Andrew Root: Churches and the Crisis of Decline
Andrew Root: Churches and the Crisis of Decline: A Hopeful, Practical Ecclesiology for a Secular Age, Ministry in a Secular Age 4, Grand Rapids: Baker, 2022, Pb., xii+287 S., ca. € 27,–, ISBN 978-1-5409-6481-6
Ursprünglich als dreiteiliges Werk angelegt, hat sich Andrew Roots Ministry in a Secular Age-Projekt inzwischen zu einer Pentalogie entwickelt. Mit dem vorliegenden vierten Band hat sich Root, Professor for Youth and Family Ministry am Luther Seminary zum Ziel gesetzt, die bereits im Vorgängerband eingeräumte ekklesiologische und oikodomische Unbestimmtheit seines Entwurfes zu beseitigen (vgl. dazu auch meine Rezensionen zu Teil 3 und zu Teil 5). Dabei widerspricht der Vf. mit Nachdruck der herkömmlichen Lesart, wonach der Niedergang vieler Kirchen einem Mangel an Ressourcen und Relevanz geschuldet sei. Das tieferliegende Problem liege vielmehr darin, dass man innerhalb der geschlossenen Struktur eines immanenten Rahmens (Charles Taylor) kaum mehr in der Lage sei, den lebendigen Gott wahrzunehmen, mit seinem Handeln zu rechnen und auf seine Offenbarung zu reagieren. Entsprechend bestehe die „Not-Wendigkeit“ darin, „to pursue the more difficult task of exploring how, even though inextricably resting inside modernity and its immanent frame, the church might return to transcendence, finding its life in revelation itself“ (18).
Um seinen zentralen Gedankengang zu entwickeln, bringt Root das Leben und die frühen Schriften von Karl Barth anregend mit den Herausforderungen der Kirche im säkularen Zeitalter ins Gespräch. Vor allem im Rückgriff auf Barths pastorale Erfahrungen und Reflexionen aus seiner Zeit in Safenwil ergeben sich mehrere ekklesiologische Leitplanken, die als Orientierung in und als Auswege aus der Krise dienen sollen. Erstens sieht der Vf. den Kern der kirchlichen Problemlage in der kaum noch vorhandenen Begegnung mit einem Gott, der tatsächlich transzendent und unverfügbar ist: „My point, following Barth, is that only when we claim ‚God is God‘ do the pastor and the church have a purpose that can escape the flattening of modernity and its immanent frame“ (58). Zweitens müssten Kirchen neu lernen, sich nicht selbst als Subjekt ihrer eigenen Geschichte zu betrachten, sondern auf das Eingreifen Gottes zu warten: „The church is the church of the living God only when it waits“ (141). Und schließlich sollte an die Stelle eines individualistischen Relevanzstrebens wieder eine, so Root, längst verlorene Barthsche Dialektik treten – eine Dialektik, in der das Sterben als Weg zum Leben begriffen wird, man die eigene Verlorenheit und Hilflosigkeit als Voraussetzung, von Gott gefunden zu werden, anerkennt und in der der lebendige Christus als Gott-Mensch die Brüche einer immanenten Zeit mit den Verheißungen der Ewigkeit verbindet.
Insgesamt könnte man Roots Narrativ als Aufforderung an liberale „mainline churches“ lesen, sich in Zukunft theologisch bewusster aus der Gefangenschaft eines geschlossenen Immanenzdenkens zu befreien, ohne dabei die Fehler konservativer Evangelikaler zu machen, die sich durch einen übermäßigen kirchlichen Innovationsdrang auf andere Weise im Netz des rein Immanenten verstricken. Insofern erfüllt der Vf. für unterschiedliche „Lager“ weiterhin eine wichtige korrektive Funktion. Auch seine Krisendiagnostik bleibt ungeachtet starker Redundanzen im Anschluss an die bisherigen Bände lesenswert. In anderer Hinsicht erfüllt der Vf. die geweckten Erwartungen nicht: Obwohl Root zu Veranschaulichungszwecken in jedes Kapitel elegant die Erneuerungsgeschichte einer fiktiven Ortsgemeinde einwebt, bleibt er im Blick auf die konkreten Implikationen seines ekklesiologischen Grundgerüsts auch in diesem Band merkwürdig vage. Das hat auch damit zu tun, dass er seine Überlegungen selten biblisch verankert. Trotz des punktuellen Versuchs, das propagierte Warten auf den ganz anderen, unverfügbaren Gott als „aktive Passivität“ zu beschreiben und katechetisch wie homiletisch näher zu bestimmen (143ff, 179ff), wird zu wenig deutlich, welche konkreten Handlungsorientierungen sich im Rahmen eines biblisch profilierten und zukunftsfähigen Gemeindeaufbaus umsetzen lassen. Gut möglich, dass Root selbst eine derartige Forderung bereits als Folge des problematischen Wunsches nach Relevanz und „busy action steps“ (156) betrachten würde. In diesem Sinne muss sich Root m. E. zumindest den Vorwurf gefallen lassen, das Versprechen einer wahrhaft praktischen (d. h. in die Praxis führenden) Ekklesiologie bestenfalls ansatzweise eingelöst zu haben.
Dr. Philipp Bartholomä, Professor für Praktische Theologie an der FTH Gießen