Felix Eiffler: Kirche für die Stadt
Felix Eiffler: Kirche für die Stadt. Pluriforme urbane Gemeindeentwicklung unter den Bedingungen urbaner Segregation, BEG 29, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2020, Pb., 550 S., € 69,99, ISBN 978-3-7887-3468-8
Felix Eiffler (im Folgenden E.), Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung, sowie Assistent am Lehrstuhl für Praktische Theologie der Universität Greifswald, legt mit diesem Buch die überarbeitete Fassung seiner Dissertation vor. Die Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie Kirche ihren Auftrag in urbanem Umfeld angemessen erfüllen kann.
Im einleitenden Kap. I benennt E. zunächst die Relevanz der Fragestellung angesichts der immer stärker auftretenden Urbanisierung der Gesellschaft, sowohl global als auch in Deutschland. Anschließend formuliert er das Ziel, für kirchliche Arbeit im urbanen Umfeld eine Balance zwischen Kontextualisierung und der Treue zum Evangelium als dem Inhalt kirchlichen Handelns zu finden. Dabei liegt der Fokus auf den evangelischen Landeskirchen in Deutschland.
Dementsprechend analysiert Kap. II den urbanen Kontext. E. rezipiert dabei Timothy Kellers Ansatz aus dessen Buch „Center Church“ für den deutschen Kontext mit besonderem Fokus auf das Phänomen sozialer Entmischung (Segregation) der Stadtbevölkerung durch Gentrifizierung bestimmter Quartiere einerseits und Marginalisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen andererseits.
Kap. III wendet sich dagegen der theologischen Bestimmung von Kirche zu. Ausgehend vom Missio-Dei-Begriff begründet E. Kirche auf dem trinitarischen Wesen Gottes als Liebe. Kirche entsteht durch Gottes liebevolles Handeln in der Sendung, Kreuzigung und Auferweckung Jesu Christi. Sie ist dementsprechend eine Zeugnisgemeinschaft von ebendiesem Handeln Gottes in Christus. Dieses Zeugnis vermittelt sie durch Verkündigung und Sakrament (Martyria), Gemeinschaft ihrer Glieder (Koinonia), durch gemeinsames Lob Gottes (Leiturgia) und den Dienst am Nächsten (Diakonia).
Kap. IV entfaltet diese vier Dimensionen von Kirche als Leitlinien für die Konzeption einer urbanen Gemeindeentwicklung. Es handelt sich also um die Verbindung der empirisch-soziologischen und theologischen Erkenntnisse aus Kap. II–III. Kap. IV ist nicht Bestandteil des gedruckten Bandes, aber über einen Link bzw. QR-Code leicht zugänglich.
Das abschließende Kap. V konkretisiert die Ergebnisse, indem drei Formen urbaner kirchlicher Arbeit vorgeschlagen werden, die nach E. sowohl dem Kontext urbaner Segregation gerecht werden als auch das Potenzial haben, den negativen Aspekten dieses Phänomens entgegenzuwirken. Ausgehend von der mehrheitlich parochialen Struktur der evangelischen Landeskirchen plädiert E. für eine Modifizierung der Parochialgemeinden hin zu „Quartiersgemeinden“ (418), die sich an der soziolokalen Größe eines Quartiers orientieren. Daneben sollen „StadtKirchen“ (434) in für das Stadtbild prägenden Kirchengebäuden Knotenpunkte bilden, durch die Kontakte zu möglichst vielfältigen Personengruppen gewonnen werden können. Die dritte Form sind „Frische Ausdrucksformen urbaner Kirche“ (447), eine Modifizierung der „Fresh expressions of Church“ für den deutschen Kontext. Ihre Stärke ist die intensive Kontextualisierung in einen besonders speziellen Kontext hinein. Um dies zu gewährleisten, fordert E. die Einrichtung von Erprobungsräumen in den Evangelischen Landeskirchen, die rechtliche Gleichstellung der verschiedenen Gemeindeformen, sowie eine ökumenische (!) Vernetzung und Zusammenarbeit der christlichen Gemeinden einer Stadt.
„Kirche für die Stadt“ eröffnet eine empirisch wie theologisch fundierte Perspektive auf die christliche Gemeindeentwicklung im urbanen Kontext. Das Buch ermutigt zu einer dauerhaft flexiblen, ökumenisch vernetzten und in den urbanen Kontext eingebetteten Kirche aus pluriformen, aber gleichberechtigten Gemeinden, deren Einheit in den zentralen Merkmalen von Kirche (Martyria, Koinonia, Leiturgia, Diakonia) besteht.
Benjamin Hummel, Studienassistent im Albrecht-Bengel-Haus, Tübingen