Altes Testament

L. S. Baker Jr. / Kenneth Bergland / Felipe A. Masotti / A. Rahel Wells (Hg.): Exploring the Composition of the Pentateuch

L. S. Baker Jr. / Kenneth Bergland / Felipe A. Masotti / A. Rahel Wells (Hg.): Exploring the Composition of the Pentateuch, BBRS 27, University Park/PA: Eisenbrauns, 2020, Hb., XIV+297 S., $ 89,95, ISBN 978-1-57506-985-2


Die 13 für sich selbständigen Artikel sind von den Herausgebern und Tiago Arrais, Richard E. Averbeck, John S. Bergsma, Joshua A. Berman, Daniel I. Block, Richard Davidson, Roy E. Gane, Duane A. Garrett, Richard S. Hess, Benjamin Kilchör, Michael LeFebvre, Jiří Moskala, und Christian Vogel verfasst.

Der Sammelband entspringt einer Konferenz zum Thema im Jahr 2016 an der Andrews University, Michigan (am theologischen Seminar der Siebenten-Tags-Adventisten). Das Ziel der Konferenz war, die von Gertz, Levinson, Rom-Shiloni, K. Schmid (The Formation of the Pentateuch: Bridging the Academic Cultures of Europe, Israel, and North America, 2016) konstatierte Sprachverwirrung in Bezug auf Pentateuchstudien anzugehen, also Brücken zu bauen.

Berman fordert in seinem Beitrag, dass empirische Forschung zu „Textwachstum in der Antike“ die Begründungsbasis für die Kompositionsgeschichte des Pentateuch erweitert. Diese Notwendigkeit schließt er aus einem kritischen Durchgang zur Geschichte der hist.-krit. Erforschung des Pentateuch. Darin zeigt er auf, dass ohne externe Evidenz die unterliegenden Zirkelschlüsse nicht aufzubrechen seien. Bergman bietet nicht einfach eine Kurzfassung des allseits bekannten Einflusses des deutschen Historismus und der Romantik auf die Pentateuchforschung, sondern verweist kontinuierlich auf die epistemologischen Unterschiede zur empirischen, vergleichenden Textforschung, um neue Ansätze für die Analyse der Kompostion des Pentateuch zu finden.

Averbeck stellt einen eigenen Ansatz zur historisch-kritischen Forschung vor, den er am Beispiel der Sklavengesetze in Ex, Lev und Dtn durchführt. Ein „neuer“ Ansatz müsse drei Perspektiven zusammenhalten: Literatur, Geschichte und Theologie. Seine umfangreiche Diskussion der Sklavenregelungen führt interessanterweise nur zur Ablehnung von kompositionsgeschichtlichen Versuchen, nicht zu einer neuen Perspektive diesbezüglich.

Baker und Wells leiten aus der altägyptischen Sprachpraxis, der zeitlich parallelen Nutzung verschiedener Sprachentwicklungsphasen, die Möglichkeit ab, dass solches auch für biblische Texte gelten könnte, sodass alt-, mittel- und späthebräische Texte zur selben Zeit entstanden sein könnten, weil sie jeweils anderen soziologischen Kontexten zugeordnet wurden. Damit fiele die Möglichkeit der Rekonstruktion der Kompositionsgeschichte durch unterschiedliche Sprachstadien weg.

Hess diskutiert das Phänomen der Oralität und Schriftlichkeit anhand eines Textes aus Hebron, datiert in die erste Hälfte des 2. Jahrtausends. Obwohl es ein administrativer Text ist, zeige er Merkmale der Realien und Poetik aus Gen 12–37, ohne dass orale Vorformen wahrscheinlich sind. Hess schließt, dass schriftliche Aufzeichnungen aus der Väterzeit im südlichen Palästina zumindest nicht ausgeschlossen werden können.

Moskala und Masotti rollen erneut die Frage auf, nach welchen AVO-Bundestexten der Bund zwischen Gott und Israel in Dtn literarisch gestaltet ist. Sie kommen zum Schluss, dass die hetithischen Verträge des 2. Jahrtausends Pate standen. Der Fokus liegt auf der kommunikativen Rolle des historischen Abschnitts im Formular: Parallel zur selektiven und zielgruppenorientierten Geschichtsschreibung in den hethitischen Verträgen würde auch die historische Rekonstruktion in Dtn 1–3 ein geändertes Bundesverhältnis zwischen Israel und Gott spiegeln. Der gesamte Text von Dtn würde in diesem Kontext Sinn ergeben und somit läge eine synchrone Lektüre und eine mosaische Autorschaft nahe.

Bergland sucht einen neuen Weg für die Frage nach den beobachtbaren Unterschieden zwischen Bundesbuch, Heiligkeitsgesetz und Dtn. Einerseits Buchstabentreue und andererseits kreative Aufnahme zwischen Gesetzestexten ließen sich gut erklären. Bergland nennt dies „embodied covenantal instruction“ von berit und tora, die als Begriffe die modernen Assoziationen mit „Gesetzestexten“ vermeiden und den Text der Tora als primär theologische Kommunikation mit dem Ziel der kontinuierlichen Aktualisierung des Bundes versteht. Tradierung sei weniger ein schriftliches Phänomen, sondern Resultat von Memorisation und damit „Inkorporierung“ – parallel zum Umgang mit „verehrten Texten“ im AVO.

