Praktische Theologie

Alexander Deeg / David Plüss: Liturgik

Alexander Deeg / David Plüss: Liturgik, Lehrbuch Praktische Theologie 5, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2021, Pb., 746 S., € 54,–, ISBN 978-3-579-05991-4

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Der Lutheraner Alexander Deeg (Leipzig), und der Reformierte David Plüss (Bern) legen mit ihrer Liturgik ein neues, 746-seitiges Lehrbuch in der Reihe „Lehrbuch Praktische Theologie“ vor.

Das Ziel des Buches ist neben der Vermittlung grundlegenden Wissens über die evangelisch-landeskirchliche Gottesdienstkultur (16) vor allem „die Einübung und Schärfung liturgischer Wahrnehmungsfähigkeit“ (15). Dazu streben die Verfasser die Gewinnung übergreifender Kriterien an, anhand derer die eigene Gottesdienstpraxis und -gestaltung reflektiert werden kann. Diese Zielsetzung bedingt die Gestaltung des Buches. Anders als z. B. das Lehrbuch von K.-H. Bieritz (2004) ist es nicht enzyklopädisch angelegt. Historische Überblicke spielen eine geringere Rolle. Detaillierte Beschreibungen liturgischer Gewänder o. ä. sucht man vergeblich. Stattdessen werden anhand ausgewählter Beobachtungen vor allem evangelisch-landeskirchlicher Gottesdienste grundsätzliche Merkmale des Gottesdienstes herausgearbeitet, die zum Teil dieselben liturgischen Vorgänge aus einer anderen Perspektive reflektieren.

Die Autoren stellen durchgehend Gemeinsamkeiten und Unterschiede der lutherischen, reformierten und unierten Konfessionen dar und geben dadurch Einblick in die Vielfalt evangelischer Gottesdienste. Seitenblicke auf katholische, orthodoxe und freikirchliche Gottesdienste werden punktuell eingestreut, wobei freikirchliche Gottesdienste vor allem im Bereich der Phänomenologie der Gottesdienste berücksichtigt werden, nicht aber bei der Darstellung liturgischer Theorien und Konzeptionen.

Der Band besteht aus 14 Kapiteln, die sich grob in zwei Hauptteile und einen kurzen Anhang gliedern: Kapitel 1–8 bilden den ersten, theoretischen Teil, der Theorien und Konzepte zum Gottesdienst darstellt. Auf Einleitung und Begriffsklärung (Kapitel 1) folgen Überblicke über die liturgiewissenschaftliche Methodik (Kapitel 2) und empirische Beobachtungen (Kapitel 3). Den Beginn machen konzeptionelle Überlegungen zum Verhältnis von Bibel und Gottesdienst (Kapitel 4), wodurch die evangelische Perspektive programmatisch deutlich wird. Daran schließen sich die Geschichte der Gottesdienste (Kapitel 5), theologische Gottesdienstkonzepte (Kapitel 6), anthropologische und soziologische Aspekte (Kapitel 7), sowie Wirkkräfte und Kontexte der Gottesdienste (Kapitel 8) an.

Der zweite Teil (Kapitel 9–13) dagegen blickt aus unterschiedlichen Perspektiven auf die Praxis der Gottesdienste. Hier wird die Zielsetzung des Buches besonders deutlich. Kapitel 9 stellt die grundlegenden Elemente evangelischer Gottesdienste dar: Feierformen wie Messe oder freie Gruppenformen, liturgische Bestandteile eines Gottesdienstes, liturgische Rollen, Orte und Räume, sowie Zeiten und Zyklen. Kapitel 10 scheint auf den ersten Blick eine Wiederholung zu sein. Es gibt einen Überblick über grundlegende Praktiken in Gottesdiensten, die nicht auf einzelne Elemente des Gottesdienstes festgelegt sind (z. B. Beten, Singen, Lesen etc.). Dadurch wird die Fokussierung auf einzelne „Teile“ des Gottesdienstes aufgebrochen und die gottesdienstübergreifenden gemeinsamen Elemente an unterschiedlichste Stellen des jeweiligen liturgischen Ablaufs deutlich. Diese Vorgehensweise setzt Kapitel 11 fort. Hier wird dargestellt, welche Medien in einem Gottesdienst zur Anwendung kommen können (Sprache, Gesang/Musik, Symbole/Zeichen/Elemente und Digitalisierung).

In origineller Weise bündelt Kapitel 12 die bisherigen Ausführungen durch Gottesdiensttypologien anhand unterschiedlicher Musikstile (Klassik, Jazz, Rock/Pop und Volksmusik), die den Charakter („Klangfarben“) unterschiedlicher Gottesdienst-Ausprägungen symbolisieren. Dadurch wird deutlich, was die Autoren in den vorangehenden Kapiteln immer wieder stark gemacht haben: Gottesdienste werden nicht nur durch konkrete Vollzüge oder theologische Intentionen und Texte geprägt. Die Wahrnehmung der Gottesdienstteilnehmer ist stattdessen viel stärker von unmittelbarem, individuellem und emotionalem Empfinden geprägt. Diese Klassifizierung ist zwar weniger scharf als überkommene Gottesdiensttypologien, aber sie stellt dadurch treffender die Wahrnehmung der Gottesdienste in der gegenwärtigen pluralistischen Gesellschaft dar.

Eine Besonderheit bildet das 13. Kapitel. Es thematisiert die Herausforderungen ökumenischer, christlich-jüdischer und interreligiöser Kontexte für den evangelischen Gottesdienst und nimmt damit die zunehmend multireligiöse Realität im deutschen Sprachraum ernst.

Kapitel 14 schließt die Darstellung mit der Empfehlung grundlegender Literatur, Zeitschriften und Internetressourcen ab, die knapp und übersichtlich dargestellt werden. Die Inhalte werden verständlich und übersichtlich dargestellt. Hilfreich ist der Registerteil mit einem grundlegenden liturgiewissenschaftlichen Glossar. Weiterführende Literaturhinweise nach jedem Unterkapitel erleichtern die Benutzung.


Benjamin Hummel, Studienassistent am Albrecht-Bengel-Haus Tübingen