Systematische Theologie

Uwe Swarat: Praxisrelevant

Uwe Swarat: Praxisrelevant. Theologie für die christliche Gemeinde, Kassel: Oncken, 2022, geb., 145 S., € 16,–, ISBN 978-3-87939-635-1


Uwe Swarat war bis zu seiner Emeritierung 2022 Professor für Systematische Theologie an der Theologischen Hochschule Elstal. In seinem neuen Büchlein stellte er kurze, bereits zuvor verstreut publizierte Beiträge zusammen. Das Büchlein erschien in einem Kleinformat (12×19 cm); die darin umfassten 145 Seiten würden im Format wissenschaftlicher Bücher oder Zeitschriften nur etwa 80 Seiten ausmachen, das wären für jedes der 30 Themen etwa zwei bis drei Seiten. Eine solche Kürze bedingt eine Beschränkung auf jeweils einige wenige Hauptaspekte. Das ist für die Vermittlung theologischer Einsichten auf der Ebene interessierter Gemeindeglieder durchaus günstig; aufschlussreich ist, welche Aspekte einem Fachmann bei den einzelnen Themen besonders wichtig sind.

Es handelt sich tatsächlich um durchwegs – wie der Titel ausdrückt – praxisrelevante Themen. Einige möchte ich hier aufgreifen und Swarats Antworten betrachten.

Swarat erläutert die „Dreieinigkeit Gottes“ (26-30) durch einige gelungene Formulierungen, z. B. „Gott lebt über uns im Himmel, er lebte zwischen uns als Mensch, und er lebt in uns als Geist“. Swarats Vergleiche, mit denen er versucht, die Dreieinigkeit Gottes plausibel erscheinen zu lassen, überzeugen mich jedoch nicht: „Was die Trinitätslehre meint, ist keine Addition von Vater, Sohn und Geist, sondern ihre Multiplikation: 1 x 1 x 1 ist eben nicht 3, sondern 1!“ Hier wäre genauer darzulegen, inwiefern sich eine solche Rechnung auf die drei – wie Swarat sagt – „Seinsweisen“ oder „Personen“ anwenden lässt (auch eine Division würde dasselbe Ergebnis bringen: 1:1:1=1; also auch mit der Dreieinigkeit zu vergleichen?). Auch mit einem Baum vergleicht Swarat, denn dieser „besteht aus dem Wurzelwerk, dem Stamm mit seinen Zweigen und der Frucht. Alles drei bildet die Einheit, die wir Baum nennen.“ Aber z. B. die Frucht alleine nennen wir nicht „Baum“, während wir etwa den Heiligen Geist sehr wohl als „Gott“ bezeichnen. Deshalb hilft ein Vergleich mit dem in drei Teile zerlegten Baum nicht.

Swarat findet im ganzen Neuen Testament die Aussage, „dass der eine Gott [..] in allen Gläubigen als Heiliger Geist Wohnung nimmt“ (28). Wirkt sich das im Leben dieser Gläubigen erkennbar aus? Laut Swarat eher nicht, gemäß dem Kapitel „Warum ist gerade das Christentum die wahre Religion?“ (35–37). Diese Frage beantwortet Swarat kurz mit: „Wegen Jesus“. Und etwas ausführlicher so: „Der Glaube an Jesus ist der einzige Weg zu Gott, weil der einzige Gott in der Person Jesu den Weg zu uns Menschen gefunden hat!“ Das klingt nach dem traditionellen christlichen Absolutheitsanspruch. Aber Swarat nivelliert, sobald es um „den tatsächlich praktizierten Glauben von Menschen“ geht: „Vergleichen wir die Religionen unter dem Gesichtspunkt ihrer konkreten Erscheinung, werden wir kaum eine einzelne besonders herausstellen können.“ Demnach ist zwar das Christentum theoretisch die wahre Religion, aber diese Wahrheit findet – gemäß Swarat – keine Entsprechung in der sichtbaren Realität. Dass Christen mit Jesus verbunden sind, dass der Heilige Geist in ihnen lebt und sie verändert – das hätte demnach keine erkennbaren Auswirkungen, sodass keine deutlichen Unterschiede gegenüber jenen Menschen erkennbar sind, auf die das nicht zutrifft. Hier könnte man zahlreiche neutestamentliche Aussagen anführen, z. B. Eph 5,8 – von Swarat beim Thema Bekehrung zitiert: „Ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn“ (105). Die real vorhandenen Mängel im Leben der Christen will ich nicht leugnen, aber Gottes Wirken an „den Seinen“ wird durch solche Mängel nicht völlig aufgehoben.

