Brian R. Doak: Ancient Israel’s Neighbors
Brian R. Doak: Ancient Israel’s Neighbors,Essentials of Biblical Studies, New York: Oxford University Press, 2020, geb., 211 S., US $ 24,95, ISBN 978-0-19-069060-1
Angesichts der Fülle neuer methodischer Ansätze und Veröffentlichungen hat sich die junge Serie Essentials of Biblical Studies das Ziel gesetzt, Studierenden und interessierten Laien einen kompakten, aktuellen und günstigen Zugang zu einem biblischen Thema zu verschaffen. Die Werke richten sich zudem an ein überkonfessionelles Publikum. Brian R. Doak, Professor an der George Fox University (Oregon), legt dazu einen Überblick über Israels antike Nachbarvölker vor; genauer gesagt, schreibt er zu den Kanaanäern, Aramäern, Ammonitern, Moabitern, Edomitern, Philistern und den Phöniziern. Die größeren in der Bibel vorkommenden Völker der Ägypter, Assyrer, Babylonier und Hethiter sollen zumindest teilweise in der Reihe gesondert behandelt werden und sind somit nicht Gegenstand dieses Buches.
Angesichts der Serie und des Ziels, einen kompakten Überblick über Israels Nachbarn zu bieten, verzichtet Doak auf stärker nuancierte, vorsichtige und technische Einordnungen, wie sie in einem wissenschaftlichen Aufsatz zu erwarten wären (5–6). Trotzdem gelingt es Doak ein differenziertes Bild der einzelnen Völker zu zeichnen und zugleich einen Einstieg in wesentliche Problemfelder aufzuzeigen. Sein Schreibstil ist dabei leicht verständlich, flüssig lesbar und gut für Laien und Studierende geeignet.
Im ersten Kapitel weist Doak auf die grundlegenden Problematiken des modernen Nationenbegriffes, des Verhältnisses von biblischen und außerbiblischen Zeugnissen, Heiliger Schrift und Historizität und zur Bedeutung des „Anderen“ / „Fremden“ für die eigene Identitätsbildung hin (1–21). Dabei legt er zumeist hilfreiche erste Spuren und kann die Problematik greifbar verdeutlichen. Besonders zur Wahrnehmung des „Anderen“ wäre es hilfreich gewesen, ein paar weitere Spuren zu legen. So hätten bspw. Hinweise zur Notwendigkeit der Auseinandersetzung und dem Erleben des Fremden für die Konstituierung des eigenen Selbstverständnisses oder auch zur Dreiecksbeziehung („Trias“) zwischen Jahwe, Israel und den Völkern wertvolle Horizonterweiterungen geboten.
Nach dieser Einführung wird jedes Volk in einzelnen ca. 20 Seiten langen Kapiteln behandelt (22–193). Doak folgt dabei einem dreiteiligen Aufbau: Zunächst fasst Doak die archäologischen Erkenntnisse zusammen, worunter er Inschriften, die materielle Kultur, religiöse Strukturen und außerbiblische Texte versteht. Danach folgt eine Beschreibung der biblischen Darstellung des Volkes. Doak versucht dabei die einzelnen Bibelstellen unabhängig voneinander darzustellen (4). Immer wieder geht er knapp auf Unterschiede zu den archäologischen Funden ein. Die Entwicklung des Volkes ab 500 v. Chr. (5) behandelt Doak dann in einem dritten Abschnitt „What happened to the neighbor?“. Diese auf den ersten Blick ungewöhnliche Trennung begründet Doak mit dem Ende des vermeintlich unabhängigen Israels als Staat. Dies hat aber zur Folge, dass im dritten Abschnitt nicht nur die Apokryphen, das Neue Testament, außerbiblische Texte und teils auch die Rezeption in der Gegenwart behandelt werden, sondern auch die Bücher Esra und Nehemia (96, 167–168, anders aber auf 45–46). Der Nutzen dieser Aufteilung wird nicht ganz klar, es wäre wohl übersichtlicher und konsistenter gewesen, auch Nehemia und Esra im Abschnitt der Hebräischen Bibel zu behandeln. Letzteres wird auch durch die Unterüberschriften bspw. „Ammon and the Ammomnites in the Hebrew Bible“ suggeriert.
In Doaks Darstellungen wird immer wieder deutlich, dass er zwar konservativ-evangelikale Standpunkte bspw. zu Datierungsfragen (15–18) nicht vertritt, seine Überblicke sind aber ausgesprochen fair geschrieben. So fügt er zur konservativeren Sicht auf die Frage des Genozids an den Kanaanäern kommentarlos verschiedene apologetische Deutungsmöglichkeiten an (50). Zum Vorkommen der Philister in Gen 26 merkt er lediglich an, dass es hier schwierig sei Anachronismen zu verneinen (162).
In den Darstellungen der biblischen Sicht zu den einzelnen Völkern behandelt Doak vor allem Einzeltexte. Am Rand kommen übergreifende Aussagen vor, so wertet er bspw. die prophetischen Texte zu den Philistern als komplette Verspottung oder sieht im Sieg Hiskias über die Philister in 2Kön 18 eine biblische Trope (bspw. 165, 166). Den Versuch einer übergreifenden Kategorisierung der Texte in einzelne Phasen, wie sie bspw. Peter Machinist bei den Philistern vornimmt, unternimmt Doak nicht. Einerseits wird dadurch der Blick auf die einzelnen Texte erleichtert, andererseits würde eine Kategorisierung den intendierten Lesern, die sich noch nicht mit dem Volk befasst haben, den Überblick erleichtern. Letztlich gelingt es Doak, alle wesentlichen Texte zu berücksichtigen und sie zu einem gelungenen Überblick zusammenzufügen.
Eine Karte mit den Namen einzelner wichtiger Städte dient in jedem Kapitel als Überblick zur geografischen Verbreitung des Volkes. Da antike Grenzen häufig sehr komplex waren und häufigeren Veränderungen unterlagen, verzichtet Doak dabei auf eine exakte Grenzlinie (7). Auf der einen Seite erscheint dies – zumal der langen behandelten Zeiträume – sinnvoll, auf der anderen Seite dürfte es gerade Studierenden dadurch deutlich schwerer fallen, die Verbreitung des Volkes nachzuvollziehen. Beispielhaft wird dies bei den Kanaanäern deutlich: Hier definiert Doak ihr Verbreitungsgebiet im Norden bis zur Grenze des heutigen Libanons und im Süden bis zur antiken Grenze Ägyptens (24). Auf der Karte selbst sind dann allerdings nur die Namen der Völker Aram, Kanaan, Moab und Edom sowie einige antike Städte (inkl. Ugarit und Byblos) genannt. Gerade für die intendierten Leser dürfte dies weniger hilfreich sein.
Zur besseren Übersichtlichkeit wurde auf ein eigenes Literaturverzeichnis und einen umfangreichen Fußnotenapparat verzichtet. Immer wieder wird aber auf wichtige Werke in einzelnen Fußnoten verwiesen. Eine gruppierte Literatursammlung (199–205) am Ende des Buches bietet Studierenden einen wertvollen Einstieg und Orientierungspunkt über die wichtigsten Werke für die weitere Recherche. Insgesamt handelt es sich um ein gelungenes Überblickswerk. Die intendierten Leser, vor allem Studierende, werden konsequent im Blick behalten und dieses Buch sicherlich gerne für einen ersten, kurzweiligen Überblick – besonders zum aktuellen Stand der Archäologie – zurate ziehen.
Christian Hilbrands, Doktorand an der Theologischen Universität Kampen, Niederlande