Gregg R. Allison / Andreas J. Köstenberger: The Holy Spirit
Gregg R. Allison / Andreas J. Köstenberger: The Holy Spirit, Theology for the People of God, Nashville: B&H Academic, 2020, geb., xxxii+544 S., US $ 44,99, ISBN 978-1-462-75774-9
Das Interesse an der Pneumatologie hält weiter an. Ein Grund hierfür mag u. a. in der Absicht liegen, vergangene theologische Einseitigkeiten auszugleichen. Auch Impulse aus dem globalen Süden haben der Pneumatologie als Studienfeld einen erkennbaren Schub gegeben.
Darüber hinaus sehen einige in dem Thema eine praktische Chance zum Dialog zwischen den Konfessionen, Denominationen und sogar Religionen. Andere verweisen wiederum nüchtern auf die Schlüsselfunktion, die der ἅγιον πνεῦμα in den biblischen Schriften einnimmt, was sich konsequenterweise in der Theologie und erfahrungsmäßig in der christlichen Glaubenspraxis niederschlagen sollte.
Die vorliegende Monografie greift diese Dimensionen mit viel Expertise und einer komplementären Methodik auf. Dabei folgt der Österreicher Andreas Köstenberger (Professor am MBTS, Kansas) dem kanonischen Ansatz der Biblischen Theologie, während Gregg Allison (Professor am SBTS, Louisville) die Systematische Theologie inklusive Dogmengeschichte abdeckt.
Ein erster Blick legt nahe, dass es sich hier um ein theologisches Arbeitsbuch handelt: Ein allgemeines Inhaltsverzeichnis sowie ein detailliertes Inhaltsverzeichnis, eine Auflistung der Grafiken, ein Abkürzungsverzeichnis, schließlich eine ausführliche Bibliografie, ein Personen-, Themen- und Bibelstellenverzeichnis bieten den Lesern schnellen Zugriff auf einzelne Themen und Fragestellungen der Pneumatologie. Grundsätzlich gliedert sich der Titel in zwei Teile:
Teil 1 untersucht den biblischen Kanon mit Blick auf das Wesen und Wirken des Heiligen Geistes: In drei Kapiteln wird zunächst das Alte Testament analysiert (Pentateuch; historische Bücher und Weisheitsliteratur; prophetische Bücher). Ein gesondertes Kapitel erörtert auch hier die Ergebnisse. Die pneumatologische Analyse des Neuen Testaments erstreckt sich über vier Kapitel (Evangelien; Apostelgeschichte; paulinische Briefe; katholische Briefe und Offenbarung), wobei ein eigenes Kapitel die Resultate erneut zusammenfasst.
Über das bloße Deskriptive hinaus werden die Perikopen in ihren jeweiligen Kontexten und intertextuellen Verbindungen ausgewertet. Offene exegetische Punkte werden genannt und scheinbar sperrige Stellen nicht ausgelassen. Technischere Fragestellungen und exegetische Fachliteratur werden in den Fußnoten angesprochen und ausreichend diskutiert.
Ein biblisch-theologisches Resümee benennt sechs (freilich sehr grundsätzliche) Kategorien, die dann inhaltlich noch weiter gefüllt werden: (1.) der Geist vermittelt Gottes Gegenwart; (2.) der Geist spendet Leben; (3.) der Geist offenbart Wahrheit; (4.) der Geist befördert Heiligkeit; (5.) der Geist rüstet mit Vollmacht aus; (6.) der Geist schafft Einheit. Abschließend rundet eine konkordante Auflistung sämtlicher Bibelstellen, in denen der Heilige Geist inklusive sinnverwandter Begriffe vorkommt, diesen Teil des Buches ab.