LeFebvre untersucht alle Datumsangaben der Tora und argumentiert, dass sie nicht auf konkrete historische Momente hinweisen, sondern die korrelierenden Ereignisse in Israels Festkalender einsortieren. Damit wird die Suche nach Modellen für eine widerspruchsfreie Rekonstruktion dieser Daten überflüssig. Insgesamt würde diese temporale Struktur gut der Zielrichtung der Tora als Kultinstruktion gerecht.

Block stellt sich der Frage, was es bedeutet, dass signifikante Stichwort- und Motivbrücken die Patriarchenerzählung und Deuteronomium zusammenhalten. Er postuliert in Folge von Noth und Whybray einen Autor (nicht bloß Redaktor), der sehr früh (auf jeden Fall vor Hosea) ihm vorliegende schriftliche Quellen bearbeitet und in eine kohärente Erzählung mit multiplen Genres verarbeitet hat.

Garret geht am Beispiel von J. Stackert der aktuellen Neuauflage der Dokumentenhypothese nach. In diesem Zug kritisiert er beispielhaft sowohl die Grundannahmen als auch die konkreten exegetischen Entscheidungen. Es zeigt sich, dass die gewohnte Kritik an der Dokumentenhypothese auch für diese Neuauflage gilt.

Davidson, Arrais und Vogel sind frustriert mit den Strukturvorschlägen zum Buch Exodus und bieten drei eigene Vorschläge. Einmal wird, im Detail durchaus nachvollziehbar, Ex in 7 Abschnitte aufteilt, die entweder große Ring- oder Parallelstrukturen aufweisen. Zweimal wird eine zweiteilige theologisch motivierte Parallelstruktur vorgeschlagen, wobei die Übergänge in Kap. 12 bzw. 13 gefunden werden. Es wird geschlossen, dass eine so komplexe, einheitliche Gesamtstruktur kaum auf Quellenkompilation zurückzuführen sei.

Gane kümmert sich erneut um die Frage (schon 2015), wofür Lev genau geschrieben wurde. Seine rhetorisch-kritische Analyse nimmt ihren Ausgangspunkt bei Watts, stimmt mit jenem überein, dass Lev 1–16 ein didaktischer Text zur Priesterausbildung sei, jedoch nicht erst für den Kult am zweiten Tempel, sondern viel früher, möglicherweise gar mosaischen Ursprungs.

Kilchör weist nach, dass Dtn die Bücher Ex-Num in ihrer kanonischen Form, also inklusive der priesterlichen Texte, voraussetzt. Die sich in Dtn ergebende Auswahl und Unterschiede ließen sich auf die unterschiedliche Zielgruppe der Texte zurückführen. Dabei verschwindet auch eine klare literarhistorische Unterscheidung von P und H.
Bergsma fasst aktuelle Studien zusammen, die zur Einsicht kommen, dass Ezechiel P, H und D gekannt und aufgenommen haben muss. Diesen Befund erweitert er um die These, dass Ezechiel nicht für die Endredaktion des Pentateuch verantwortlich sein kann, da in diesem keinerlei Spuren der späteren Zionstheologie (wie in DtrH, Ps und Propheten) zu finden seien. Dass der Pentateuch sowohl in Samaria als auch Judäa als Grunddokument geehrt wurde, lässt kaum die Möglichkeit einer exilisch/nachexilischen Datierung desselben offen. Bergsma sieht Gründe, dass die Tora vor dem Samaria-Jerusalem-Schisma mindestens in annähernd kanonischer Gestalt vorgelegen haben muss. Die Beiträge des Bandes sind sehr unterschiedlich in ihrem jeweiligen Beitrag zu der durch Titel und Einleitung aufgeworfenen Problemstellung. Die meisten Artikel berühren die Frage der Komposition des Pentateuch nur sehr am Rande. Unter denen, die einen genuinen und nach vorne gerichteten Beitrag leisten, sind m. E. folgende herauszustellen: Berman, weil er einen methodischen Weg nach vorne weist. Bergland, weil er die Texte an sich ernst nimmt und nicht für fremde Fragestellungen in Anspruch nimmt. Kilchör, weil er klar und konsequent argumentiert und sich nicht in der Negation aufhält. Letzteres gilt auch für Block und Bergsma, deren Beiträge für die konkrete Datierung des Pentateuch am ertragreichsten sind. Die anderen Beiträge sind für die Zielformulierung des Bandes nur bedingt förderlich, da sie vor allem darauf hinauslaufen, dass es überhaupt keine Gründe für eine Kompositionsgeschichte gäbe, denn man kann ja alle Texte besser synchron lesen. Das kann seinen Platz haben, aber laut Vorwort sollten ja Brücken zwischen den verschiedenen methodischen Lagern geschlagen werden. Dafür müssen wir uns m. E. über Grundannahmen verständigen, sonst reden wir weiterhin nur für die jeweils eigene „Schule“.


Dr. Stefan Kürle, Professor für Biblische Theologie am Theologischen Studienzentrum Berlin