Praktische Theologie

Thomas Hirsch-Hüffell: Die Zukunft des Gottesdienstes beginnt jetzt

Thomas Hirsch-Hüffell: Die Zukunft des Gottesdienstes beginnt jetzt. Ein Handbuch für die Praxis, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2021, Pb., 300  S., € 35,–, ISBN 978-3-525-62017-5

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Aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung als landeskirchlicher Pfarrer und Leiter eines der ersten Gottesdienstinstitute in Deutschland entfaltet Thomas Hirsch-Hüffell in seinem praxisnahen Buch wesentliche Aspekte des evangelischen Gottesdienstes und bietet eine Vielzahl von innovativen Impulsen für neue Gottesdienststrukturen, zeitgemäße Gemeindeformen und verschiedenartige gottesdienstliche Ausdrucksformen. Das Buch besteht aus fünf der Länge nach etwas unausgewogenen Teilen.

Teil A (16–128) dient einer allgemeinen Einführung in die gottesdienstliche Thematik im Angesicht der zunehmenden Entchristlichung und Entkirchlichung der heutigen Zeit. Positiv zu würdigen ist, dass das vorliegende Werk das säkulare Umfeld ernst nimmt. Der Autor schreibt selbstkritisch: „Kirche hat keine Lufthoheit mehr über den Glauben, nicht einmal mehr über den christlichen“ (23). Die Bemühungen des Autors, den Gottesdienst mit den Augen nichtkirchlicher Menschen zu sehen, ist empfehlenswert und kann die nachfolgenden Standpunkte auch für Leser aus freikirchlichen Hintergründen fruchtbar machen. Teil B (131–235) greift die angeschnittenen Themen auf und bemüht sich, diese zu vertiefen.

Der Autor befasst sich mit den verschiedenen Elementen des Gottesdienstes wie Schriftlesungen, Abendmahl und Gebet. Seine ausführlichen und praxisrelevanten Tipps demonstrieren vielfältige Möglichkeiten der Gestaltung. Der deutlich kürzere Teil C (237–264) setzt sich dann mit einigen ausgewählten Kasualien auseinander und fragt, wie diese für Kirchenferne gestaltet werden könnten. Seine methodologischen Überlegungen sind fantasievoll und bieten neue und innovative Ideen an. Der letzte inhaltliche Teil D (268–290) versucht die bisher gewonnenen Einsichten zu bündeln und verschiedene Anregungen für die Zukunft des Gottesdienstes zu empfehlen. Der Autor unterstreicht unter anderem die Notwendigkeit der Teamarbeit und einer weniger pfarrerzentrierten Kirche. Im letzten Teil des Buches (291–294) verweist der Autor auf das digitale Zusatzmaterial, das überraschend umfangreich ist (90 Seiten) und einige empfehlenswerte Praxisübungen dem Leser bereitstellt. Hervorzuheben ist die detaillierte Diskussion über die Spiritualität und Bedeutung des Raumes (63 – 97). Sie enthält Anregungen, die bei der Reflexion ihrer eigenen Gottesdienstgestaltung helfen könnten, etwa eine einfache Tätigkeit, wie z. B. den Aufbau der Sitzanordnung (Frontalstellung, Halbkreis, Kreis), angemessener zu reflektieren. Diese bewusste Intentionalität ist besonders wichtig für Gemeinden im Blick auf selbstbewusste postmoderne und kirchenferne Menschen, „sonst taumeln sie wie Dinosaurier blind in den neuen riesigen freigelassenen Raum des spirituellen, der sich überall zwischen den Kirchen auftut“ (90). Auch für Leserinnen und Leser, die manche inhaltlichen Akzente anders setzen würden, etwa im Blick auf die offenbarungstheologische Dimension, enthält das vorliegende Buch anregende Impulse. Es wird aber eingehend deutlich, dass der Autor eine horizontale Ebene vertritt, die den Menschen und seine Interessen in den Mittelpunkt stellt, um „Gottesdienste rund um Menschen zu feiern“ (28). Während dieser anthropozentrische Ansatz sicherlich viel kreativen Spielraum, Selbstinitiative und Mündigkeit aller Gemeindeglieder fördert, tritt eine biblisch normierte Reflexion zurück. Bei allem Respekt vor dem Ideenreichtum des Autors und seinem Wunsch, Außenstehende in den Gottesdienst mit einzubeziehen, wird sein Vorschlag zur Abschaffung der Predigt (228–235), die durch eine Collage von kurzen Beiträgen diverser Beteiligten, welche „ansatzweise in die Sphäre von Offenbarung“ (235) hochgehoben werden, für manche befremdlich sein. Das ändert nichts dran, dass die praxisrelevanten Anregungen für landeskirchliche wie für freikirchliche Gottesdienste hilfreich sind.


Dr. Dejan Aždajić, Hochschuldozent für Praktische Theologie an der FTH Gießen