Joel Clement Gougbadji: Der Glaube an den einen Gott im Johannesevangelium
Joel Clement Gougbadji: Der Glaube an den einen Gott im Johannesevangelium, Bibelstudien 22, Münster: LIT, 2019, Pb., 237 S., € 34,90, ISBN 978-3-643-50899-7
Joel C. Gougbadji ist Pfarrer im westafrikanischen Benin. Das Buch stellt die überarbeitete Fassung seiner Dissertation dar, die 2018 an der kath.-theol. Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz angenommen wurde.
Im Fokus seiner Untersuchung stehen der Begriff des Glaubens im Johannesevangelium sowie die johanneische Rezeption des Alten Testaments und das daraus resultierende Gottesbild. G. geht von der literarischen Einheit des Johannesevangeliums aus und verwendet die Methode der traditionsgeschichtlichen Exegese. Die Besonderheit seiner Forschungsarbeit besteht darin, dass sie das Verständnis des Glaubens im gesamten Evangelium sowie das Verhältnis des jüdischen Monotheismus zur johanneischen Trinität untersucht (13).
Nach den einleitenden Fragen in 1. Kapitel (11–22) stellt der Verfasser kurze missiologische Überlegungen an, inwiefern der Befund seiner Forschungsarbeit für die religiös angespannte Situation der Bevölkerung von Benin einen vermittelnden Beitrag zum Dialog zwischen der christlichen, muslimischen und traditionell-afrikanischen Religion leisten kann.
Im 2. Kapitel (23–76) befasst sich G. mit dem statistischen Befund, den syntaktischen sowie semantischen Analysen und den synonymen Begriffen des Verbums „glauben“ (πιστεύω). Darauf folgen pragmatische Analysen und diachronische Profilierungen. Bei den gleichbedeutenden Begriffen zu πιστεύω hebt G. neben den gängigen Verben – wie etwa erkennen, schauen, hören – die Wendung „ihn aufnehmen“ (1,12) heraus, um die Beziehung „von Glaube und Soteriologie“ anzuzeigen (43). Theologisch ebenso bedeutsam wird am Chiasmus (6,44–45) das „unauflösliche Ineinander von göttlichem Ziehen“ des Vaters und das „menschliche(n) Sich-Ziehen-lassen bzw. Kommen zu Jesus“ dargestellt (45). In den „diachronischen Profilierungen“ begründet G. vor allem die „johanneische Schule“ als Verfasserschaft, wobei er mit dem Wir-Stil (Joh 21,24) und der zeitlichen Abfassung der johanneischen Schriften (2/3/1Joh-JohEv) argumentiert (70). Zur Verfasserfrage liegen allerdings neuere Forschungen vor, die gut begründet für den Apostel Johannes als Augenzeugen sprechen (Riesner 2019, Bauckham 22017, Baum 2017 und Schulz 31997).
Im 3. Kapitel (77–215) entfaltet G. „Jesus und Gott als Objekte des Glaubens“. Zuerst postuliert er, dass alle Gottesaussagen der johanneischen Theologie auf dem Boden der alttestamentlichen Tradition beruhen. Dabei beobachtet er zum einen, dass die häufigen Schriftzitate und Anspielungen nicht klar voneinander zu unterscheiden sind, zum andern, dass die Thora „als relevante Quelle für den Christusglauben betrachtet“ wird und über die Gestalt von Mose zu Christus führt (94). Mit der Analyse der Schriftzitate gelingt es dem Verfasser, Jesus als Ausleger der Schrift vor Augen zu stellen, deren Autorität er unmissverständlich anerkennt (95).
Dass G. sodann die alttestamentliche Weisheit mit dem johanneischen Logos in Beziehung setzt, zeigt zwar zahlreiche interessante Vergleichspunkte, trägt aber letztendlich wenig aus, zumal die alttestamentliche Weisheit im vierten Evangelium „keine titulierte Fixierung“ enthält (101). Sowohl die alttestamentliche Weisheit als auch der johanneische Logos werden anschließend religionsvergleichend Philo von Alexandrien und den Aussagen des vierten Evangeliums gegenübergestellt. Wichtig ist festzuhalten: Der Logos des Philo ist ein „zweiter Gott“ (102), wohingegen das vierte Evangelium die qualitative Einheit in Gott bewahrt, wie sie Joh 1,1 καὶ θεὸς ἦν ὁ λόγος belegt. Nur hier und in 1,14 wird „λόγος als Titel für Jesus“ (105) verwendet. Es wird deutlich: Die Passage des Prologs über den präexistenten und inkarnierten Logos beinhaltet die offenbarungstheologischen Kernaussagen des vierten Evangeliums. Gougbadjis Ergebnis des Vergleiches mit Philo könnte zur aktuellen Diskussion, in der zum Teil eine Trennung zwischen Logos und Gott/Jesus behauptet wird, einen impulsgebenden Beitrag leisten.
