Altes Testament

Andreas Späth: „Und der Herr erhörte Hiskia …“

Andreas Späth: „Und der Herr erhörte Hiskia …“. Eine biblisch-archäologische Zusammenschau. Mit zwei Beiträgen von Pieter Gert van der Veen (Das Alte Testament im Kontext 1), Ansbach: Verlag Logos Editions, 2022, VIII+192 S., € 19,95, ISBN 978-3-945818-33-6


Die historische Glaubwürdigkeit des Alten wie des Neuen Testaments wird seit langem und von verschiedener Seite bestritten. Besonders beim Alten Testament sehen viele Wissenschaftler einen Widerspruch zwischen dem archäologischen und dem biblischen Befund. Die Spannbreite reicht von den Minimalisten (z. B. Kopenhagener Schule) bis zu den Maximalisten (z. B. Albright-Schule). Es ist verdienstvoll, dass mit dieser Neuerscheinung die Diskussion am Beispiel von König Hiskia neu aufgerollt und neu bewertet wird.

Der Verlag Logos Editions eröffnet mit diesem Band eine neue Reihe mit dem Titel „Das Alte Testament im Kontext“. Der Verfasser, Andreas Späth, ist Religionspädagoge und 1. Vorsitzender der „Kirchlichen Sammlung um Bibel und Bekenntnis in Bayern“.

Das großformatige Buch auf hochwertigem Papier ist schön und ansprechend gestaltet, bleibt allerdings unbebildert. Der populärwissenschaftliche Stil wendet sich in erster Linie an interessierte Laien, bietet aber auch Fachleuten eine Fülle an wertvollen Informationen. Es ist allerdings davon auszugehen, dass aufgrund des gewählten Stils das Buch in der Fachwelt nicht wahrgenommen werden wird. Dasselbe Schicksal teilen die allgemeinverständlichen und apologetischen Bücher des Ägyptologen Kenneth A. Kitchen und des Assyriologen Alan R. Millard, die beide ebenfalls für die biblische Glaubwürdigkeit eintreten.

Der eigentliche Textteil (1–92) des vorliegenden Werks besteht aus 17 Kapiteln, die einzeln meist nur jeweils wenige Seiten umfassen. Hier werden in historischer Perspektive die Geschichte der biblischen Orte, Personen und Ereignisse gekonnt skizziert und wo möglich mit archäologischen Funden beleuchtet. Fast immer nimmt der Fußnotenapparat über die Hälfte der Seite ein. Auf diese Weise liest sich die nacherzählte Geschichte wie ein archäologischer Kommentar, in dem der Kenner umfassend auf die relevante Primär- und Sekundärliteratur verwiesen wird. Der Laie kann die Fußnoten übergehen und dennoch viel Honig aus dem Haupttext ziehen.

