Systematische Theologie

Reinhard Junker / Markus Widenmeyer (Hg.): Schöpfung ohne Schöpfer?

Reinhard Junker / Markus Widenmeyer (Hg.): Schöpfung ohne Schöpfer? Eine Verteidigung des Design-Arguments in der Biologie, Holzgerlingen: SCM Hänssler, 2021, geb., 328 S., € 19,99, ISBN 978-3-7751-6110-7


Dieses Buch hinterfragt die verbreitete Ansicht, dass die Evolutionstheorie naturwissenschaftlich bewiesen sei und dass eine Schöpfungstheorie von vornherein außerhalb der Wissenschaft läge. Die wissenschaftstheoretische Auseinandersetzung damit ist Reinhard Junker seit langem ein Anliegen. Junker kommt von der Biologie her und war bis 2021 bei der Studiengemeinschaft Wort und Wissen beschäftigt. Auf ihn gehen etwa zwei Drittel der Beiträge dieses Bandes zurück, der von ihm und dem Chemiker Widenmeyer herausgegeben wurde. Die – zweifellos vorhandene – theologische Relevanz dieses Themas tritt in diesem Band nur punktuell hervor. Ein Register fehlt.

An wen wendet sich dieser Band? Die 20 Beiträge behandeln Einzelaspekte auf anspruchsvollem Niveau, aber mit vielen Abbildungen. Es wäre zu wünschen, dass Fachleute, die von der Evolution überzeugt sind, diese Beiträge lesen. Das geschieht jedoch kaum, weil in der Öffentlichkeit grundsätzliche Kritik an der Evolutionstheorie mit der Ablehnung der Wissenschaft gleichgesetzt wird. Diese Gleichsetzung ist nicht gerechtfertigt, aber derzeit die gängige Praxis. Also bleiben als potentielle Leser vor allem Sympathisanten einer Schöpfungstheorie. Die Argumente werden hier aber kaum in komprimierter Form dargelegt; die Einleitung (7–10) erläutert das Anliegen grundsätzlich. 

Die einzelnen Beiträge beginnen jeweils mit einer Hinführung zum Thema, wobei vor allem die Ausgangsfrage erläutert wird, teilweise auch die Antwort. In meiner Rezension möchte ich anhand dieser Einstiege den Inhalt der Beiträge kurz umreißen, ohne den Namen des jeweiligen Autors des Beitrages anzugeben (genannte Namen sind die Autoren von Publikationen, auf die sich der jeweilige Beitrag stark bezieht).

In Teil I wird die der Evolutionsbiologie zugrunde liegende Beweisführung hinterfragt. „Fehldarstellungen naturalistischer Ursprungsmodelle“ (13) – weil diese ihre eigenen erkenntnistheoretischen Voraussetzungen nicht offenlegen und jede Kritik an der Evolutionstheorie als Angriff auf die Wissenschaft verurteilen (13–34). In der Naturwissenschaft werden „empirisch gehaltvolle Gesetzmäßigkeiten“ (35) überprüft, was Evolutionstheorien jedoch nicht tun, wenn sie z. B. neue Baupläne erklären wollen (35–64). Carol Cleland thematisierte den Unterschied zwischen experimenteller und naturhistorischer Forschung, etwa in Bezug auf die Falsifizierbarkeit (65–81). Für die „Entstehung von Vogelfeder und Vogelflug“ (83) werden von Evolutionstheoretikern unterschiedliche, einander widersprechende Hypothesen vorgebracht, was zeigt, wie wenig gesichert evolutionstheoretische Erklärungen sind (83–107). Welchen Platz hat Schöpfung, also „willentliche, zielorientierte Handlung“ (109), im Rahmen der Naturwissenschaft? Diese Frage wird in Auseinandersetzung mit Martin Neukamm besprochen (109–124). „Evolution ‚erklärt‘ Sachverhalte und ihr Gegenteil“ (125), woraus sich Zweifel an der Erklärungskraft der Evolutionstheorie ergeben (125–138). Die „Plastizität“ ist kein Evolutionsfaktor, da hier bloß genetisch bereits Vorhandenes zur Entfaltung kommt (139–165). Durch die Konvergenz – nicht selten kommt es zu ähnlichen Konstruktionen von nicht näher verwandten Lebewesen – wird Ähnlichkeit als Hinweis auf gemeinsame Abstammung hinfällig (167–176). Die Zeitschrift Nature publizierte 2014 eine Diskussion über einen etwaigen Änderungsbedarf bei der Evolutionstheorie. Manche Biologen setzten eine Zielorientierung in der Natur voraus, womit sie dem Design-Ansatz nahekommen (177–180). Nach einer berühmten Aussage von Theodosius Dobzhansky (1973) ergibt in der Biologie nichts Sinn außer im Licht der Evolution. Die Begründung dieser Aussage stützt sich auf eine Reihe theologischer Überlegungen (so der Philosoph Stephen Dilley). Dobzhansky meinte z. B., dass ein frei waltender Gott nicht für alle Lebewesen einen einheitlichen genetischen Code erschaffen, sondern variiert hätte (181–184). 

