Jacob Thiessen, Harald Seubert (Hg.): Die Königsherrschaft Jahwes
Jacob Thiessen, Harald Seubert (Hg.): Die Königsherrschaft Jahwes. Festschrift zur Emeritierung von Herbert Klement, STB 13, Wien: Lit, 2015, 388 S., € 54,90, ISBN 978-3-643-80199-9
Diese Festschrift wurde anlässlich der Emeritierung von Herbert Klement als Professor und Fachbereichleiter an der STH Basel von seinen dortigen Kollegen J. Thiessen und H. Seubert herausgegeben. Klements theologische Laufbahn begann mit seinem Studium an der STH (damals FETA) in den Jahren 1971–1976. Der „STH-Kreis“ schloss sich mit seiner dortigen Professur für Altes Testament in den Jahren 2005-2015.
Die Autoren finden sich in dem vielfältigen akademischen und beruflichen Kreis des Wirkens von H. Klement wieder: Kollegenkreis der STH und ETF, Studienkollegen früherer Zeiten, von Klement betreute Doktoranden, eigener Doktorvater und schließlich der AfeT bzw. die FAGAT.
Der Band ist in drei Teile geteilt: exegetisch bzw. biblisch-theologische, systematische und schließlich praktisch-theologische Beiträge. Den ersten Teil eröffnet Hendrik J. Koorevaar, „David sang und sprach… Der Wert der Namen als historische Personen in den Überschriften der Psalmen im Rahmen der Struktur des Psalters“ (21–59). Koorevaar unterzieht die fünf Blöcke des Psalters einer numerischen Analyse und sieht den Psalter als eine Erzählung mit dem Hauptthema Exil und Rückkehr. Dabei argumentiert er mit Nachdruck für die ursprüngliche Bedeutung der Angaben zu Autoren und deren Biographie als integraler Bestandteil für die Struktur und Argumentation des ganzen Psalters. Stefan Fischer, „Der alttestamentliche Begriff der Gerechtigkeit in seinem geschichtlichen und theologischen Wandel“ (61–74), untersucht das weite Bedeutungsspektrum des Gerechtigkeitsbegriffes im Alten Testament (Verantwortung des Königs, Menschliche Verpflichtung in der Zuspitzung auf die Tora, Ausbleiben der Gerechtigkeit, Gerechtigkeit Gottes). Beat Webers Artikel „,Ausgang und Eingang, Anfang und Ende…‘ Fragmente zu musikalischen und biblischen Ein-, Über- und Ausgängen“ (75–96) untersucht die biblischen Ein-, Über- und Ausgänge des AT-Kanons (Gen 1,1; 1Chr 1,1 Ps 1; Bezüge zum NT) und verknüpft diese mit einem persönlich-biographischen Bezug zum Jubilar sowie dem Blick auf das Samuelbuch (Disseration von H. Klement). Als Nachfolger Klements an der STH in Basel zeigt Benjamin Kilchör mit seinen Ausführungen „Narrative versus historische Begründbarkeit von Pentateuchgesetzen. Ein vernachlässigter Aspekt in der Diskussion zur Komposition des Pentateuch“ (97–112), dass eine narrative und eine historische Erklärung für die Gesetze im Pentateuch nicht im Widerspruch stehen müssen. So erklärt er anhand von konkreten Beispielen (Ex 12; 21,13; Dtn 12) wie die Erzählung eine plausible Entsprechung in der Historie findet und somit das literarisch formulierte Gesetz seinen historischen Platz letztlich beibehalten kann. Thomas Bänziger, „Tempelgeräte als Prüfstein echter und falscher Prophetie: Die Erwähnung der Tempelgeräte in Esra 1,7–11 im Licht des Jeremiabuches“ (113–127), zeigt die Verbindungen zwischen Esra 1,1 und Jer 27–28 mit der Auseinandersetzung von wahrer und falscher Prophetie zwischen Hananja und Jeremia. Der Bezug von Esra 1,7–11 zu Jer 52 unterstreicht, dass das Jeremia-Wort sich erfüllt hat und JHWH sich nun wieder um das Volk kümmert, dadurch dass die Tempelgeräte wieder nach Jerusalem zurückgeführt werden. Eine ausgewogene Einschätzung zur „Die Stellung des Predigerbuches innerhalb der alttestamentlichen Weisheitsbücher“ (129–142) zeigt Walter Hilbrands. Demnach hat das Predigerbuch vielfältige sprachliche und theologische Verbindungen zur alttestamentlichen Weisheit, sei es zu Hiob auf der einen Seite als auch zum Sprüchebuch auf der anderen Seite. Was meint Jesus eigentlich mit der Bitte „Dein Reich komme“ und wie ist diese Bitte vom Alten Testament her kommend zu verstehen? Jacob