In Kap. 1 werden die methodologischen Grundlagen offengelegt. Als gleichsam kriminalistisches Vorbild wird die Person des Sherlock Holmes angeführt. Späth mahnt eine ergebnisoffene Analyse des Befundes an, die sich nicht auf Vorurteile und Ideologien stützt, und stellt einen Fragenkatalog zu den Realia auf. Kap. 2 bietet unter dem Stichwort „Chaos mal drei“ eine Nacherzählung des biblischen Ahas in seinem historischen Kontext. Dass Späth selbst auch mit Voraussetzungen an die biblischen Texte herangeht, wird deutlich, wenn er unter Verweis auf Jes 7,13–16 und 9,2–7 (nach üblicher deutscher Verszählung: 9,1–6) schreibt (9): „Jesaja indes wird den perfekten König ankündigen, keinen ,Sohn‘ Tiglat-Pilesers, sondern den Sohn Gottes.“ Bei der Beschreibung von Hiskias Kultreform (Kap. 3) werden auch außerbiblische Zeugnisse aus dem Umfeld Hiskias erwähnt wie eine Tonbulle, Krughenkel und Siegelabdrücke (17). Bei der Beschreibung der Eroberung Samarias (Kap. 4) im Jahr 722 v. Chr. nach drei Jahren Belagerung durch Salmanassar V. werden auch chronologische Probleme besprochen. So lässt sich das 4.-6. Jahr Hiskias (2Kö 17,5f; 18,9f) in Anlehnung an K. A. Kitchen am besten durch eine Koregentschaft erklären, zudem auch in der mesopotamischen Chronologie die Ereignisse parallel beschrieben werden (19 Anm. 4). Kenntnisreich wird die Deportationspolitik der Assyrer eingeordnet. Auf Sargon II., der die Eroberung Samarias für sich reklamiert, folgt sein Sohn Sanherib, dessen Familie und Persönlichkeit in Kap. 5 entfaltet werden. Überzeugend wird in Kap. 6 dargelegt, dass der biblische Schreiber der Königebücher das Mittel der Rückblenden einsetzt und nicht immer chronologisch vorgeht. In die Beschreibung der Jahre vor der Invasion fallen Hiskias Verschwörungen, seine Erkrankung und Heilung, der Besuch der babylonischen Gesandtschaft, der Bau des Tunnels zur Gihon-Quelle und der Ausbau der Stadtbefestigung (Kap. 7). Schließlich kommt es zum Palästinafeldzug Sanheribs (Kap. 8) und zur Schlacht um Lachisch (Kap. 9). Kap. 10 schildert anschaulich die Methoden der assyrischen Gesandtschaft, Einschüchterung und Propaganda, und diskutiert das mögliche Grab Schebnas der Nekropole von Silwan und dessen Inschrift, die 1870 entdeckt wurden. Nach der Darlegung der assyrischen Verhandlungstaktik (Kap. 11) und ihrer öffentlichen Demoralisierungskampagne (Kap. 12) folgt Jesajas Antwort (Kap. 13). Kap. 14 diskutiert die Identifizierung von König Tirhaka und Fragen eines möglichen Anachronismus. Es handelt sich wohl um den späteren Pharao Taharqa, der bewusst als „König von Kusch“ bezeichnet wird (2Kö 19,9; Jes 37,9). Umstände und Inhalt des Briefs von Sanherib an Hiskia werden in Kap. 15 im zeitgeschichtlichen Kontext behandelt. Sehr enge Parallelen bis in die Stilistik hinein finden sich in den Annalen Sanheribs auf dem Chicago-Prisma. Natürlich geht Späth auch auf die beschädigte Bulle aus dem Ophel ein, die den Namen Jesajas trägt und unweit der Hiskia-Bulle entdeckt wurde. Bei der Ergänzung des möglicherweise fehlenden Buchstaben alef würde als Berufsbezeichnung zu lesen sein: „dem Propheten Jesaja gehörend“. Dass die Assyrer unverrichteter Dinge abziehen, ist wissenschaftlich nicht erklärbar und wird biblisch als Wunder Gottes gedeutet (Kap. 16). Die assyrischen Annalen unterstützen den biblischen Bericht, auch wenn sie keine Niederlage einräumen. Kap. 17 geht dem Tod Sanheribs nach, der von seinen Söhnen erschlagen worden sein soll, wie auch 2Kö 19,37 berichtet. Asarhaddon setzt sich als Nachfolger gegen seinen älteren Bruder Adramelech (Arda-Mulissu) durch, der ursprünglich als Kronprinz eingesetzt war. Der zweite Buchteil (93–187) eröffnet mit der Kommentierung ausgewählter archäologischer Funde. An der differenzierten Auswertung zweier neuerer „Sensationsfunde“ hat Dr. Pieter Gert van der Veen mitgewirkt (131–138). Es folgen das Abkürzungsverzeichnis, die Bibliografie und Register der Orte, Völker, Personen, Sachen und Bibelstellen. Auf diese Weise wird das Buch gut erschlossen. Jedem Bibelleser, der ein Interesse an der Geschichte und der Umwelt der Bibel hat, sei dieses spannende und gründlich recherchierte Buch herzlich zur Lektüre empfohlen. Man lernt nicht nur etwas zum historischen Hintergrund der Zeit Hiskias, sondern wird auch gründlich in die Welt der Archäologie eingeführt. Zugleich wird gezeigt, dass Bibel und Archäologie nicht als notwendige Gegensätze gesehen werden müssen, sondern sich mit ihren jeweiligen Perspektiven ergänzen – ganz im Sinne des Untertitels „Eine biblisch-archäologische Zusammenschau“. Eine Liste von Corrigenda wurde im November 2022 der ersten Auflage beigefügt. Diese ist vollumfänglich in der zweiten Auflage berücksichtigt.


Dr. Walter Hilbrands ist Dozent für Altes Testament und Dekan an der Freien Theologischen Hochschule Gießen.