Winfried Eisenblätter: „Die Beförderung des Reiches Gottes“
Winfried Eisenblätter: „Die Beförderung des Reiches Gottes“. Carl Friedrich Adolph Steinkopf (1773–1859) und der englische Einfluss auf die kontinentale Erweckungsbewegung, Hamburg: WDL-Verlag Dr. Dietmar Lütz, 2021, Pb., 221+IV S., € 20,–, ISBN 978-3-86682-178-1
Dass eine Dissertation über 50 Jahre nach ihrer Abfassung erstmals als Buch erscheint, legt zwei Dinge nahe: Zum einen lässt es Rückschlüsse auf die hohe Qualität der Arbeit zu und zum anderen weist es daraufhin, dass bis dato keine weiteren neuen Forschungsergebnisse zu der Thematik vorliegen. Beides trifft auf dieses Buch zu.
Der Autor, Jahrgang 1934 und langjähriger Pastor im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten) sowie ehemaliger Dozent für Altes Testament am Theologische Seminar des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Hamburg, promovierte mit vorliegender Arbeit im Jahr 1967 an der Universität Zürich unter Fritz Blanke.
Das Werk beginnt mit einem Geleitwort von Ulrich Gäbler, in dem dieser die Relevanz und Bedeutung der Arbeit Eisenblätters hervorhebt, sowie einem kurzen Vorwort des Autors.
Hieran schließt sich die eigentliche Arbeit an, die als Faksimile der ursprünglich mit Schreibmaschine geschriebenen Dissertation abgedruckt ist. Leben und Werk Steinkopfs werden in drei großen Abschnitten behandelt: Württemberg (1773–1795), Basel (1795–1801) und London (1801–1859).
Zum ersten Kapitel zu Württemberg: Der Autor bietet eingangs einen kurzen Abriss der geistesgeschichtlichen Ausgangslage in Württemberg im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts und zwar veranschaulicht anhand der Korrespondenz zwischen der Zentrale der Christentumsgesellschaft in Basel sowie der württembergischen Partikulargesellschaft der Christentumsgesellschaft in Stuttgart. Hieran schließt sich ein Überblick über Elternhaus, Kindheit und Jugend des am 6. September 1773 in Ludwigsburg geborenen Steinkopf an. Im Elternhaus an sich erlebte Steinkopf keine pietistische Prägung (16–17). Wahrscheinlich kam er zwar schon durch seine Großmutter mit pietistischem Gedankengut in Kontakt, allerdings fand er erst während seines Theologiestudiums in Tübingen ab 1790 Kontakte zu pietistischen Kreisen (23–27), die ihm ein geistliches Zuhause anboten und denen er sich zeitlebens verbunden wusste. Direkt nach Abschluss seines Studiums nahm Steinkopf das Angebot an, die Sekretärsstelle in der Zentrale der Christentumsgesellschaft in Basel zu übernehmen.
Zu Beginn des Kapitels zur relativ kurzen Baseler Zeit (1795–1801) geht der Autor ausführlich auf die Situation des Pietismus in Basel ein (36–50), bevor er „Basel als Zentrum der Christentumsgesellschaft“ untersucht (51–65). Hilfreich ist zudem eine Liste aller Partikulargesellschaften der Christentumsgesellschaft rund um das Jahr 1800 – insgesamt über 20 in den verschiedenen Teilen Deutschlands aber auch in Amsterdam (59–61). Die durch die Korrespondenzen mit den Partikulargesellschaften entstandenen Kontakte sollten auch in der Londoner Zeit von Bedeutung sein, konnte Steinkopf doch auf sein bestehendes Netzwerk unter den Erweckten zurückgreifen. Weitere Abschnitte in diesem zweiten Hauptteil gehen auf die Rolle von Jung-Stilling und Lavater innerhalb der erweckten Kreise und die entstehende Freundschaft zu Steinkopf ein (66–78), bevor Eisenblätter die ersten Kontakte Steinkopfs nach England nachzeichnet (79–88).
Das dritte Hauptkapitel zu London (1801–1869) bildet sowohl vom zeitlichen Rahmen als auch vom Umfang das Zentrum der Arbeit Eisenblätters. An sich war Steinkopf 1800 auf eine Pfarrstelle ins oberösterreichische Eferding berufen worden und hatte die Stelle auch angenommen. Allerdings erhielt er seitens des Wiener Konsistoriums hierfür keine Genehmigung; wahrscheinlich aufgrund seiner pietistischen Prägung (89–91). Stattdessen erfolgte 1801 eine Berufung als Prediger an die deutsche Savoy-Gemeinde in London. Ausführlich geht der Autor auf die Reise Steinkopfs nach London ein, die dieser mit zahlreichen Zwischenstationen und Besuchen verband (98–100) und stellt im Anschluss die deutsche lutherische St. Mariengemeinde in der Savoy vor (101–123).
Ein weiteres Unterkapitel ist den zahlreichen erwecklichen und missionarisch ausgerichteten Gesellschaften Londons und Steinkopfs Engagement in denselben gewidmet (124–162). Das letzte Teilkapitel geht auf das Wirken Steinkopfs als Auslands-Sekretär der British and Foreign Bible Society ein (BFBS, 163–201). Gerade in diesen beiden Abschnitten wird die einzigartige Netzwerkfunktion Carl Steinkopfs zwischen England und Kontinentaleuropa deutlich, die u. a. auch in Deutschland erweckte Kreise zur Gründung eigener missionarischer Vereine und Gesellschaften motivierte, die den britischen Vorbildern nachahmen wollten.
Ein Anhang zum dritten Kapitel listet u. a. die Stationen von Steinkopfs vier Kontinentalreisen in den Jahren 1812, 1815, 1820 und 1825 auf (202–203). Zum Abschluss zieht Eisenblätter ein Resümee (207–221) und fasst noch einmal die Bedeutung Steinkopfs als „begeisterter und begeisternder“ (207) Vertreter und Übermittler eines erwecklichen und praktischen Christentums von England zum europäischen Festland zusammen: er war dabei „nicht selbst der Schöpfer seiner Handlungsmodelle, sondern ihr Mittler und Makler; er war ein typischer Vertreter des englischen Revival und der beginnenden Erweckungsbewegung auf dem Kontinent (207). Ulrich Gäbler schreibt in seinem Geleitwort: „Die Bedeutung von Eisenblätters Werk liegt in der gründlichen Darstellung der Lebensleistung von Carl Steinkopf, wodurch eine zutreffende Würdigung des britischen Einflusses auf das aufblühende, protestantische Vereinswesen möglich wird“ (Geleitwort 3). Diesem Urteil kann der Rezensent nur zustimmen und dem Verlag ist zu danken, dieses für die Erforschung der Erweckungsbewegung um die Jahrhundertwende vom 18. zum 19. Jahrhundert im europäischen Kontext so wichtige Werk einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben.
Pfr. i. E. Dr. Frank Hinkelmann, Rektor des Martin Bucer Seminars (Bonn) und Vorstand des Instituts für Historische Theologie am Campus Danubia, Wien