Systematische Theologie

William J. Abraham: Methodism

William J. Abraham: Methodism. A Very Short Introduction, Oxford: Oxford University Press, 2019, Pb., 143 S., $ 11.95, ISBN 978-0-19-880231-0


Die renommierte und inzwischen auf mehrere Hundert Bände angewachsene Reihe A Very Short Introduction ähnelt in Format und Zielgruppe der in Deutschland beim Beck-Verlag in München verlegten Beck’schen Reihe. Auf gut einhundert Seiten informieren ausgewiesene Fachvertreter allgemeinverständlich über einen Wissensbereich, der sich bei der Reihe der Oxford University Press von A wie Abolitionismus bis Z wie Zionismus erstreckt, wobei die Wahrscheinlichkeit, ein Buch zum Thema des eigenen Interesses zu finden, mit jedem Jahr wächst.

Seit 2019 gibt es in der Reihe nun auch eine Überblicksdarstellung zum Methodismus, verfasst von William J. Abraham, einem irischen Methodisten, der als renommierter Religionsphilosoph, Systematischer Theologe und Kenner der methodistischen Theologiegeschichte an der Perkins School of Theology der Southern Methodist University in Dallas (Texas) lehrt. Sein Portfolio an theologischer Kompetenz gibt dem schmalen, aber gehaltvollen Band sein besonderes Gepräge, das es von zahlreichen anderen, stärker ereignisgeschichtlich interessierten Einführungen unterscheidet. Abraham bietet demgegenüber eine theologiegeschichtliche Darstellung, die sich zwar an den historischen Wegmarken der methodistischen Bewegung orientiert, diese jedoch in die sich verändernden geistesgeschichtlichen Horizonte der Zeit (Anglikanismus, Aufklärung, Globalisierung, Spätmoderne) einzeichnet.

Der Band markiert über seine neun Kapitel hinweg zwar eine Bewegung von den Anfängen des Methodismus im Oxford des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart, doch tragen die Kapitel eher ein thematisches Gepräge. Behandelt werden unter anderem: (a) das Selbstverständnis und die Botschaft des (frühen) Methodismus, (b) anhand der Kirchenvereinigung 1968 der Versuch, aus der Not des theologischen Pluralismus eine Tugend zu machen, (c) die Vision eines geheiligten Lebens anhand der von Wesley identifizierten Gnadenmittel (Bibelstudium, Gebet, Abendmahl und praktizierte Nächstenliebe), (d) die Auswirkungen der methodistischen Bewegung auf den Kampf für die Abschaffung der Sklaverei, für Bildung und medizinische Versorgung. Dabei konzentriert sich der Vf. auf den britisch-irischen und US-amerikanischen Methodismus, wirft gelegentlich aber auch einen Blick auf die methodistische Präsenz in Staaten der südlichen Hemisphäre. Abraham schreibt kurzweilig, kompetent und in der Analyse ebenso klarsichtig wie streitbar. Die Leser werden kenntnisreich (und an ausgewählten Punkten auch detailreich) darüber informiert, wie Wesleys Vision erneuerten christlichen Lebens in den vergangenen drei Jahrhunderten Gestalt gewann und sich diese Gestalt bis in die Gegenwart hinein verändert hat.