Thiessen, „,Deine Königsherrschaft komme…‘ (Mt 6,10a). Die Bitte Jesu im Kontext der jüdischen Endzeit-Erwartungen und des Matthäusevangeliums“ (143–174), legt dar, dass das Gebet Jesu ein typisch jüdisches Gebet ist. Es geschieht in der Erwartung der Wiederherstellung der davidischen Königsherrschaft. Diese Verheißung findet seine Erfüllung im Glauben an Jesus Christus, dessen Botschaft für die Juden aber auch für alle Nationen gilt. Gleichzeitig steht die Vollendung dieser Herrschaft noch aus. Stefan Felber, „Vorfahren statt Väter, Geschwister statt Brüder: Zur ,geschlechtergerechten‘ Sprache und Bibelübersetzung, insbesondere zur Neuen Zürcher Bibel“ (184–198), problematisiert die Möglichkeiten, Grenzen und Fehler einer geschlechtergerechten Übersetzung. Anhand einschlägiger Beispiele zeigt er, dass der Bibeltext sehr oft gar nicht gender-neutral übersetzt werden kann, weil der Text ja vielerorts explizit an Männer adressiert ist. Die NZB hatte sich selber als Leitlinie gegeben, „die heilsame Fremdheit der Bibel unangetastet zu lassen“ (185), jedoch wird sie dem biblischen Text sprachlich, sachlich und historisch nicht gerecht, wenn sie sich dem gender-ideologischen Druck beugt. Klements Doktorvater J. Gordon McConville, „Darwin, the Old Testament, and the imago Dei“ (199–212), vergleicht den darwinistischen und den biblisch-theologischen Blick auf den Menschen. Wenn das Leben des Menschen ein Kampf um das Überleben ist, wie ist das dann mit dem Blickwinkel der Bibel ins Gespräch zu bringen, die den Menschen als von Gott geschaffen erkennt? Mit der Ausführung der betreffenden Gedanken Moltmanns sieht McConville mögliche Anknüpfungspunkte (z. B. der Kampf um das Überleben gegenüber dem Ringen, um Gerechtigkeit auf Erden herzustellen). Naturwissenschaft und Theologie haben beide ihren Platz. Es kommt aber letztlich nicht nur darauf an, was wir sehen, sondern wie wir es sehen und in welchen größeren Zusammenhang wir dieses Einsichten stellen.
Das Kapitel zu den systematisch-theologischen Beiträgen eröffnet Rolf Hille mit einer Übersicht: „Die theologische Bedeutung des Alten Testaments für die christliche Kirche. Fundamentaltheologische und dogmatische Perspektiven“ (217–237). Daran schließt sich Sven Grosse an mit „Das Alte Testament als Αρχη oder warum man auf das Alte Testament nicht verzichten kann“ (239–258). Grosse betont die Notwendigkeit des Alten Testaments für den Christen, der Glaube grundsätzlich als Prozess des Offenbarwerdens erlebt. Johannes Schwanke zeigt in „Luther und die Josephsgeschichte“ (259–274), wie sich Luther in seiner Genesisauslegung besonders auf die Josephserzählung konzentriert hat. Luther erkennt in dem Auf und Ab der Biographie Josephs Gottes schöpferisches und bewahrende Handeln, was wiederum dem Zweifelndem vertrauen lässt, das nur bei Gott alles ist. Armin Sierszyn, „Die Botschaft des Alten Testaments als Befreiung aus gnostischer Verwüstung“ (275–308), beleuchtet die geistesgeschichtlichen Konsequenzen des neuzeitlichen Denkens, wenn das menschliche Bewusstsein alleingültiger Ausgangspunkt allen Urteils wird. Vor allem die protestantischen Theologie offenbart hier einen Konflikt in der Auseinandersetzung mit dem Alten Testament. Demnach will sich die historisch-kritische Theologie zwar auf die (alttestamentliche) Geschichte beziehen, scheitert aber kläglich darin, in dieser Historie die inkarnierte Heilsgeschichte Gottes mit dem Menschen zu erkennen – letztlich mit Jesus, der seinen Ursprung im Alten Testament hat. Harald Seubert, „Gottes Gesetz und göttlicher Nomos – Zwischen alttestamentlichen Königsgesetz und Platonischer Rechtslehre. Oder: Warum Jan Assmann Unrecht hat“ (309–323), untersucht Assmanns These zum Monotheismus als Grund für die Unterscheidung zwischen wahrer und falscher Religion. So grenzt gerade das Königsgesetz die Macht des Königs ein, dessen Rechte an den einen Gott gebunden sind, um Frieden zu stiften.
