Praktische Theologie

Hans-Hermann Pompe: Kirchensprung

Hans-Hermann Pompe: Kirchensprung. Warum Kirchenentwicklung und Mission einander brauchen, midiKontur 3, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2022, Pb., 280 S., € 24,–, ISBN 978-3-3740-7050-3


Über den Zustand der ev. Kirche wird viel geschrieben und nahezu jeder, der mit ihr zu tun hat, kann ein eigenes Lied davon singen. Vielerorts wird gar der Abgesang auf die Kirche angestimmt. Angesichts von rekordverdächtigen Austrittszahlen, unzähligen Strukturreformen und deutlichen Erschöpfungssignalen von Mitarbeitenden mag dieser Gesang als gerechtfertigt gelten. Hans-Hermann Pompe schlägt andere Töne an. Auch wenn er mit der Kritik am gegenwärtigen Zustand der evangelischen Kirche nicht spart, sieht er vielfältige Gründe für Hoffnung und eine spannende Zukunft von Kirche. Mehr noch: Pompe sieht – im Bild gesprochen – eine Kirche, die nicht nur über ihren eigenen Schatten, sondern über Mauern springen kann. Wenn sich der geneigte Leser nun fragt, wo diese Sprungkraft herkommen soll, gibt schon der Untertitel seines Buches die Antwort: Die Zukunft der Kirche beginnt dort, wo Kirchenentwicklung und Mission sich ergänzen.

Letztlich entfaltet das Buch diesen Gedanken in aller Breite und Tiefe, vom Warum bis zum Wie. Der Autor schöpft dabei aus dem Vollen seiner Erfahrung, seines reichen Wissens und seiner Erzählkunst. Dabei kommt ihm seine Erfahrung als Gemeindepfarrer, Leiter des Amtes für Gemeindeentwicklung und Mission der Ev. Kirche im Rheinland, Leiter des ZMiR und Generalsekretär der AMD zugute. Er vermag es, theologische Konzepte leicht verständlich zu vermitteln, Autoren der Weltliteratur ebenso hinzuzuziehen wie Bibelstellen und passende, oft lustig-auflockernde Geschichten. Man spürt dem Werk ab, wie sehr Pompe für die Kirche das Evangelium sichtbar und erlebbar zu machen hofft. So wirkt „Kirchensprung“, das etwa ein Jahr nach der Pensionierung des Autors erschienen ist, stellenweise wie ein Vermächtnis.

An vielfältigen Beispielen arbeitet er nicht nur heraus, wie der Missionsauftrag in einer indifferenten, postmodernen Gesellschaft die Leitdimension für christliches Handeln sein kann, sondern auch, warum dieser für Kirche unverzichtbar ist. Dabei zeichnet er ein Bild von „guter Mission“ und schlägt eine Reihe von Indikatoren, die fehlende oder schlechte Mission entlarven und zu guter Mission führen wollen, vor. Etwa: „Sie wahrt die Freiheit des Angesprochenen.“ (123), „Sie achtet auf ihre Relevanz und Menschennähe.“ (125) oder „Sie lebt aus der Kraft und dem Auftrag Gottes.“ (126).

Für die Antwort auf die Frage, wie eine zukunftsträchtige Form von Kirche aussehen kann, befragt Pompe ekklesiologische Studien, bezieht die Ergebnisse der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen mit ein, nutzt Konzepte wie die missio dei, denkt Kirche aus Netzwerkperspektive, untersucht neue Formen von Kirche wie Fresh X etc. Erfahrungsberichte überschreiten immer wieder die gewohnten landeskirchlichen Grenzen und helfen dem Leser, inmitten von sich im Rückzug befindlicher Kirche dem Geist Gottes und seiner Kraft staunend „bei der Arbeit zuzusehen“.

In diesem Sinne wünscht Pompe der Kirche einen echten Aufbruch, einen Sprung ins Ungewisse, Ungewohnte. Hinein in die aktuelle gesellschaftliche Wirklichkeit, direkt zu den Menschen, gepaart mit einem neuen Missionsbewusstsein, für das sie sich nicht schämt und dem Vertrauen auf Gottes Möglichkeiten. Besonders verheißungsvoll erscheinen ihm dabei regiolokale Kirchenentwicklung, missionales Handeln, sowie eine starke Netzwerkorientierung von Christen und Kirche. Insgesamt ist dieses Buch ein überzeugendes Plädoyer für eine missional bewegte Kirchenentwicklung und damit für die Zukunft der Kirche. Ein Hoffnung machendes Buch, das mit vielen Beispielen inspiriert und nicht zuletzt Hans-Hermann Pompes eigene Zuversicht versprüht, dass der Abgesang auf die Kirche verfrüht ist und sich Vertrauen auf Gottes Möglichkeiten auch im Ungewohnten lohnt.


Heiko Metz, MA, Chefredakteur Stiftung Marburger Medien und Lehrbeauftragter an der Ev. Hochschule Tabor, Marburg