Altes Testament

Gabriele G. Braun: God’s Praise & God’s Presence

Gabriele G. Braun: God’s Praise & God’s Presence. A Biblical-Theological Study, Eugene: Wipf & Stock, 2020, Pb., 278 S., ca. € 35,–, ISBN 978-1-5326-5506-7


In ihrer Dissertation God’s Praise and God’s Presence. A Biblical-Theological Study, veröffentlicht bei Wipf & Stock, fragt Gabriele G. Braun nach der theologischen Begründung der Worship-Kultur, die in christlichen Gemeinden inzwischen vorherrschend ist. Besteht eine Ursache-Wirkung-Korrelation zwischen der Anbetung Gottes durch sein Volk bzw. seiner Gemeinde und der für Menschen erfahrbaren Gegenwart Gottes? (1). Der Beitrag beschränkt sich also auf die Frage ob Menschen durch die Anbetung Gottes seine Gegenwart erfahren. Gleich zu Beginn wird der interdisziplinäre Charakter der biblisch-theologischen Studie deutlich. Für die im Gottesdienst erfahrbare Anbetung wird nach einer theologischen Begründung gefragt.

Die sieben Kapitel teilen sich neben der Einleitung (Kap. 1) und einem zusammenfassenden Ausblick (Kap. 7) in drei Hauptblöcke auf. Im ersten Hauptblock stellt Braun unterschiedliche Ansätze einer „Theologie der Anbetung“ vor (Kap. 2). Die kanonische Untersuchung ausgewählter Bibeltexte bildet den zweiten Block. Nach einer kurzen Einführung des kanonischen Ansatzes (Kap. 3) nähert Braun sich den Forschungsfragen anhand der Untersuchung von sieben Beispieltexten aus dem AT (Kap. 4) und sechs NT-Stellen (fünf sind der Apg entnommen; Kap. 5). Im dritten Teil werden die Ergebnisse ihrer biblisch-theologischen Untersuchung zusammengefasst und interdisziplinär verortet (Kap. 6).

Mit neun vorgestellten „Ansätzen einer Theologie der Anbetung“ wird in Kapitel 2 ein weites konfessionelles und thematisches Spektrum abgedeckt. Zwei praktisch-theologischen Ansätzen aus dem pfingstlerischen (Hudson, 10) und charismatischen Gemeindekontext (Steven, 12) folgen dezidiert theologische Studien (Marshall, 19), die sich dem Thema dazu auch noch ausführlich widmen (Peterson, 25; Wick, 28; Block, 37). Der breit gefächerte Überblick wird durch eine empirische Jugendstudie abgeschlossen (Faix/Künkler, 47). Die Auswahl reflektiert Brauns interdisziplinäres Interesse und stellt auf wenigen Seiten gut die vielfältigen theologischen Positionen dar. Es ist aber gerade diese Vielfalt, die den Eindruck der Beliebigkeit weckt. Warum wurden gerade diese Beiträge gewählt und was ist ihr Mehrwert für die vorliegende Untersuchung? Die neun Ansätze sind nur vage miteinander verbunden, behandeln das Thema in sehr unterschiedlicher Tiefe, sodass die Leserinnen und Leser am Ende mit der Frage zurückbleiben, welchen Beitrag das Kapitel für eine biblisch-theologische Untersuchung leisten soll.

Basierend auf dem kanonischen Ansatz von Childs (Kap. 3) werden im Hauptteil der Untersuchung intertextuelle Bezüge zwischen Bibelstellen des AT und NT aufgezeigt. Mit 1Kö 8 und 2Chr 5–7 liegt der Schwerpunkt im AT auf Anbetung im Kontext des Tempels. Braun stellt die Bedeutung der Bundesbeziehung zwischen Israel und Jahwe (86, 90) als wesentlich heraus, ohne die Anbetung also nicht denkbar ist (197ff). Braun beobachtet, dass die Korrelation zwischen Bundesbezug und Anbetung auch für Texte ohne Tempelbezug gilt (107–115). Gegenwart und Anbetung Gottes stehen für Braun in einem reziproken Verhältnis: „human praise inspired divine glory-presence, which, in return may have prompted human praise again“ (239). Und „without covenant fidelity there is no connection between human praise and divine presence“ (120). Dass Gegenwart und Anbetung Gottes im Bundeskonzept verortet sind und nicht nur im Tempelkontext erscheinen, öffnet die Definition von Anbetung über den musikalischen Aspekt hinaus. Insgesamt scheint Braun sich aber auf die musikalische Anbetung zu beschränken. Gerade angesichts dieser Engführung wäre eine vertiefende Untersuchung von Amos 5,21–25 zu erwarten. Dieser wird aber überraschenderweise kurz abgehandelt: „unholy worship and praise are an abomination in God’s eyes (Amos 5:21–25).“ (210) Mit Bezug zu den Psalmen merkt Braun außerdem an: „… we have found hardly any hints in Psalms which would evidence a link between divine presence and human praise“ (239). Nach welchen Kriterien beurteilt sie aber sowohl Anbetung als auch die Gegenwart Gottes? Beansprucht nicht gerade der Psalter, dass die erfahrene Gegenwart Gottes die Ursache der Anbetung ist, so z. B. bei der Beobachtung der Schöpfung (Psalm 8) oder im Kontext von Kriegserfahrungen (Psalm 27)?