Der Teil II argumentiert für die Berücksichtigung des Design-Ansatzes im Rahmen der Wissenschaft. Der Design-Ansatz rechnet mit geistiger Verursachung von Naturgegenständen, ist also eine Alternative zum Naturalismus, der alles mittels innerweltlicher Prinzipien erklären will. Bei der Beschreibung biologischer Strukturen wird oft von „Funktion“ oder „Zweck“ gesprochen, was den Rückschluss auf „Design“ nahelegt (187–200). Gegen den Design-Ansatz werden zwei Argumente vorgebracht: „Seit Darwin sei ein natürlicher Entstehungsmechanismus bekannt“ (201), und es gäbe bei den Lebewesen Design-Fehler (201–218). Mit Hilfe des sog. Bayes-Schlussverfahrens (zur Abschätzung von Wahrscheinlichkeit von Hypothesen unter Berücksichtigung vorhandener Evidenz) lässt sich eher für als gegen einen Schöpfer argumentieren: „Design-Indizien als Evidenzen“ würden „auch gleichzeitig eine hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit eines geeigneten Schöpfers voraussetzen“ (219; 219–227). Mathias Gutmann und Willem Warnecke (2011; Rezension des Sammelbandes in JETh 28, 2014, 272–275) vertraten die Ansicht, dass „Zwecke“ nicht in der Natur liegen, sondern bloß vom Betrachter zugeschrieben werden, wobei sie das Zweckdienliche in der Natur nicht bestreiten (229–234). Hansjörg Hemminger vertrat die Ansicht, dass Design-Spuren „durch natürliche Prozesse nachträglich verwischt“ (235) werden, wobei er fälschlich auch bloße Muster als Design-Spuren wertet (235–243). Bei der Beschreibung biologischer Strukturen werden oft teleologische Begriffe verwendet, z. B. „Rekrutierung“ oder „Design“. Eine solche Ausdrucksweise legt einen kreativen Ursprung nahe (245–262). Beim Versuch, die Entstehung der Lebewesen durch Evolution zu erklären, bleiben wesentliche Rätsel, die als Hinweis auf einen schöpferischen Ursprung betrachtet werden können. Aber ein solcher Einwand kann bei solchen Rätseln gegen jede Art von Erklärung vorgebracht werden, auch gegen die Festlegung darauf, dass dieses Rätsel sich irgendwann rein naturwissenschaftlich werde erklären lassen (263–273). Manchmal wird in der Biologie von „Fehlkonstruktionen“ gesprochen und generell von einem „unintelligenten Design“ (275; 275–288). 

Der Teil III bringt fünf ausführliche Buchbesprechungen; ich nenne die Namen der Autoren der besprochenen Bücher: Michael Denton sieht sich 2016 in seiner schon früher dargelegten Einschätzung einer Krise der Evolutionstheorie bestätigt: „Die Natur ist im Wesentlichen diskontinuierlich“ (291, Hervorhebung im Original; 291–298). Jerry Fodor und Massimo Piattelli-Palmarini (2010) meinen: „Die Selektionstheorie scheitere darin, die Entstehung neuer Formen zu erklären“ (299; 299–303). Jonathan B. Losos (2018) widmet sich einer oft diskutierten Frage: „Verläuft Evolution langfristig in vorhersehbaren Bahnen“? (305; 305–308). Thomas Nagel (2012) kritisiert den Materialismus als Grundlage der Evolutionstheorie und stützt sich stattdessen auf den Pantheismus (311–315). Erkki V. R. Kojonen (2014) analysiert das Konzept des „Intelligent Design“ (317–323).

Fazit: Die Beiträge des Sammelbandes „Schöpfung ohne Schöpfer?“ argumentieren in mehreren sorgfältig reflektierten Anläufen für den Miteinbezug des auf einen Schöpfer hinweisenden Design-Ansatzes in der Biologie.


Dr. Franz Graf-Stuhlhofer BSc, Lehrbeauftragter an der KPH Wien/Krems für Kirchengeschichte und Dogmatik