Praktische Theologie

Christiane Hof: Lebenslanges Lernen

Christiane Hof: Lebenslanges Lernen. Eine Einführung, 2., überarbeitete Auflage, Stuttgart: W. Kohlhammer, 2022, kt., 198 S., € 36,–, ISBN 978-3-17-042137-0


Lebenslanges Lernen scheint als Begriff nahezu selbsterklärend zu sein, braucht aber eine systematische Durchdringung der Materie. Die Autorin lehrt an der Uni Frankfurt im Bereich Erwachsenenbildung/Weiterbildung und bietet in ihrer Monografie eine bemerkenswerte Einführung, die relevante Impulse auch für den christlichen Kontext bietet.

Im ersten Kapitel bietet Hof eine konzeptionelle und historische Annäherung an das Thema. So haben Menschen in der individualisierten, beschleunigten Wissensgesellschaft mit ihren besonderen Arbeitsdynamiken heute fast keine Wahl mehr, nicht lebenslang zu lernen. Dies geschieht über bestimmte Lebensphasen, Bildungsinstitutionen und festgelegte Berufsqualifizierungen hinaus. Hier lässt sich ein vielgestaltiger, kontinuierlicher Prozess beobachten, der als eine „Antwort auf gesellschaftliche Veränderungen“ (33) zeitlich, räumlich und inhaltlich entgrenzt ist.

Als relevant erweist sich im zweiten Kapitel der Blick auf die bildungspolitischen Programme von UNESCO, OECD und der Europäischen Union, ebenso auf den Deutschen Qualifikationsrahmen für Lebenslanges Lernen. Obwohl die Ziele und Maßnahmen sehr unterschiedlich formuliert sein können – sei es als sozialpolitisches Mittel für mehr Lebenschancen, als Weg zur kulturell-persönlichen Weiterentwicklung, als liberal-demokratisches Lernmodell, oder aber als Perspektive auf Humankapital – das Lifelong bzw. Lifewide Learning tangiert nahezu jeden.

Das dritte Kapitel vertieft die bereits angeklungene dreifache Ausdehnung des Lernens bzw. die damit verbundenen Pluralisierungen und Herausforderungen. Dazu gehören (1.) die Schwerpunktverschiebung hin zum Einzelnen, zu seiner Biografie und zum selbstgesteuerten Lernen; (2.) die örtliche Vielfältigkeit mit formalen, non-formalen und informellen Lernformen; schließlich (3.) der inhaltliche Perspektivwechsel, weg von einem Wissens- und Bildungskanon, hin zur Kompetenzentwicklung und zum Erfahrungswissen.

Daran anschließend präsentiert die Autorin im vierten Kapitel empirische Befunde, wie sich Lebenslanges Lernen in unterschiedlichen Kontexten nachverfolgen lässt, um daraus Bedingungen für ein erfolgreiches Lernen zu identifizieren. Hier spielen individuelle Voraussetzungen, aber auch soziokulturelle Bedingungen eine Rolle, gerade weil „die Gestaltung des Lernens im Lebenslauf nicht allein als individuelles Projekt anzusehen ist“ (117).

Was das für die pädagogische Theorie und Bildungsforschung bedeutet, zeigt das fünfte Kapitel. Die Autorin skizziert das neue Lernen als aktive Auseinandersetzung mit menschlicher Erfahrung und als einen ganzheitlichen, sozial eingelagerten Sinnbildungs- und Transformationsprozess, der in seiner Mehrdimensionalität noch viel Forschungspotenzial bereithält. Welche praktisch-fachlichen Handlungsfelder sich daraus ergeben, schildert das sechste Kapitel. Darunter fallen laut Hof vornehmlich vermittelnde und unterstützende Maßnahmen z. B. in der fachlichen Gestaltung von Lehr-Lern-Prozessen, in der Konzeption institutioneller Rahmenbedingungen sowie in der Beratung. Ein Nachwort und ein umfangreiches Literaturverzeichnis runden den Titel ab.

Die Autorin legt Hintergründe, Zusammenhänge und Forschungsstände dar, um so griffige Perspektiven auf ein komplexes Themenfeld zu geben. Dabei fördert sie nicht zuletzt das Verständnis für die Lebenswelt und die Druckpunkte der Menschen im globalen Westen. Weil sich die gesellschaftlichen Bedingungen massiv verändern, sind nicht zuletzt christliche Organisationen, Kirchen und Gemeinden herausgefordert, mitzudenken und entsprechend zu handeln.

Es legt sich nahe, die vorliegenden Impulse theologisch weiter zu reflektieren und sie z. B. mit einem tugendorientierten Bildungsansatz zu verbinden (vgl. M. Oxenham: Character and Virtue in Theological Education). Um Menschen vom Evangelium her zu fördern, könnten formale, non-formale und informelle Lern- und Begegnungsräume noch bewusster kombiniert werden. Die aktive Beschäftigung mit dem Lebenslangen Lernen kann Ausbildungsstätten, Glaubensgemeinschaften und Einzelnen helfen, bestehende Programme konzeptionell und didaktisch weiterzuentwickeln, sodass Katechese, Spiritual Formation, Jüngerschaft, Mentoring, Diakonie, christliche Bildung und Ausbildung noch nachhaltiger geschehen.


Daniel Vullriede, M.A., Dozent am Bibelseminar Bonn und IBEI Rom