Praktische Theologie

Philipp Elhaus / Tobias Kirchhof (Hg.): Kirche sucht Mission

Philipp Elhaus / Tobias Kirchhof (Hg.): Kirche sucht Mission. Kirchenentwicklung in missionarischer Provokation, midiKontur 1, Leipzig, Evangelische Verlagsanstalt, 2020, kt., 306 S, € 20,–, ISBN 978-3-374-06658-9

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Mit diesem ersten Band der neueröffneten Reihe midiKontur will die „Evangelische Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und diakonische Profilbildung“ (midi) Forschungsstände unterschiedlicher Wissenschaften, Praxisbeispiele und Innovationen ins Gespräch bringen (5). Durch 14 Autorinnen und Autoren aus unterschiedlichen Kontexten wird eine gewisse Bandbreite an Meinungen gewonnen, die bewusst intendiert ist. Erfreulicherweise weiten einige Autoren den Blick auf die anglikanische Situation (z. B. Henneke/Römer, Krieg), auf freikirchliche Initiativen (Währisch-Oblau) oder die unbefangene Verwendung der Begrifflichkeit in anderen Kontexten, z. B. der Wirtschaft (Reinbold).

Im vorliegenden Band werden die Beiträge einer Tagung aus dem November 2019 zusammengefasst. Erfreulich ist, dass es sich nicht einfach um eine additive Zusammenstellung der Vorträge handelt, sondern diese zum Teil aufeinander Bezug nehmen oder der Beitrag von Todjeras bewusst als Response auf den Beitrag von Pohl-Patalong konzipiert ist (90ff). Außerdem wurde kreativ weitergearbeitet, z. B. Gedanken nach Tagungsende auf die durch die Pandemie 2020 eingetretene Situation bezogen (230).

Wie der Untertitel verspricht, so provoziert bereits der Titel: Kirche sucht Mission. Wenn Kirche Mission sucht, dann wird damit zum Ausdruck gebracht, dass etwas entweder verlorengegangen oder nicht vorhanden ist. D. h. Mission ist weit entfernt davon, eine Selbstverständlichkeit als Lebensäußerung von Kirche i. S. der missio Dei zu sein, wie sie z. B. in den Beiträgen von Elhaus (46ff) oder Kunz (141ff) beschrieben wird. Vielmehr wird der Missionsbegriff verstanden als „Krisen- und Reformbegriff“ (Rückentitel). Dies machen auch die Beiträge deutlich, die theologische, gesellschaftliche und damit verbundene kirchensoziologische Krisen und Probleme herausarbeiten (z. B. Elhaus, Pohl-Patalong, Handke); andere zeigen damit verbundene Chancen auf (z. B. Kunz, Hennecke/Römer und Währisch-Oblau).

Kann der berechtigten Kritik am Missbrauch von Mission für kirchliche Eigeninteressen nur durch eine radikale Subjektorientierung am Menschen entgegengetreten werden (Pohl-Patalong, 89), bei der es nicht um den Namen Gottes oder „seinen Ruhm geht“ (83)? Und heißt das in der Konsequenz, dass man sich letztlich entscheiden muss zwischen „Mission oder Kommunikation?“ (Weyel, Anm. 54 bei Elhaus, 61)? Oder bleiben beide Orientierungen bei allem berechtigten Anliegen nicht letztlich doch anthropozentrisch verhaftet, weil das eigentliche Subjekt der Sendung (Mission), Christus, und sein Auftrag aus dem Blick geraten sind? Todjeras fragt deshalb zu Recht: „Warum wird das auseinandergerissen, was zusammengehören könnte: Gott zu lieben und zu ehren sowie seinen Auftrag zu erfüllen und deshalb den Nächsten zu lieben?“ (104) Denn in der Emanzipation vom Sendenden wird konsequenterweise auch der Begriff „Mission“ zum Problem, weswegen Mission im Kontext von Diakonie als „untauglicher Begriff“ empfunden und deshalb vorgeschlagen wird, ihn durch den des Zeugnisses zu ersetzen (Kirchhof, 216f). Hier stellen sich grundlegende hermeneutische Fragen, die auch im Artikel von Schönemann angesprochen werden (122ff). Weitere spannende, durch einzelne Beiträge angesprochene Themen sind z. B. die Frage nach der Lebensform als Gestaltungsform für Mission (Schönemann), die Chancen für ein radikales Umdenken bzgl. Mission, die sich in den durch die Pandemie hervorgerufenen finanziellen Sparzwängen ergeben können (Hennecke/Römer), die Differenzierung in der Begrifflichkeit von Evangelisation und Mission, die Auswirkungen der Veränderungen in der Bevölkerungsstatistik (Deutschland als Zuwanderungsland mit über einem Viertel der Bevölkerung mit Migrationshintergrund) für die Interkulturationsfähigkeit der Gemeinden (Währisch-Oblau) oder einer durch die anglikanischen Aufbrüche inspirierten ökumenischen Weite jenseits konfessioneller Abgrenzungen (Hennecke/Römer).


Prof. Dr. Markus Printz, Pfarrer in Hilsbach-Weiler