Klaus Haacker: Die Apostelgeschichte
Klaus Haacker: Die Apostelgeschichte, ThKNT 5, Stuttgart: Kohlhammer, 2019, kt., 463 S., € 59,–, ISBN 978-3-17-026990-3
Der Verfasser (H.) dieses neuen Kommentars lehrte bis zu seiner Emeritierung 2007 Neues Testament an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal. Das zweiseitige ,,Vorwort“ gibt Einblicke in H.s wissenschaftlichen Werdegang, auch in seine jahrzehntelange Beschäftigung mit der Apg. Auf einer ganzen, eng bedruckten Seite sind 444f H.s ,,Eigene Studien als ,Vorläufer‘ dieses Kommentars“ gelistet. Dessen Erstfassung ,,sprengte aber die für die Kommentarreihe vorgesehene Seitenzahl“ (6) und musste deshalb gekürzt werden. Man kann nur hoffen, dass nichts eventuell doch Wichtiges den Kürzungen zum Opfer fiel. Denn die Apg ist „ein Buch ohnegleichen … Ohne die Apg besäßen wir nur ganz wenige historische Daten über die ersten Jahrzehnte der Kirchengeschichte…“ (11)
Inhaltlich setzt das Vorwort drei erste Markierungen für die Exegese der Apg. Diese sind nach H.:
- eine genaue Wahrnehmung des Urtextes
- die Beachtung des gesamtbiblischen Zusammenhangs. ,,Sie (sc. die Bibel) ist nur als ganze ,Wort Gottes‘…“ (19)
- die vielfältigen Berührungen mit sonstiger antiker Literatur.
In der sich ans Vorwort anschließenden ,,Einleitung” werden die drei Markierungen vertieft, z. B. betreffs der Historischen Kritik. H. will sich nicht zum Fürsprecher einer der beiden Grundtypen im Verständnis der Reden in der Apg machen, also weder im Gefolge von Dibelius und Wilckens (fiktional) stehen, noch sich prinzipiell der konservativeren britischen Forschung (sie glaubt an historische Kerne) anschließen, sondern: ,,Es kann nur darum gehen, ob Lukas die Intention und möglicherweise bestimmte Argumente in der erzählten Situation wiedergibt oder in einer passenden Situation einen Redner so sprechen lässt, wie es für ihn charakteristisch war.“ (20)
Weitere wichtige Punkte sind zu nennen: H. loziert sich und seinen Kommentar vor allem im Gespräch mit der deutschen Geschichte (Antijudaismus) und der deutschen Forschungstradition. Dabei ist sein eigener methodischer Ansatz der des sog. close reading, will heißen: an erster Stelle stehen der Urtext und all sprachlichen Hilfsmittel. Erst in einem zweiten Schritt kommen dann Kommentare und die Sekundärliteratur ins Spiel. In welch großem Maße H. diese einsah und für seine Auslegung verwendete, davon zeugen die vielen Anmerkungen und die umfängliche Liste der Kommentare, Aufsatzbände, Monografien und Aufsätze (s. 440–444).
In 14 Teilabschnitte unterteilt (sie sind jeweils mit ansprechend formulierten Überschriften versehen), legt H. dann die Apg Vers für Vers aus. Am Beginn eines jeden Sinnabschnittes steht H.s eigene, verständliche und gut les- und hörbare Übersetzung.
Zum Schluss möchte ich ein Vierfaches bemerken.
Mir gefällt das Konzept des close reading sehr. Denn es erinnert an J. A. Bengels Satz te totum applica ad textum. rem totam applica ad te. Dieser Satz stand in früheren Ausgaben des Novum Testamentum Graece, leider nicht mehr in den aktuellen. H.s Kommentar kommt in vorbildlicher Weise der ersten Satzhälfte nach und leitet unaufdringlich zur persönlichen und gemeindlichen Applikation an.
Auf der Buchrückseite betont der Verlag „die feministisch-theologische[n] und geschlechterbewusste[n] Forschungen“, die als „Deutungsmuster“ der gesamten Kommentarreihe zu Grunde liegen. Als Leser*in von H.s Kommentar ist man froh, dass H. als nüchterner Exeget keinerlei ideologiebehaftete Interpretationen der einschlägigen Texte vornimmt, sondern eng am Text bleibt.
Die letzten beiden Sätze von H.s Kommentar lauten im Blick auf den unvollständigen Schluss der Apg – wissenschaftlich-redlich und demütig – so: ,,Wo die Quellen schweigen, müssen wir uns mit dem begnügen, was sie überliefern. Es ist so viel, dass wir dem Lukas (oder ,,Lukas“) großen Dank und Respekt vor seiner Arbeit schulden.“ (435) Großer Dank und Respekt gebührt auch dem philologisch höchst genauen und bedächtigen Ausleger H.!
Sein Werk gehört zuallererst in die Hände von H.s exegetischen Kolleg*innen. Dann jedoch auch und vor allem gebührt ihm ein Ehrenplatz in jeder exegetisch fokussierten Pfarrbibliothek. Und warum sollten auch interessierte sog. Laien nicht darin lesen?
Dr. Gerhard Maier, Pfarrer i. R., Neuffen