Den dritten Teil mit seinen praktisch-theologischen Beiträgen eröffnet Armin Mauerhofer, „Über alttestamentliche Texte predigen“ (327–344). Er beschreibt einen heilsgeschichtlichen Ansatz, wie die unterschiedlichen Gattungen im Alten Testament heilsgeschichtlich gepredigt werden können. Stefan Schweyer, „Mehr als Rosinenpickerei? Empirische Beobachtungen und liturgische Reflexionen zur Verwendung des Alten Testaments in freikirchlichen Gottesdiensten“ (345–365), zeigt, dass die Bibel insgesamt (und auch das Alte Testament) einen selbstverständlichen Platz im freikirchlichen Gottesdienst haben. So bieten sich gerade Psalmenlesungen im Kontext der Lobreiszeit an. Die Häufigkeit und Vielfalt der Predigttexte aus dem Alten Testament lassen sich aber noch deutlich ausbauen.
Jürg H. Buchegger, „Islam und Antisemitismus“ (367–386), untersucht die Frage „wie sich das Verhältnis von Mohammed und Judentum in der Frühzeit des Islam entwickelt hat,“ und ob darin bis heute Anhaltspunkte zu finden sind, die „von Muslimen als Rechtfertigung ihres Antisemitismus verwenden werden können“ (368). Demnach dienten die Juden zunächst noch als Unterstützung Mohammeds, die seine Botschaft gegen die polytheistischen Glaubensformen bestätigten. Mit der Ablehnung Mohammads als Prophet geschah aber der Bruch mit den Juden. Sie werden in der Folge als Schriftbesitzer zwar geschützt, sind aber Bürger zweiter Klasse, die als Minderheit ihr religiöses Leben pflegen dürfen, ohne an der Gesamt-Gestaltung des islamischen Staates teilnehmen zu können. Es bleibt die Anfrage, ob Muslime sich mit dieser im Koran verankerten Doppelmoral und dem weltweit verbreiteten Antisemitismus kritisch auseinandersetzen können.
Fazit: Jeder dieser Beiträge geht natürlicherweise von dem Kompetenzbereich dessen aus, der ihn auch verfasst hat und versucht schließlich aufgrund dieses Themas im Hinblick auf den emeritierenden Kollegen und/oder Lehrer eine Brücke zu schlagen. Das ist grundsätzlich nicht anders zu erwarten bei einer Festschrift aufgrund einer Emeritierung. Bei den exegetischen Beiträgen, insbesondere denen von Kilchör, Bänziger und Weber (aber auch Seubert) gelingt dieser Bogen noch am natürlichsten. Je weiter der Weg dann bis zum exegetischen, historischen und theologischen Arbeiten Klements mit dem Alten Testament wird, desto breiter wird der Gesamtentwurf der Festschrift. So gesehen passt das aber letztlich nicht mehr zu dem Titel dieser Festschrift. Es geht zwar bei jeder theologischen Arbeit immer irgendwie um „die Königsherrschaft Jahwes“, aber darauf zielen die allerwenigsten Beiträge dieses Bandes konkret. Vielleicht wäre ein Titel wie z. B. „Freude an Gottes Weisung“ passender gewesen. Aber dieses Buch hatte Herbert Klement zusammen mit Julius Steinberg schon selber herausgegeben. Insgesamt bleibt aber am Ende der Lektüre der positive Eindruck, dass die Beiträge im guten Sinn für sich sprechen und jeweils einen wertvollen Beitrag innerhalb ihres Fachbereiches liefern.
Dr. Gunnar Begerau, Dozent für Altes Testament an der Biblisch-Theologischen Akademie Wiedenest
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