In „Die Taufe der Gläubigen als Wille Christi“ (73–77) hebt Swarat aber sehr wohl die Auswirkungen einer Bekehrung hervor: „Die Gottesherrschaft ist jetzt in Jesus gegenwärtige Wirklichkeit, und darum wird man durch die Taufe sofort und nicht erst in der Zukunft in sie hineingestellt.“ Das sollte sich doch in dieser Wirklichkeit erkennen lassen? „Die äußere Form der Taufe (der Täufling wird in Wasser untergetaucht) macht die Bekehrung als Sterben des alten und Beginn des neuen Lebens erkennbar.“ Dieses neue Leben wird sich doch wohl auch in der sichtbaren Realität bemerkbar machen. „Der Täufling empfängt [..] Heiligung (1.Kor 6,11) sowie die Taufe mit dem Heiligen Geist“ – beides sollte sich real auswirken.

„Die Inspiration der Heiligen Schrift“ (10–13) sieht Swarat sehr schmal und gleichzeitig auch sehr breit: Schmal im Hinblick auf das Objekt der Inspiration: „nur dafür wurde die Heilige Schrift von Gott eingegeben: Damit sie uns Christus erkennen lehrt.“ Wir sollen erkennen, „wer Jesus wirklich ist“. Für Swarat wäre es ein Irrtum zu meinen, „dass der Heilige Geist uns in der Bibel auch über Gegenstände weltlichen Wissens unterrichten wolle“, etwa „über die Geschichte des Altertums“. Demnach will der Heilige Geist uns über manche der in der Bibel enthaltenen Themen belehren, über andere nicht. Sind die in der Bibel enthaltenen Aussagen zur Geschichte des Altertums also nicht vom Heiligen Geist inspiriert oder eingegeben? Betrifft also die Inspiration nur bestimmte Abschnitte oder Aspekte der Bibel – nämlich nur, insoweit darin verdeutlicht wird, wer Jesus Christus ist? „Der Heilige Geist ist nichts anderes als ein Zeuge Jesu Christi“ – das gilt hoffentlich für jeden Gläubigen. Aber der Heilige Geist ist mehr als nur das, er ist Gott.

Andererseits sieht Swarat die Inspiration sehr breit im Hinblick auf das Subjekt. Er meint, es würde uns „nicht helfen, wenn nur die hebräischen und griechischen Bibeltexte inspiriert wären.“ Denn die meisten Christen sind mit diesen Sprachen nicht vertraut. Aber, so Swarat, „auch der übersetzte Text und gerade er ist inspiriert!“ Was hier die Verstärkung „gerade er“ bedeutet, erscheint unklar. Konkret bezeichnet Swarat „z.B. die Elberfelder Bibel“ als „durch Gottes Geist eingegeben“. Ich stimme Swarat nur insoweit zu, als wir auch bei den Vorgängen des Abschreibens, Übersetzens und Verstehens auf Gottes Hilfe angewiesen sind. Aber die traditionelle Lehre von der Inspiration bezieht sich auf die ursprünglichen Bibeltexte, und damit ist das Konzept des Bibelkanons eng verbunden. Gottes Hilfe beim Übersetzen liegt hier nicht auf derselben Stufe.


Dr. Franz Graf-Stuhlhofer BSc, Lehrbeauftragter an der KPH Wien/Krems für Kirchengeschichte und Dogmatik