Drayton C. Benner / Andrew Zulker / James R. Covington / H. H. Hardy II (Hg.): The Hebrew Old Testament
Drayton C. Benner / Andrew Zulker / James R. Covington / H. H. Hardy II (Hg.): The Hebrew Old Testament. Reader’s Edition, Wheaton, IL: Crossway, 2021, geb., XIX+2224 S., US $ 89,99, ISBN 978-1-4335-7101-5
Die meisten von uns begegnen der hebräischen Sprache erst in ihrem Theologiestudium. Nach anfänglichen Schwierigkeiten im Entziffern der Zeichen stellt sich Stunde um Stunde größere Klarheit über die Bedeutung der Zeichenkombination ein, bis irgendwann flüssiges Lesen und Verstehen möglich ist. Dieses Vermögen hält jedoch in meisten Fällen nicht viel länger als die Hebraicumsprüfung an. Unter Theologen gerät die Pflege der mühsam erlernten Sprachen daher vielfach in den Hintergrund. Gerade diesen Theologen ist eine Reader’s Edition gewidmet. Kennzeichnend für alle Reader’s Editions ist die Erkenntnis, dass nur und insbesondere durch anhaltende Lektüre der biblischen Texte in ihrer eigenen Sprache auch ein tieferes Verständnis derselben erworben werden kann. Zu diesem Zweck erscheinen seit einigen Jahren vermehrt leserfreundliche Editionen der Septuaginta (Lanier/Ross 2018), des griechischen Neuen Testaments (z. B. Newman/Voss 2014) und freilich auch der Hebräischen Bibel (Aramäisch etwa Vance/Athas/Avrahami/Kline 2017; Hebräisch Vance/Athas/Avrahami 2015). Dieser Reihe ergänzt nun für die Hebräische Bibel eine weitere Ausgabe von Crossway unter der Regide von H. H. Hardy II (Southeastern Seminary) (u. a.).
Diese Version bietet neben dem Text des Westminster Leningrad Codex (Version 4.20) in 13.5 pt einen umfangreichen Apparat als Sublinearkommentar, wobei hier nicht alles Mögliche angegeben wird, sondern der „intermediate reader“ (x) im Blick ist. Eine Definition für diesen fehlt bedauerlicherweise. Annotiert werden Worte in drei Fällen:
(I) Zunächst angegeben werden alle Worte, die selten vorkommen. Das trifft in dieser Ausgabe auf jegliche Wortform zu, die im hebräischen Teil der Bibel 75 Mal oder weniger vorkommt, im Aramäischen 10 Mal oder weniger. Summiert ergibt sich so eine moderate Menge an vorausgesetztem Vokabular von ca. 500 hebräischen Worten und 100 aramäischen. Die Wörter der Kategorie I werden in dreifacher Weise im Apparat erschlossen: Lemma, morphologische Aufschlüsselung, Übersetzungsvorschläge. Letztere verbleiben dabei absichtlich stärker in der Weite eines Wörterbucheintrags, als dass jederzeit die (angenommene) kontextuell naheliegendste Übersetzung als einzige vorgeschlagen wird. Stattdessen wird bei dem gleichen Lemma jeweils kontextungebunden das Bedeutungsspektrum schematisch geboten, wenngleich die von den Herausgebern für diesen Kontext präferierte Übersetzung als erste genannt wird.
Beide anderen Kategorien umfassen das Verb, das im Hebräischen zweifellos die größte Varietät ausprägt und damit die größte Schwierigkeit bildet.
So findet sich (II) eine Fußnote bei Verbformen, die in ihrer Kontextform wenig Aufschluss über ihren Stamm bieten. Hier denke man beispielsweise an verba primae Nun oder mediae geminatea. Es wird jedoch kein Übersetzungsvorschlag angegeben, sondern einzig die Lemmaform und die morphologische Aufschlüsselung. Dies soll helfen, nicht ungeprüft eine Übersetzung zu übernehmen, sondern selbstständig anhand der gezeigten Wurzel die Vokabeln wichtiger Verben zu repetieren.
