Praktische Theologie

Andrew Root: Faith Formation in a Secular Age

Andrew Root: Faith Formation in a Secular Age: Responding to the Church’s Obsession with Youthfulness, Grand Rapids: Baker Academic, 2017, Pb., 240 S., € 21,20, ISBN 978-0-8010-9846-8

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Mit diesem Buch legt Andrew Root den Grundstein einer Trilogie zu Ministry in a Secular Age, in welcher er die religionssoziologischen Herausforderungen der gegenwärtigen Zeit für die Religionspädagogik (Faith Formation in a Secular Age), den pastoralen Dienst (The Pastor in a Secular Age, 2019) und das Gemeindeleben aufzeigt (The Congregation in a Secular Age, 2021). Als Praktischer Theologe in der Tradition von Osmer gelingt es ihm hier meisterhaft, westliche kultur- und philosophiegeschichtliche Entwicklungen sowie sozialwissenschaftliche Befunde in ihrer Bedeutung für die Praxis anschaulich darzustellen, diese theologisch zu beurteilen und den Leser zu einem tieferen Verständnis von Glaubensbildung zu führen. Root ist gegenwärtig einer der bedeutendsten Theologen im Bereich Youth Ministry und hebt sich deutlich von anderen Autoren ab, die allzu oft simple „how-to“-Lösungen präsentieren oder Jugendarbeit ohne theologisch formativen Anspruch betreiben.

Ausganspunkt seiner Ausführungen ist die Beobachtung, dass trotz enormen Aufwandes von christlichen Gemeinden und Werken bei vielen Jugendlichen heute Glaube als moralistisch-therapeutischer Deismus (MTD) gelebt wird und ‚faith formation‘ ihr Ziel verfehlt: „Our best studies show that faith formation itself is lacking, giving us a limp theological commitment, without the Holy Spirit, where God does little more than ask us to be good and, in turn, offers us good feelings“ (xvi).

So geht es Root zunächst darum (Teil I), die tiefgreifenden kulturellen Veränderungen aufzuzeigen, die zu dieser Entwicklung geführt haben. In Kap. 2–6 beschreibt er in Anlehnung an C. Taylors philosophiegeschichtliche Genealogie A Secular Age anschaulich und differenziert, wie im letzten Jahrhundert Authentizität zum höchsten Ziel für ein erfüllendes Leben wurde und ‚Jugendlichkeit‘ zum Weg, dieses Ziel zu erreichen. Die Wurzeln dieser Entwicklung sieht er im Denken führender Intellektueller des 19. Jh. sowie in der Ideologie S. Freuds und seiner Schüler, wie z. B. E. Erikson. Im Zuge der Jugendbewegung der 1960er habe dieses Gedankengut durch die Unterstützung von Medien und Marketing grundlegenden Eingang in weite Teile der Gesellschaft gefunden. ‚Jugendlichkeit‘ wurde zu einem spirituellen Lebensgefühl ohne Transzendenzbezug und damit zum Nährboden für MTD-Glauben: „Youthfulness, then, is a spirituality without transcendence or divine action (the deistic element of MTD), with an anthropology of self-pursuit (the therapeutic) and an ethic for individualism (the moralistic) (74)“.

Gerade evangelikale Gemeinden in den USA seien durch ihre Betonung einer individuellen Bekehrung und religiöser Erfahrungen besonders offen gewesen, Authentizität und ‚Jugendlichkeit‘ als hohe Werte zu übernehmen, ohne die Gefahr zu erkennen, dass Glaube dadurch als ein subjektives Gefühl ohne Transzendenzbezug verstanden werden kann.

Im zweiten Teil (Kap 7–11) legt Root unter Bezugnahme auf sein früheres Werk Christopraxis: A Practical Theology of the Cross die Grundlage für ein Verständnis von Glauben als einem ontologischen Geschehen durch Teilhabe ‚in Christus‘. Als Leitbegriffe dienen ihm hypostasis, kenosis und theosis. Nur durch eine Rückkehr zu einem „theologischen“ Verständnis von Glauben sei es möglich, MTD-Glauben und die Kluft zwischen dem Gegenstand des Glaubens selbst und Programmen zur Glaubensbildung zu überwinden. Root setzt damit ein „neues“ Verständnis von Glaubensbildung zum Maßstab für wiss. Forschung und Praxis. Unabhängig von der Frage, ob man Root in allen Details seiner kulturgeschichtlichen Analyse oder theologischen Ausführungen zustimmen mag oder inwieweit seine Ausführungen auch für den deutschen Kontext zutreffen, besticht Faith Formation in a Secular Age durch seine analytische Prägnanz des gegenwärtigen Zeitalters und durch theologischen Tiefgang. Es ist als ein Grundlagenwerk zum Thema „Glaubensbildung“ zu sehen und verdient weitreichende Beachtung.


Judith Hildebrandt, Wiss. Mitarbeiterin an der FTH Gießen