive seiner rhetorischen Funktion und wo möglicher Hinführung in heutige christliche Kontexte erläutert wird, der wird an dieser Stelle nur wenig finden.

Dr. Gunnar Begerau, Dozent an der BTA Wiedenest