In den Ausführungen zum NT wird Apg 2 und das Pfingstereignis als Schlüsseltext identifiziert, denn „divine Spirit-presence literally ‘inspired’ human praise“ (239). Die Ursache der Anbetung ist also das vorhergehende Erleben der Gegenwart Gottes. Auch im NT bietet die Bundesbeziehung den Rahmen der Anbetung, der durch den Dreiklang von „human repentance, divine salvation, and prophetic empowerment“ definiert wird (239). Neben fünf Stellen aus der Apg nimmt Braun darüber hinaus Bezug auf Eph 5 und schlussfolgert für das NT allgemein, dass Anbetung Gottes eine Reaktion auf eine vorausgehende Geisterfüllung ist (240). Man fragt sich aber dennoch, warum gerade diese und nicht andere Stellen ausgewählt wurden (z. B. Kol 3)?

In ihrer abschließenden Bewertung vertieft Braun die schon zuvor aufgestellten „intertextuellen Themen“ (171), dass …

  1. die Gegenwart und Anbetung Gottes im AT besonders mit Bezug zum Tempel auftreten, aber nicht auf den Tempel beschränkt sind (240);
  2. das Tempelmotiv sowohl im AT als auch NT als Metapher „of the divine indwelling“ verwendet wird (240);
  3. der Bundesbezug, in dem Anbetung eingebettet ist, für die Korrelation wesentlich ist. „As a result, it has been verified that God’s presence, his people’s praise and a divine-human covenant relationship may form a recurrent paradigm“ (241).

Die Stärke des Beitrags liegt in dem von Braun gewählten kanonischen Ansatz. Die Stimmen aus beiden Testamenten werden gehört und ins Gespräch gebracht. Gerade vor dem pastoralen Hintergrund der gestellten Forschungsfrage ist ihre methodische Annäherung gut gewählt. Mit dem interdisziplinären Einstieg und Ausklang bietet sie außerdem einen weitreichenden Einblick in das Themenfeld. Diese Stärke verliert im Verlauf aber an Strahlkraft, denn am Ende wirkt die Untersuchung überladen.

Die Leserinnen und Leser gewinnen durch die vorliegende Studie einen allgemeinen Überblick des Themas in der die wesentlichen Aspekte, die für ein Verständnis des dynamischen Verhältnisses der Gegenwart und Anbetung Gottes notwendig sind, benannt werden. Präzise Definitionen dieser relevanten Aspekte (z. B. Bund, Anbetung, Gegenwart) sind für einen solchen Beitrag aber unerlässlich. Da diese fehlen, fällt es schwer die Auswahl der Texte nachzuvollziehen.

Die gewählte Forschungsfrage, ob es eine Korrelation zwischen der Anbetung und Gegenwart Gottes gibt, wird früh und überzeugend positiv beantwortet. Diese Eindeutigkeit lenkt das Interesse aber umgehend auf die Frage: In welchem Verhältnis stehen denn die Anbetung Gottes und die Gegenwart Gottes zueinander? Diese Frage bleibt aber offen, da der Beitrag sich im Wesentlichen auf die Klärung der Frage, ob beide Aspekte in einer Ursache-Wirkung-Beziehung zueinanderstehen, beschränkt. In der Auswertung des Verhältnisses, also wie die Anbetung Gottes mit der Gegenwart Gottes korreliert, liegt hingegen das Potenzial des Themas, dass leider nicht ausgeschöpft wird.

Natürlich sei es Braun zugutegehalten, dass sie sich gerade angesichts der Weite des Themenfeldes beschränken musste. So weist sie zum Abschluss selbst auf vielfältige interdisziplinäre Anknüpfungspunkte hin. Insgesamt ist Brauns Forschung eine willkommene Ergänzung in diesem wichtigen Themengebiet. Sie vermittelt einen guten Einstieg in das Thema und wird so zu einer konstruktiven Diskussionspartnerin für weitere Untersuchungen. Letztlich bleiben aber sowohl für die interdisziplinäre Anwendung als auch biblisch-theologische Klärung entscheidende Fragen unbeantwortet. Wer also einen vertiefenden Einblick in die Korrelation der Anbetung und Gegenwart Gottes erwartet, muss auf andere Werke zurückgreifen. Ein erster Hinweis dafür findet sich in den dargestellten „Ansätzen einer Theologie der Anbetung“. 


Jürgen Schulz, Paderborn, Doktorand an der ETF Leuven