Stefan Paas: Church Planting in the Secular West
Stefan Paas: Church Planting in the Secular West. Learning from the European Experience, Grand Rapids: William B. Eerdmans Publishing Company, 2016, Pb., xii+304 S., € 34,99, ISBN 978-0-8028-7348-4
Stefan Paas, Professor für Missionswissenschaft an der Theologischen Universität Kampen und J. H. Bavinck-Professor für Missionswissenschaft und interkulturelle Theologie an der Vrije Universiteit Amsterdam, bietet in seiner Studie über Gemeindegründung in einem säkularen Kontext eine ekklesiologisch geprägte und empirisch fundierte missiologische Reflexion. Manchen Praktikern der Gemeindegründung mag die Studie zu kritisch und nicht genug praxisnah erscheinen. Dennoch ist die Auseinandersetzung Gemeindegründungsstrategien und ein kritisches Hinterfragen der Motive hilfreich für die Theorie und für eine verbesserte Praxis.
Nach einer Einführung bietet Paas eine stringente Darstellung der historischen Beweggründe für das klassische Paradigma der plantatio ecclesiae vom neutestamentlichen bis zum modernen Zeitalter (Kapitel 1). Es wird ersichtlich, dass Gemeindegründung im Blick auf die Evangelisation graduell instrumentalisiert wurde (42). In Kapitel 2 bis 4 befasst sich Paas in einer gut strukturierten und nachvollziehbaren Dreiteilung mit den Themen: „better churches, more churches and new churches“. Als erstes deutet er auf die veränderten Umstände im heutigen säkularisierten Europa, das von einem marginalisierten Christentum und einer allgemein kulturellen Antipathie gegenüber der christlichen Botschaft gekennzeichnet ist. Aus diesem Grund ist es nicht länger möglich, von einer christlichen Grundsozialisierung auszugehend die Erweckung von nominellen Christen anzustreben, sondern: „a revivalist paradigm will have to be replaced by a truly missionary approach“ (102). Paas äußert sich kritisch gegenüber dem Gedanken, dass wir „bessere“ Gemeinden im Vergleich zu anderen brauchen. Stattdessen geht es hier um das Erreichen von Menschen, die mit Kirche kaum etwas anfangen können.
In Kapitel 3 („more churches“) verweist Paas auf problematische Punkte der Gemeindewachstumstheorie, die davon ausgeht, dass das Gründen von neuen Gemeinden die beste Evangelisationsstrategie für das numerische Wachstum des Christentums darstellt. Die Logik für diesen Ansatz, dass mehr automatisch besser ist, findet Paas nicht überzeugend (139) und die zugrunde liegenden Annahmen „simply remain unproven“ (144) und „generally not true“ (180). Die gewonnenen Einsichten und die dabei entstehenden Spannungsfelder münden in Kapitel 4 („new churches“) in einer ekklesiologischen und missiologischen Entfaltung der Idee, dass die Praxis der Gemeindegründung eigentlich eine Chance für Gemeindeerneuerung ist. Ein besonderer Beitrag von Paas sind seine Gedanken zu drei „Biotopen“, die zu einer Erneuerung führen können (224–241). Er sieht Gemeindegründung als: „Freihafen“, Laboratorium und Brutkasten. Unter „Freihafen“ versteht er sichere Orte, die nicht von der Außenwelt getrennt sind, wo Innovation ermutigt und radikale Spiritualität gelebt werden kann. Das Modell eines Laboratoriums bietet für Paas Chancen, in Anbetracht der komplexen Herausforderungen die überdenominationale Zusammenarbeit von Christen mit verschiedenen Begabungen und Theologien zu fördern. Schließlich haben Gemeindegründungen als „Brutkasten“ das Potenzial, an den „messy margins“ der traditionellen Großkirchen mit verschiedenen Ansätzen innovativ zu experimentieren und das Gelernte für die Kirche fruchtbar zu machen. Diese drei Modelle können die Bedingungen anbieten, „under which Christian community formation can be an instrument of renewal in secularized Europe“ (240).
Paas beschreibt sich als einen skeptischen Befürworter von Gemeindegründungen und kritisiert die freikirchliche Neigung zur Einseitigkeit, wo numerisches Wachstum als ein Hauptzeichen für Erfolg betrachtet wird. „The theological problem with this is the instrumentalization of the church“ (243). Für ihn gehört Mission untrennbar zum Wesen der Kirche, während das Wachstum durch Gemeindegründung wesentlich von Gottes souveräner Handlung abhängt (246–247). In seiner gesamten Studie liefert Paas solide theologische Grundlagen für Gemeindegründung heute; es wäre wünschenswert, dass alle, denen „Gemeindegründung“ ein Anliegen ist, sich mit dieser Studie auseinandersetzen; sie sollte Pflichtlektüre für Missiologen, Theologen und engagierte Gemeindegründer sein.
Dr. Dejan Aždajić, Dozent für Praktische Theologie an der FTH Gießen