Altes Testament

Knut Martin Heim: Ecclesiastes

Knut Martin Heim: Ecclesiastes. An Introduction and Commentary, TOTC, Leicester: InterVarsity, 2019, Pb., XVI+208 S., US $ 19.00, ISBN: 978-0-8308-4265-0


Die evangelikale Kommentarreihe Tyndale Old Testament Commentaries erlebt seit 2011 eine Neubearbeitung. Bisher sind ein Dutzend neue Bände erschienen. Der Kommentar von Knut Heim, Professor für Altes Testament am Denver Seminary (USA), ersetzt den kleinen, aber feinen Band von Michael A. Eaton (1983).

Nach einer knappen Einleitung von 11 Seiten und einer Gliederung folgt eine Übersetzung, die sich semantisch, grammatisch und syntaktisch am Hebräischen orientiert. Heim schließt angesichts der rhetorischen und ironischen Eigenart des Buches eine salomonische Verfasserschaft aus, zudem die Sprache eine für eine nachexilische Datierung spreche und die Bezüge auf Salomo auf Koh 1–2 beschränkt blieben. Der Großteil des Buches werde in Form einer verschriftlichten Rede eines pseudonymen Erzählers präsentiert, die in 12,9–14 um einen Anhang eines späteren Redaktors ergänzt werde. Im Anschluss an John Jaricks Aufsatz „Ecclesiastes among the Comedians“ (2014) erkennt Heim zahlreiche Bezüge zu griechischen Komödienschreibern. Die vordergründig pessimistischen Aussagen seien in Wahrheit Bestandteil einer subversiven politischen Satire und zugleich einer tiefgründigen theologischen Botschaft für gläubige Leser, die sich nicht mit einfachen Antworten zufrieden geben. Heim datiert das Buch in die Zeit der ptolemäischen Herrscher in Ägypten. Der Ausdruck תַּחַת־הַשֶּׁמֶשׁ „unter der Sonne“ sei an etlichen, aber nicht allen Stellen eine Chiffre für die ägyptische Fremdherrschaft, Koh 8,10–14 beschreibe die Konsequenzen religiöser Provokationen und 12,12 wird ein Bezug auf die Gymnasien unter Antiochus IV. Epiphanes gesehen. Das Buch ermutige seine Leser, über die fremden Herrscher zu lachen und sei im Grunde „Widerstandsliteratur“ (6). Ob dieser „Sitz im Leben“ jeden Leser überzeugen wird, ist fraglich. Die vermeintlichen Bezüge lassen zahlreiche andere zeitgeschichtlichen Deutungen zu. Dass in 9,7–10 gerne Parallelen zum (viel älteren) Gilgamesch-Epos, Tafel X, gesehen werden, wird nicht erwähnt. Im Kommentar bleiben die Bezüge auf die Fremdherrschaft meist vage; selbst 9,14–15 lasse nach Heim keine eindeutige Identifizierung zu (171). Die Sprache ist entsprechend dem weisheitlichen Genre so allgemein, dass eine präzise Verortung schwierig, wenn nicht unmöglich ist. Nach Heim ermutige das Buch zum anderen, Gott die Treue zu halten und an den traditionellen kulturellen Werten festzuhalten. Die Botschaft des Buches sei weder optimistisch noch pessimistisch, sondern sehe das Leben realistisch und hoffnungsvoll und bringe eine „Theologie der Freude“ zum Ausdruck (10).

Heim verzichtet auf eine Makrostruktur und gliedert das Buch in 31 Abschnitte. Nach einer Einleitung (1,1–3) und einer grundlegenden Beobachtung (1,4–11) folgen ohne übergreifende Ordnung elf Fallstudien (1,12–2,26; 3,1–15; 3,16–11; 4,1–6; 4,7–12; 5,13–15; 5,16–17; 6,1–2; 6,3–9; 9,13–10,4; 10,5–15), fünf praktische Interludien (4,13–16; 5,1–7; 5,8–12; 7,1–4; 7,15–22), eine Schlussfolgerung (5,18–20), acht Abschnitte mit Reflexionen (6,10–12; 7,23–8,1; 8,2–9; 8,10–14; 8,15–9,1; 9,2–10; 9,11–12; 10,16–20), zwei Abschnitte mit Aufforderungen (11,1–6; 11,7–12,7) und am Ende die Bestätigung der ursprünglichen Hypothese (12,8) sowie der Epilog (12,9–14). Man hat den Eindruck, dass der Autor angesichts der zahlreichen und sehr unterschiedlichen Gliederungsvorschläge auf einen eigenen Versuch verzichtet hat. Dennoch kann beobachtet werden, dass die Reflexionen und die Aufforderungen die zweite Buchhälfte beherrschen.

Jeder der 31 Abschnitte wird im Dreischritt von „Context – Commentary – Meaning“ behandelt. Die Kommentierung ist prägnant und kompakt. Sie nimmt auf zahlreiche andere Exegeten Bezug, verliert sich aber nicht in exegetischen Diskussionen. Sie erweist durchgehend ein gutes poetisches Gespür in der rhetorischen Analyse, in der Erklärung der Stilfiguren und der szenischen Darstellung. Heim erklärt Wortbedeutungen und Syntax, ohne sich in technischen Details zu verlieren. 1,1–3,15 ähnele einem philosophischen Traktat einer fiktiven königlichen Figur, was den ersten Zuhörern deutlich gewesen sein soll. Dennoch komme als beschriebene Idealfigur niemand anderes als Salomo in Betracht (47). 1,2 und 12,8 weist Heim nicht wie Michael V. Fox einem rahmenden Erzähler zu, sondern deutet es als Motto, das am Ende bestätigt werde. Das Lieblingswort Kohelets הֶבֶל übersetzt Heim mit „mirage“ im Sinne einer Illusion, einer inneren optischen Täuschung (7, 38). 1,3 und 3,9 versteht Heim im Gegensatz zu den meisten Kommentaren nicht als rhetorische, sondern als echte Frage.

Erfreulich ist, dass der Kommentar ohne die Zitaten-Theorie von D. Michel auskommt, der positive Aussagen der traditionellen Schulweisheit zugesprochen hat. Darin folgt er dem Trend, das Buch als literarische Einheit zu lesen. Die Auslegung liest sich angenehm und ist teils originell geschrieben. Heim zeigt zahlreiche innerbiblischen Bezüge auf, wobei der Bezug in 12,2 auf die Flutgeschichte etwas weit hergeholt ist. Auch wenn man die zeitgeschichtliche Verortung nicht teilt, kann man Heims Kommentar mit Gewinn lesen.


Dr. Walter Hilbrands, Dekan und Dozent für Altes Testament an der Freien Theologischen Hochschule Gießen