Abraham setzt in seiner geistes- und problemgeschichtlich orientierten Darstellung einige eigene Akzente, die in der evangelikalen Rezeption auf Resonanz stoßen dürften. Ich nenne vier solche Akzente: (1) Abrahams besonderes Interesse gilt der Dialektik von Kirche und Bewegung. So arbeitet er heraus, dass Wesley die Kirche von England erneuern und die Gesellschaft reformieren wollte, sein Erneuerungs- und Reformprogramm sich aber in den gewachsenen Strukturen der Staatskirche nicht verwirklichen ließ, weshalb die methodistische Bewegung zunächst in den Vereinigten Staaten, nach Wesleys Tod dann auch in Großbritannien, zur Kirche wurde. Er vertritt die Überzeugung, dass Erneuerung früher oder später die Strukturen und das Ethos einer verfassten Kirche in Frage stellt und die Spannung zwischen Kirche und Bewegung neu aufbricht. Das bedeutet für ihn, dass verfasste Kirchen eine der Erneuerung dienende Funktion haben, was sie theologisch nicht entwertet (ist es doch Gottes Geist, der Erneuerung wirkt), sie aber als Gnadenmittel von der Gnade zu unterscheiden sind, die in ihnen und durch sie wirkt. Er erwägt, dass es die historische Mission der Methodistenkirche sein könnte, nicht nur die pfingstlich-charismatischen Bewegungen (die er – wohl etwas vergröbernd – als theologische Enkel Wesleys versteht), sondern überhaupt eine Reihe von Erneuerungsbewegungen hervorgebracht zu haben (vgl. 109f).

(2) Abraham legt anhand der Entwicklungen vornehmlich der United Methodist Church in den USA dar, dass ein theologischer Pluralismus in die Sackgasse führt. Der kirchliche Pluralismus habe „no coherent message and no coherent body of doctrine” hervorgebracht (61) und eine Einigung deshalb (lediglich) darüber gesucht, was in Fragen der Theologie als Autorität zu gelten habe. Die Antwort der Vereinigungskonferenz von 1968 lautete: Bibel, Tradition, Vernunft und Erfahrung – das bekannte „Wesleyan Quadrilateral“, mit dem sich je nach Anwendung theologisch fast alles begründen lasse und begründet worden sei. Abraham hat sich in anderen Veröffentlichungen fundiert und kritisch zum Quadrilateral geäußert.

(3) Abraham beschreibt nicht nur die Stärken der methodistischen Vision erneuerten Lebens, sondern fragt auch nach den Gründen ihres Niedergangs in der westlichen Welt. Er diskutiert kritisch mehrere Verfallstheorien, die im Kern an gängige Säkularisierungsnarrative anschließen. Dabei scheint er sie jeweils als Teilerklärungen zu akzeptieren, deutet aber an, dass ein wesentlicher Grund für den Niedergang im Mangel an Selbstverleugnung und vorbehaltloser Hingabe an Gott liegen dürfte. Vor diesem Hintergrund plädiert er für eine Neubesinnung auf die von Wesley profilierte Verbindung von methodistischer „doctrine“, „experience“, „practice“ und „discipline“ (106).

(4) Stärker als in anderen Einführungsdarstellungen wird in diesem Band auf innerkirchliche Erneuerungsbewegungen hingewiesen, denen erkennbar die Sympathie des Autors gilt. Für Abraham tragen sie das Anliegen Wesleys weiter und werden das auch in der sich gegenwärtig formierenden konservativen Methodistenkirche tun, die nach der auf 2021 verschobenen Generalkonferenz entstehen könnte. Abraham, der zu den Befürwortern einer Methodistenkirche gehört, die sich theologisch und ethisch aus dem biblischen und altkirchlichen Zeugnis von Jesus Christus erneuern lässt, versprüht Zuversicht: Der Methodismus wird, zumal in globaler Perspektive, unter diesem oder anderem Namen weiterbestehen, solange Christen sich und ihre kirchlichen Gefäße dem Erneuerung wirkenden Gottesgeist zur Verfügung stellen.

Fazit: Diese kurze Einführung misst die kirchlichen und theologischen Entwicklungen des Methodismus an Wesleys ursprünglichem Anliegen, dem erneuernden und reformierenden Wirken des Heiligen Geistes Raum zu geben. So entsteht eine problemorientierte Darstellung, die wichtige theologiegeschichtliche Entwicklungen von einer – theologisch im Methodismus der Gegenwart strittigen – Perspektive her einordnet, die sich zur Geltung der methodistischen Grundlagentexte bekennt.


Prof. Dr. Christoph Raedel, Professor für Systematische Theologie und Theologiegeschichte an der Freien Theologischen Hochschule Gießen