In der Mitte des dritten Kapitels fügt der Verfasser einen Exkurs (117–157) ein, in dem er die Mittlerfunktion des Menschensohnes sowohl mit dem „‘Abstieg-Aufstiegs-Schema‘“ als auch mit seiner Erhöhung am Kreuz verbindet. Auf diese Weise wird der Menschensohn verherrlicht und schlägt etwa in Joh 8,28 die Brücke zu den Ich-bin-Worten Jesu (118f). Zudem prüft G. die These der „Rede vom Antijudaismus im 4. Evangelium“, der er sich – gut begründet aus seinem Gesamtbefund der Kritikstellen an „den Juden“ – nicht anschließt (145).
Auf den ersten Blick scheinen die Einzelthemen des Exkurses kaum in Beziehung zu stehen. Doch der Verfasser weist plausibel nach, dass der Glaube an den alttestamentlichen Monotheismus der Juden und die Ich-bin-Worte Jesu auf „den Ausgangspunkt der Entwicklung des Gottesnamens“ im AT (Ex 3,14) anspielen (122) und beispielsweise in Jes 41,4; 43,10; 48,12; 52,6 rezipiert werden. Die Brisanz der Ich-bin-Worte Jesu liegt in ihrem normativen Anspruch auf „unbedingte Gültigkeit“ (131). Darüber hinaus finden sich in diesen Passagen, welche Theologie und Christologie im Johannesevangelium miteinander verbinden, sowohl im laufenden Text als auch in den weiterführenden Anmerkungen anregende exegetische Ausführungen. So zum Beispiel der Hinweis des Verfassers, dass stets dann, wenn Jesus ein Ich-bin-Wort spricht, sich in erster Linie der alleinige Gott mit seinem Wesen und Willen, wie er sich im Alten Bund mitgeteilt hat, nun durch Jesus offenbart (139).
Im letzten Drittel (158–222) seiner Arbeit untersucht G. das Verhältnis zwischen Monotheismus und Trinität. Zunächst trennt er die Begrifflichkeiten der „dogmatischen Trinitätstheologie“ (Trinität, Person, Wesen, Substanz, usw.), die zur Zeit der Kirchenväter und Konzile auftreten, von den johanneischen Terminologien (Vater, Sohn, Paraklet). Denn im vierten Evangelium geht es nicht nur um Personen, sondern um Relationen, die auch die Glaubenden involvieren (159). Die johanneische Trinität weist über 120 Belege zu πατήρ auf, deren Charakteristika darin bestehen, dass der Vater überaus eng mit seinem Sohn in Beziehung steht. Dabei handelt es sich um ineinandergreifende Relationen der Liebe und des einheitlichen Wirkens, die stets in Verbindung zu den Menschen gesehen werden (162–166). Darüber hinaus begründet G., wie untrennbar die johanneische Sendungschristologie und Präexistenzlehre mit der Vater-Sohn-Beziehung verbunden ist: Jesus ist darin als Repräsentant des Vaters ganz von ihm abhängig und hat doch vom Vater alle Vollmacht erhalten (166–171).
Bemerkenswert ist die exegetische und theologische Erklärung zum Geist-Parakleten (172–198), in welcher der Verfasser die „johanneische Relationsbestimmung von Pneumatologie, Christologie und Theologie“ begründet (173). Ebenso zieht G. wichtige Verbindungslinien zwischen den alttestamentlichen Geistaussagen als Gottesprädikat und Jesus als dem messianischen „Träger und der Quelle des Geistes“ (174). Nachösterlich vertritt der Paraklet primär nicht Vater und Sohn, sondern besitzt die Aufgabe, „in der johanneischen Gemeinde den Sinn der Christusoffenbarung immer wieder neu zu erschließen. Als Geist der Wahrheit […] wird er zu einem tieferen Verstehen der Person Jesu Christi führen. Dabei bleibt die Offenbarung des Parakleten streng an die Christusoffenbarung gebunden“ (181). Schließlich weist der Verfasser nach, dass zwischen der dogmatischen und johanneischen Trinitätslehre ebenso Unterschiede bestehen wie zwischen dem Monotheismus der Synagoge und dem neuen christologischen Monotheismus. Denn Jesus Christus ist Gottes exklusiver Offenbarer, und die Jünger sind in die Vater-Sohn-Geist-Parakleten-Beziehung eingeschlossen.
Im letzten Teil der Gesamtarbeit versucht G. in den drei Johannes- und Paulusbriefen und mit drei Beispielen aus der patristischen Literatur eine Gruppe innerhalb des damaligen Judentums als Gegner, und damit Nichtglaubende, zu rekonstruieren.
Durchgehend setzt der Verfasser den dialogischen Stil mit Fragen und Antworten ein, was das reflektierende Lesen anregt. Störend sind dagegen unzählige orthografische und grammatische Fehler (u. a. 28, 38, 67, 86, 111; 118, 130, 220) in Zitaten wie Fußnoten (u. a. 109, 110, 146, 147, 156). Ebenso werden die Fußnotennummern von 146 bis 152 normal formatiert statt über der Textzeile hochgestellt.
Joel C. Gougbadji ist zu wünschen, dass seine wertvollen exegetischen und theologischen Einsichten zum Glauben im vierten Evangelium und seine theologisch stets qualifizierten Schlussfolgerungen zu alttestamentlichen Bezügen eine zweite korrigierte Auflage erhalten.
Dr. Manfred Baumert, Dozent; Supervisor der University of South Africa