Christof Sauer: Martyrium und Mission im Kontext
Christof Sauer: Martyrium und Mission im Kontext. Analyse ausgewählter theologischer Positionen aus der weltweiten Christenheit, Missionswissenschaftliche Forschungen. Neue Folge 37, Neuendettelsau: Erlanger Verlag für Mission und Ökumene, 2021, kt., 486 S., € 25,–, ISBN 978-3-87214-367-9
Christof Sauer, Professor für Religionsfreiheit und Erforschung der Christenverfolgung an der FTH Gießen, widmet sich in seiner Habilitationsschrift einem Randthema innerhalb der Missionswissenschaften: Er zeigt in einer anspruchsvollen Analyse, dass die theologische Verknüpfung von religiöser Verfolgung und christlichem Sendungsbewusstsein nicht künstlich herbeigeführt werden muss, sondern tief hineinreicht in christliche Identität – und das unabhängig von Herkunft oder Prägung. Aus diesem Grund sei empfohlen, das Werk nicht allein als akademische Schrift zu lesen.
In Teil I und II werden vier sehr unterschiedliche Positionierungen der letzten 60 Jahre zu Leid und Martyrium (42–362) systematisch-theologisch untersucht. Diese stammen aus El Salvador, Ägypten, Korea, Deutschland und spiegeln verschiedene Konfessionen wider. Die jeweiligen Theologen treibt nicht nur ein wissenschaftliches Interesse an der Thematik: Deren persönliche Betroffenheit und die zeitliche Nähe zur Gegenwart bekräftigen, dass Martyrium und Leid auch heute keinen Außenseiterplatz verdienen.
Begrifflichkeiten bekommen einen hohen Stellenwert eingeräumt. Sauer plädiert in der gesamten Schrift immer wieder für eine differenzierte Wahrnehmung und saubere Definitionen. So werden das Verständnis von Verfolgung, Martyrium, Leid und Zeugnis aus den einzelnen Positionen nachvollziehbar herausgearbeitet. Sie wollen aus ihrem jeweiligen Entstehungskontext heraus verstanden werden. Dessen Einfluss ist von hoher Bedeutung: Die von Sauer jeweils einleitenden Einordnungen der untersuchten Positionen gehen zunächst nicht über den theologie- und kirchengeschichtlichen Hintergrund hinaus. Beides kann aufgrund der notwendigen Begrenzung zunächst nur bedingt beleuchtet werden. Die soziopolitischen Bedingungen, in denen die Entwürfe entstanden sind, finden aber in der sich anschließenden Entfaltung Niederschlag. Der Kontext ist schließlich ausschlaggebend für die Leitgedanken, die Sauer aus den Positionen heraus entwirft und auf deren Grundlage er Aussagen trifft, die die Entwürfe hinsichtlich ihrer Doxologie, Christologie, Nachfolge, Ekklesiologie und Eschatologie analysieren.
Diese wiederum lässt Sauer zu einer doxologisch-martyrologischen Missionstheologie verschmelzen. Eine solche Transferleistung ist eine Herausforderung, da die zuvor dargestellten Positionen in ihrer Unterschiedlichkeit zusammenhanglos erscheinen mögen. Sie gelingt, insofern Gott zum Ausgangspunkt und Ziel der Theologie erklärt wird: Die Tatsache des Leides und die Antwort der Kirche und des Christen auf Bedrohung kann auf Gottes Herrlichkeit verweisen und unter dieser Lesart erst verstanden werden. In Teil III des Werkes schlägt Sauer praktische Konsequenzen vor (364–427). Ohne den Praxisbezug wären die von Sauer selbst immer wieder herausgearbeitete gegenwärtige Bedeutung von Leid und Martyrium unvollständig. Sauer unterscheidet zwischen kirchlicher Praxis nach innen (z. B. liturgische Praxis) und nach außen (z. B. interreligiöser Dialog, diakonische Praxis an Bedrängten und Verfolgten). Eine konsequentere Verknüpfung von der vorherrschenden mitteleuropäischen Mentalität zum Leid mit Möglichkeiten kirchlicher Praxis wäre an diesem Punkt angebracht und erhellend gewesen. Die Vermittelbarkeit einer doxolgisch-martyrologischen Missionstheologie, wie sie Sauer entwirft, darf nämlich nicht vorausgesetzt werden – vielmehr ist sie zunächst anzuzweifeln. Trotz dieses Einwandes kann der Leser hier ein Stück Theologie finden, das bei allen tiefen Analysen und scharfer Theoriebildung den Bezug zur Gegenwart nicht aus den Augen verliert.
Alena Edler, M.A., Stadtmissionarin der Berliner Stadtmission, Berlin