Praktische Theologie

Katrin Kusmierz / David Plüss / Angela Berlis (Hg.): Sagt doch einfach, was Sache ist!

Katrin Kusmierz / David Plüss / Angela Berlis (Hg.): Sagt doch einfach, was Sache ist! Sprache im Gottesdienst, Zürich: TVZ, 2023, Pb., 276 S., € 36,–, ISBN 978-3-290-18293-9


Der vorliegende Band „Sagt doch einfach, was Sache ist“ umfasst liturgische und homiletische Aufsätze zur Thematik „Sprache im Gottesdienst“. Das Buch, dessen Vorträge auf eine Fachtagung in Bern zurückgehen, zielt auf die „Erörterung einer neuen, einer erneuerten und zeitgemäßen Sprache im Gottesdienst“ (7). 

Die Beiträge im ersten Teil beschäftigen sich mit den Konturen liturgischer Sprache. Aus unterschiedlichen konfessionellen Perspektiven erfolgt eine einführende Betrachtung gottesdienstlicher Sprachvollzüge. Der reformierte Theologe David Plüss diskutiert einige Kriterien liturgischer Sprache: namentlich Authentizität, Verständlichkeit, Freshness, Relevanz und „not too doctrinal in tone“. Differenziert geht er auf die Chancen und Grenzen eines solchen liturgischen Sprechens ein (21–34). Der Dominikaner Peter Spichtig vergleicht das komplexe Sprachspiel der römisch-katholischen Liturgietradition mit einer alten Villa: „Sie ist altehrwürdig und birgt viele Geheimnisse. Sie ist heimelig-zärtlich, – aber auch nervig, unpraktisch und renovationsbedürftig“ (35). Gleichwohl plädiert er für das Beibehalten einer mystagogischen Sprechweise, die (mit Ausnahme von Predigt und Fürbitte) nicht um der Verständlichkeit willen vereinfacht oder aktualisiert werden darf (35–55). Im Gegensatz dazu beschreibt der Praktische Theologie Stefan Schweyer die alltagsnahe Sprache freikirchlicher Gottesdienste: Mit seinen empirischen Analysen und theologischen Reflexionen enthüllt er die Sprache in Freikirchen als informell, engagiert und eindeutig (57–73). Alexander Deeg schließt den ersten Teil des Bandes mit allgemeinen Fragestellungen zur Sprache im Gottesdienst ab. Kritisch streift der Lutheraner die Themen von liturgischer Moderation, Homiletisierung der Liturgie und Ritualisierung der Predigt, Konventionalität und semantischer Reduktion (75–89).

Im zweiten Teil gehen Christoph Weber Berg (93–106) und Hildegund Keul (107–122) in ihren systematisch-theologischen Aufsätzen auf die Wirkkräfte liturgischer Sprache ein. Hilfreich differenziert Weber Berg zwischen empirischen, logischen und metaphysischen Wahrheiten – letzteres betrifft die kirchliche Sprachfähigkeit und stellt sie vor Herausforderungen. Zudem unterscheidet er zwischen drei Schichten von Religion – Oberflächen- (metaphysisch), Zwischen- (logisch) und Tiefenschicht (rational) – und plädiert für eine Erneuerung der Sprachfähigkeit in der mittleren Schicht. Der Aufsatz der römisch-katholischen Theologin Keul nimmt Bezug auf die aufgedeckten Missbräuche und Verletzungen in der Kirche, die zu lange verschwiegen und relativiert wurden. Sie plädiert für eine liturgische Sprache, die für Menschen in ihrer Verletzlichkeit zugänglich wird. 

Im dritten Teil stehen die Variationen liturgischer Sprache im Vordergrund: Susanne Oberholzer geht auf ihre empirische Studie zu Dialekt und Hochdeutsch in Deutschschweizer Kirchen ein (125–151). Anne Gidion wirbt für eine leichtere Sprache und ein Aufbrechen verdichteter, liturgischer Formeln in Gottesdiensten (127–161). Mathias Kissel gibt tiefe Einblicke in das sprachliche und theologische Kunstwerk des Nunc Dimittis in der Übersetzung Martin Luthers (163–185).

Im vierten und letzten Teil stehen die Konturen der Predigtsprache im Vordergrund. Damit die Predigt Relevanz bekommt, sind heute „die Verkündigungsformen je nach Situation und dem Interesse der Beteiligten anzupassen“ (193), so Franziska Loretan. In ihrem Aufsatz hebt sie zurecht den dialogischen, involvierenden und bedeutungsvollen Charakter der Predigt hervor (189–210). Katrin Kusmierz geht in ihrem Aufsatz auf die Bildhaftigkeit der Predigt als Ganzes ein: Dabei geht es ihr, in Anlehnung an die Dramaturgische Homiletik, um ein Verständnis von Bildern als Szenen, Handlungen, bewegten und bewegenden Bildern (211–230). Magdalene Frettlöh nimmt in ihrem Beitrag eine Predigtanalyse zu einer Osterpredigt von Friedrich-Wilhelm Marquardts vor, um ihre Theorie einer olfaktorischen Homiletik zu prüfen und zu stützen (2Kor 2,14). Dabei legt sie dar, wie das Evangelium von Ostern mit Worten zum Duften und Leuchten gebracht werden kann und welche Schwierigkeiten damit einhergehen (231–256). Der Sammelband schließt mit einem Beitrag zum Form-Inhalt-Zusammenhang der Predigt. Dieser wurde von den vier jungen Theologinnen und Theologen Manuel Joachim Amstutz, Laura Klingenberg, Dominik von Allmen-Mäder und Evelyne Zinsstag verfasst (257–271). Die vier Autorinnen und Autoren halten fest: „Es gibt eine heutige, aktuelle, alltagsnahe Sprache per se nicht. Sie entsteht beim Sprechen jeweils dort, wo ein Prediger, eine Predigerin entlang von Form und Inhalt der evangelischen Botschaft […] stilvoll und wagemutig die Zwiesprache Gottes mit der Gemeinde moderiert“ (269).

Der von Katrin Kusmierz, David Plüss und Angela Berlis herausgegebene Band überzeugt mit einer Vielfalt von Aufsätzen zu unterschiedlichen liturgischen und homiletischen Themen, die allesamt interessante Einblicke, gelungene Überlegungen und innovative Vorschläge zur Sprache im Gottesdienst geben.


Manuel Gräßlin, Karlsruhe