Praktische Theologie

Carsten Gennerich / Mirjam Zimmermann: Bibelwissen und Bibelverständnis bei Jugendlichen

Carsten Gennerich / Mirjam Zimmermann: Bibelwissen und Bibelverständnis bei Jugendlichen. Grundlegende Befunde – Theoriegeleitete Analysen – Bibeldidaktische Konsequenzen, Stuttgart: Kohlhammer, 2020, Pb., 212 S., € 39,–, ISBN 978-3-17-038910-6


Carsten Gennerich und Mirjam Zimmermann lenken mit dieser empirischen Studie den Blick auf ein in Deutschland bisher wenig erforschtes Thema: Das Bibelwissen und Bibelverständnis von Jugendlichen. Damit soll „das Defizit aktueller empirischer Forschungen auf diesem Feld“ (7) aufgegriffen werden.

Zur Datenerhebung (Kapitel 3) wurde eine quantitative Erhebung mittels Fragebogen durchgeführt. An der Entwicklung des Fragebogens waren neben den Autoren verschiedene Fachkollegen disziplinübergreifend beteiligt. Die Teilnehmer wurden „nicht nach Kriterien der Repräsentativität rekrutiert“, sondern als „convenience sample“ (64). Dennoch ist den Befunden allgemeine Bedeutung beizumessen, da die Fragestellungen eher auf Zusammenhänge ausgerichtet sind, die „keine repräsentativen Stichproben erfordern“ (64). Die Befragung fand 2015/2016 unter 1446 Schülern im Alter von 9–20 Jahren (Ø 13,52) in Deutschland (Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Baden-Württemberg) statt. Im Jahr 2016 wurden 665 englischsprachige Schüler in Australien, England und Kanada befragt.

Nach einer bewusst knappen Einleitung (Kapitel 1) liefern Gennerich und Zimmermann in Kapitel 2 zunächst einen Überblick über den „Forschungsstand“ (2.1). Dazu fassen sie insgesamt neun Studien in ihren wichtigsten Inhalten zusammen. Zeitlich stammen diese Untersuchungen aus den Jahren 1964 bis 2018, eine davon wurde in England (1964), eine weitere in Finnland (1991/1993) durchgeführt. An der „mageren Ausbeute“ wird deutlich, dass Studien zu diesem Thema in Deutschland rar sind. Schade ist an dieser Stelle, dass der aktuelle internationale Forschungsstand außen vor bleibt.

Ein weiterer Fokus liegt auf ausgewählten „theoretischen Zugängen zur Bibel“ (2.2), nämlich dem Zusammenhang von „Bibelverständnis und Lebensstilen“, „Bibel und Gender“, der „Frage der Wahrheit der Schrift“ und der „Konzeptionalisierung von persönlicher Bedeutsamkeit“. Gerade in der Entwicklung eines Modells zur Konzeptionalisierung von persönlicher Bedeutsamkeit biblischer Texte für Jugendliche liegt ein wertvoller Beitrag für weitere empirische Forschungen zu dieser Thematik auf theoretischer Ebene.

Neben den methodischen Grundlegungen sind für die religions- und gemeindepädagogische Praxis vor allem die in Kapitel 4 vorgestellten „Ergebnisse“ und daraus resultierenden „bibeldidaktischen Konsequenzen“ (Kapitel 5) von hohem Wert. Zum Beispiel liefern die Befunde zur Frage „wie die Bibel als bedeutsam erlebt werden kann“ (184) hilfreiche Anhaltspunkte, Jugendliche in wirkungsvollen Kontakt mit der Bibel zu bringen. Man weiß jetzt, dass „mit zunehmendem Bibelwissen allgemein die Kompetenz steigt, biblische Geschichten identitätsrelevant zu interpretieren“ (174). Auch die Feststellung, dass Schülerinnen insgesamt einen leichteren Zugang zur Bibel haben als Schüler und „dass es die Jungen sind, um die man sich im Religionsunterricht bei biblischen Themen besonders kümmern muss“ (195), ist ein Befund, der nicht nur innerhalb des Religionsunterrichtes, sondern auch in der gemeindepädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen Beachtung finden sollte.

Fazit: Angesichts des hohen Stellenwertes der Bibel innerhalb des Protestantismus einerseits und den vielfach beschriebenen kulturellen Veränderungen des gegenwärtigen Zeitalters andererseits, liefert diese Studie sowohl für Religionspädagogen als auch für Erzieher und Mitarbeiter in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit bedeutsame Erkenntnisse. Es ist wünschenswert, dass die Befunde auch in der gemeindlichen Praxis der „evangelical community“ wahrgenommen werden und zu weiteren praktisch-theologischen Überlegungen innerhalb der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen führen.


Judith Hildebrandt, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Freien Theologischen Hochschule Gießen