In Teil 2 kommt die Systematische Theologie zum Tragen. In einem einführenden Kapitel werden zunächst die Methodik, die zentralen Themen und theologischen Prämissen der dargestellten Pneumatologie transparent gemacht. In klassischer Abfolge gehen die Autoren auf die Gottheit und Personalität des Heiligen Geistes ein, bevor sie dann die innertrinitarischen Beziehungen sowie die ökonomische Trinität behandeln. Anschließend wird der Heilige Geist mit den restlichen Themenfeldern der Dogmatik in Beziehung gesetzt (Schöpfung und Vorhersehung; Schrift und Schriftverständnis; Angelologie und Dämonologie; Anthropologie und Hamartiologie; Christologie; Soteriologie; Ekklesiologie; Eschatologie).
Auch besondere Themen wie z. B. die Geistestaufe, das Wesen oder die Funktion der Geistesgaben werden nie separat abgehandelt, sondern exegetisch, historisch und praktisch beleuchtet, sowie im größeren Kontext der Dogmatik verortet.
In einem gesonderten Kapitel geht es zudem um aktuelle Fragen, Themen und Trends in der Pneumatologie – sowohl im Lichte der kirchlichen Praxis als auch mit Blick auf repräsentative Entwürfe verschiedener Konfessionen, Denominationen und Theologen. Das finale Kapitel führt schließlich noch einmal die thematischen Fäden der Untersuchung zusammen und bietet anhand von fünf Themenfeldern einen theologisch-pastoralen Ausblick auf die Pneumatologie.
Mit The Holy Spirit liefern die zwei baptistischen Autoren eine theologische Untersuchung, die sich überraschend harmonisch liest und über eine bloße Einführung weit hinausgeht: Biblische Theologie und Systematische Theologie im fruchtbaren Dialog, mit einem bewussten, doppelten Blick sowohl in die Kirchengeschichte als auch auf die kirchliche Praxis.
Ergänzend zur Ausrichtung der Autoren kommen viele Positionen aus der Alten Kirche, dem Mittelalter, der Reformation, der Neuzeit sowie aus anderen Konfessionen und theologischen Lagern zu Wort. Die Auseinandersetzung mit divergierenden Positionen verläuft (aufgrund der begrenzten Seitenzahl) recht zielorientiert, jedoch differenziert und mit manchen pointierten Anfragen, z. B. an römisch-katholische Entwürfe oder an die Studien von Amos Yong.
Sicherlich hätte die Beschäftigung mit weiteren Stimmen aus der globalen Kirche die vorliegende Studie zusätzlich bereichert (vgl. Green / Pardue / Yeo: Majority World Theology, Downers Grove: IVP Academic, 2020), doch schauen die Autoren durchweg über mehrere Tellerränder hinaus.
Eine unnötige Schwäche ist, dass mehrere Titel aus den Fußnoten nicht in die Bibliografie übertragen wurden, auch wenn sich die Autoren der verwendeten Quellen über das Personenregister finden lassen.
Dennoch werden Theologen diesen ausführlichen Band mit Gewinn lesen, auch wenn sie nicht die primäre Zielgruppe ausmachen. Tatsächlich richtet sich die Reihe schwerpunktmäßig an englischsprachige Studierende, Pastoren und überhaupt an Menschen im vollzeitlichen Dienst. Das erklärt einerseits die punktuelle Spannung zwischen Überblicken und Detailfragen bzw. zwischen theologischer Forschung und dem Praxisbezug. Andererseits bringt das Buch gerade dank dieser Perspektive die Biblische mit der Systematischen Theologie so griffig und effektiv zusammen.
Alles in allem ist The Holy Spirit ein überaus gelungener und hilfreicher Titel, denn Allison und Köstenberger liefern eine sinnvoll aufgebaute, beachtliche Panoramaperspektive auf die Pneumatologie. Sie stellen sich dabei den Fragen von christlicher Orthodoxie bzw. Orthopraxie und setzen eigene Akzente, ohne es dabei an Argumenten und Ausgeglichenheit mangeln zu lassen. Als gewichtige Einführung in die Pneumatologie, als Nachschlagewerk, als Grundlage für weiterführende Studien oder als Impulsgeber für pastorale Fragestellungen ist dieser Titel somit klar zu empfehlen – auch über den freikirchlichen Kontext hinaus.
Daniel Vullriede, M.A., ist Dozent am Bibelseminar Bonn.