Die letzte Kategorie (III) befasst sich innerhalb der Klasse der Verben mit solchen, deren Bedeutung zwischen den Stämmen unvorhergesehen stark variiert und sich durch die üblichen Methoden (z. B.: kausativ = XY „machen“) nicht herleiten lassen. Man denke etwa an לקח im Hitpael oder נסע im Qal.
Abgerundet wird das Buch mit einigen Aufstellungen. Darunter ist die hilfreiche Umwandlungstabelle zwischen Kontextform und Lemmaform zu nennen, die auch schwierige Kontextformen auf die Wörterbuchform zurückführen lässt (Hebr. 2147–2180; Aram. 2180f). So umgeht der interessierte Leser den voreiligen Blick in die Fußnotenbestimmung und kann eigenständig die Gesetzmäßigkeiten der hebräischen/aramäischen Sprache nachvollziehen. Ein schönes Glossar der häufigsten hebräischen und aramäischen Verben mit Gattungsbestimmung und Übersetzungsmöglichkeiten bietet weitere Möglichkeiten zum persönlichen Repetieren.
Formal ist das Buch im Gegensatz zur Reader’s Edition der Deutschen Bibelgesellschaft (2015) deutlicher ansprechender gestaltet. Beginnend mit einem schönen Pappschuber mit Goldbeschriftung über das Hardcover und die Bindung (fadengebunden statt geklebt) bis hin zum Druckbild ist dieses Werk leserfreundlich gestaltet und befindet sich in der Mittelklasse dessen, was möglich gewesen wäre. Verglichen mit den ESV-Bibelausgaben von Crossway oder mit der Leinenausgabe der Reader’s Edition zur LXX aus dem Hause Hendrickson bleibt das Buch jedoch weit zurück. Etwas gewöhnungsbedürftig ist die Entscheidung, Eigennamen in grau zu drucken. Wegen des sehr durchlässigen Schriftbildes bzw. der viel zu dünnen Seitenstärke, kann es dazu führen, dass der ungeübte Leser den Text der nächsten Seite durchliest, welcher dem Grau-Druck von Eigennamen nicht selten stark ähnelt. Auch die Wiedergabe von Ketiv-Qere direkt im Text ist dem Lesefluss nicht zuträglich und m. W. einzigartig. Wie bei allen Reader’s Editions ist auch bei dieser eine solide bis sehr gute Kenntnis des englischen Fachvokabulars vonnöten, da der gesamte Apparat – wenig überraschend – in dieser Sprache gehalten ist.
Insgesamt legt Crossway mit diesem Buch eine schöne Hilfestellung zum kontinuierlichen Erschließen des Textes der Hebräischen Bibel vor. Dennoch sollte klar sein, dass diese Reader’s Edition auch nicht mehr liefert als das. Weder wurden Erkenntnisse der BHQ in einen zusätzlichen Apparat aufgenommen, noch finden sich Diskussionen über notorisch schwierige Passagen oder einzelne Stellen. Es hätte m. E. auch in der Einleitung des Werkes deutlich stärker darauf verwiesen werden müssen, dass die angegebenen „glosses“ von einer deutlichen interpretatorischen Eigenleistung der Herausgeber geprägt sind. Hier hätte der Leser eindeutiger ermutigt werden können, selbstständig die Weite des vorliegenden Textes auszuloten. Bis zuletzt wurde dem Rezensenten darüber hinaus nicht klar, weshalb neben der bereits genannten, noch immer erhältlichen BHS Reader’s Edition der Deutschen Bibelgesellschaft nun eine eigene Ausgabe publiziert wurde, die im Großen und Ganzen abgesehen von ihrer Bindung nicht mehr liefert als ihr günstigerer Konkurrent.
Magnus Rabel, M.Th., Doktorand bei Prof. Dr. Jörg Frey am Lehrstuhl für neutestamentliche Wissenschaft an der Universität Zürich