Florian Sobetzko / Matthias Sellmann: Gründer*innen Handbuch für pastorale Start-ups und Innovationsprojekte
Florian Sobetzko / Matthias Sellmann: Gründer*innen Handbuch für pastorale Start-ups und Innovationsprojekte, 2. Aufl. Würzburg: Echter, 2017, Pb., 454 S., € 39,–, ISBN 978-3-429-04340-7
Das von F. Sobetzko, Theologe und Pastoralreferent im Bistum Aachen, und M. Sellmann, Professor für Pastoraltheologie an der kath.-theol. Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, verantwortete Handbuch ist in mehrfacher Hinsicht einzigartig. Schon das Format ist ungewöhnlich, weil es einem Fotobuch gleicht. Bemerkenswert ist auch, dass es sich um eine römisch-katholische Publikation zur Gemeindegründung handelt.
Die These „vom Ende der Volkskirche beinhaltet auch die These vom Anfang einer neuen Ära“. Hier setzen die Autoren an. Ihr Buch will auf dem Hintergrund einer schrumpfenden Kirche „pastorale Gründerinnen und Gründer erwecken, energetisieren und befähigen“ (IX). Dass solche Töne gerade aus dem römisch-katholischen Raum kommen, ist aus evangelischer Sicht angesichts des katholischen Amts- und Kirchenverständnisses bemerkenswert.
Das Buch gliedert sich in drei Hauptteile. Während Teil 1 die Identität und Kompetenzen der Gemeindegründer thematisiert (1–54), behandelt Teil 2 den Dialog zwischen Innovationsforschung, Gründergeist und Pastoralentwicklung. In diesem Kapitel bieten die Autoren bewusst keine „Fertiglösungen“ der Gemeindegründung an. Vielmehr geben die Teilschritte eine Grundorientierung, um selbst mit einem offenen Prozess zu beginnen, wenn die „unternehmerische Gelegenheit“ mit dem unplanbaren Kairos Gottes zusammenfällt (55–353). Im 3. Teil wird Gemeindegründung von den Gastreferenten, wie etwa Thomas Söding und Christian Hennecke, deren Beiträge sich in ihrem theologischen Gehalt vom übrigen Handbuch absetzen, vierfach begründet: kirchengeschichtlich, ekklesiologisch, exegetisch und charismatisch (355–408). Schließlich runden Praxisberichte, ein Kurskonzept zum Training für Gründer und ein Literaturverzeichnis das Buch sinnvoll ab (409–454). Jedes Kapitel ist gleich strukturiert. Fraglos steckt dahinter ein didaktisches Konzept, verpackt in eine frische, moderne Sprache.
Die geistlich-theologischen Reflexionen der Autoren fallen von ihrer Qualität her unterschiedlich aus. Eine kritische Rückfrage ergibt sich zur Interpretation der Vollmacht Jesu in Mt 7,29, die als erlebbar beschrieben wird, „weil jemand das, was gelten soll, nicht an die Situation heranträgt, sondern aus ihr heraus gewinnt. Wahrheit wird nicht behauptet, sondern riskiert; sie will nur Wahrheit sein, wenn sie auch Wahrheit von den Anderen her sein kann“ (191; kursiv MB). Die Wahrheit Jesu entsteht demnach dialogisch und situativ. Doch ist es nicht umgekehrt? Gerade die Evangelien stellen Jesus als bevollmächtigen Lehrer dar, der explizit die soteriologische und personenbezogene Wahrheit Gottes existenziell offenbart und allem menschlichen Denken und Handeln vorausgeht.
Das Handbuch besitzt einen interdisziplinären Ansatz: Die Pastoraltheologie macht sich unternehmerische Strategien in den kirchlichen Neugründungen zunutze, sodass aus haupt- und ehrenamtlichen Projektleitern Entrepreneure werden. Daraus entsteht die zentrale Eigenschaft einer Gründerpersönlichkeit: Entrepreneure „transformieren Ungewissheit in planbares – weil kalkulierbares – Risiko“ (8). Nach Einschätzung der Autoren geht es primär um die Entwicklung ehrenamtlicher Pioniere mit anspruchsvollen Kompetenzen. Einerseits verlangt es ein geübtes geistliches Leben, andererseits braucht es Mitarbeiter mit Risikobereitschaft und Eigeninitiative. Zudem profilieren sich die Pioniere dadurch, „zeitgenössische Kulturen zu verstehen und darin neue Formen von Kirche zu pflanzen“ (22).
Das Konzept setzt nicht am geläufigen pastoraltheologischen Dreiklang „sehen – urteilen – handeln“ an (129). Vielmehr fordern die Autoren unmittelbar zum Handeln auf, ohne aktivistisch zu werden. Handeln bedeutet: experimentell etwas zu wagen, ohne kirchliche Anpassungen vorzunehmen. In der Konsequenz entsteht daraus eine neue Berufsrolle: Der „Impulsgeber (wird) zu einem Lernenden, der mit anderen herausfindet, wie der Weg in die Zukunft der Kirche aussieht“ (53). Aus pragmatischer Sichtweise ist das Buch eine Fundgrube für gemeindegründende Pioniere oder Start-up-Entrepreneure, wenn es im Kontext der Leser mit ihren unterschiedlichen ekklesialen Gemeindeverständnissen und ihrer Theologie reflektiert wird.
Dr. Manfred Baumert, u. a. University of South Africa; International Seminary of Theology and Leadership, Thun/Zürich/Freiburg, Supervisor und Dozent