Systematische Theologie

Barbara Drossel (Hg.): Naturwissenschaftler reden von Gott

Barbara Drossel (Hg.): Naturwissenschaftler reden von Gott, Gießen: Brunnen, 2016, Pb., 152 S., € 13,–, ISBN 978-3-7655-2046-4 (Buch), 978-3-7655-7370-5 (E-Book)

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In dem von der Physikprofessorin Barbara Drossel herausgegebenen Buch kommen neun zeitgenössische Naturwissenschaftler mit persönlichen Berichten zu Wort, darunter auch die Herausgeberin selber. Sie schildern, wie sie ihr Fachgebiet und ihre wissenschaftliche Arbeit mit ihrem persönlichen Glauben an Jesus Christus bzw. den in der Bibel sich offenbarenden Gott zusammenbringen. Als gemeinsames Motiv verbindet die Autoren, dass „Glaube und Wissenschaft verschiedene Aspekte der Wirklichkeit beleuchten und einander gut ergänzen“ (7, Vorwort). Die Autoren kommen aus den Fachgebieten Astrophysik, Geologie, Biologie, Chemie, Medizin und Physik, es handelt sich (in der Reihenfolge der Beiträge) um Alister McGrath, Peter C. Hägele, Joan Centrella, Siegfried Scherer, Barbara Drossel, Francis Collins, Monika Schönhoff, Jonathan Sleeman und Robert White. Fünf Beiträge entstammen dem 2009 von R. J Berry unter dem Titel Real Scientists – Real Faith herausgegebenen englischen Original; die vier weiteren Beiträge sind für die vorliegende deutsche Ausgabe neu verfasst worden.

In den neun Berichten kommen einige Elemente mehrfach, z. T. fast durchweg vor. So berichten viele davon, dass sie mit einem Erstaunen konfrontiert werden, wenn Kollegen davon hören, dass sie als Naturwissenschaftler an Gott glauben. Die Meinung, beides zusammen vertrage sich nicht, scheint in der akademischen Welt und darüber hinaus sehr weit verbreitet zu sein. Vermutlich hängt das damit zusammen, dass „Naturwissenschaft“ fälschlicherweise mit „Naturalismus“ und auch pauschal mit „Evolution“ gleichgesetzt wird. Ein Indiz dafür ist, dass in den meisten Beiträgen Richard Dawkins genannt wird, der diese Auffassung bekanntlich offensiv und publikumswirksam propagiert. Viele Autoren berichten von Umbrüchen in ihrem Leben, einige von anfänglichem Glauben durch Prägung in ihrem christlichen Elternhaus, einer Abkehr davon und einer erneuten und dann bleibenden Umkehr. Die einzelnen Berichte unterscheiden sich darin, wie eng der persönliche Glaube an Jesus Christus mit dem eigenen Fachgebiet zusammenhängt, welche Konflikte es auf diesem Gebiet gab und wie diese – wenn überhaupt – gelöst wurden. Bei Siegfried Scherer ist dieser Zusammenhang sehr eng und das ziemlich durchgängige Thema seiner recht persönlich gehaltenen Ausführungen, bei anderen scheint er weniger prägend (gewesen) zu sein. Entsprechend ist der Einfluss des eigenen Fachgebietes auf das Leben im Glauben und damit verbundene Konflikte bei den neun Autoren verschieden stark ausgeprägt. Bei einigen sind die Ausführungen über die Spannungen zwischen Naturwissenschaft und Glauben eher akademischer Natur. So gesehen sind die persönlichen Berichte recht vielseitig, in einigen Fällen allerdings wenig ergiebig in Bezug auf die Frage, wie und warum man gerade als Naturwissenschaftler an den in der Bibel bezeugten Gott glaubt.

Fast alle Autoren thematisieren ihre Einschätzung der Evolutionslehre, auch diejenigen, die in ihrer wissenschaftlichen Arbeit wenig mit Ursprungsfragen konfrontiert sind. Das ist kein Zufall, schließlich sind die Fragen nach Ursprung und Geschichte der Schöpfung genuin christliche Themen und „Schöpfung“ hängt in der Bibel mit vielen anderen Themen eng zusammen. Hier haben bis auf Siegfried Scherer alle Autoren keine Probleme (mehr) damit, eine evolutionäre Weltsicht anzuerkennen, und auch er schließt eine Evolution aller Lebewesen nicht kategorisch aus (65). Jonathan Sleeman vermerkt immerhin ausdrücklich, dass bei der Entstehung des ersten Lebens ein „kreativer Schöpfungsakt“ die „einzig sinnvolle Erklärung“ zu sein scheint (131). Es genügt den meisten Autoren offenbar, Gottes Schöpfung ex nihilo im Sinne des Hervorbringens der Materie und der ausgefeilten und feinabgestimmten Naturgesetze zu bezeugen, die eine Evolution des Kosmos und auch der Lebewesen ermöglicht hätten (z. B. Hägele, 32). Keiner der Verfasser geht auf die Fragen ein, die sich aus der weitgehenden oder völligen Akzeptanz einer allgemeinen Evolution aller Lebewesen, auch der Menschen, ergeben: Was ist mit der Erschaffung des Menschen, die Jesus Christus ausdrücklich buchstäblich bestätigt (Mt 19,3ff: „Habt ihr nicht gelesen …“), was ist mit dem Zusammenhang Adam – Christus nach Röm 5,12ff und 1Kor 15,20ff, warum betont Paulus auch den heidnischen Athenern gegenüber, dass Gott aus einem einzigen Menschen das ganze Menschengeschlecht erschaffen hat? Die Liste ließe sich fortsetzen. Wohl nicht nur der Rezensent wird das Buch zumindest im Hinblick auf diese Fragen enttäuschend finden. Zwar gibt es viele Befunde, die als Belege für Evolution gelten können – für Barbara Drossel sind sie vollkommend überzeugend (75) und für Francis Collins überwältigend (89) – aber was ist mit den vielen Gegenargumenten und systematisch unpassenden Befunden, die nur bei Siegfried Scherer ein wenig zur Sprache kommen? Der Mainstream schlägt in Sachen „Evolution“ fast voll durch. Peter C. Hägele bedauert, dass Christen sich hier so schwer einigen können (30) – sprich sich nicht mit dem Mainstream anfreunden.

Selbst der theologisch unspezifische Ansatz des „Intelligenten Designs“ kommt bei Francis Collins sehr schlecht weg und wird mit fragwürdigen und teilweise untauglichen Argumenten regelrecht vom Tisch gefegt, auch unter Einsatz von Polemik. So behauptet er, es werde mit dem „Lückenbüßer“-Gott argumentiert, was sachlich falsch ist und ein offenbar unausrottbares Vorurteil darstellt. Die Meinung, es handle sich bei „Intelligent Design“ um „schlechte Theologie“ (93), ist verbreitet, aber ebenfalls falsch, da theologische Aussagen bei diesem Ansatz keinerlei Rolle spielen. Und die Meinung, es handle sich um „schlechte Wissenschaft“, stellt den wissenschaftstheoretischen Grundsatz in Frage, dass Wissenschaft ergebnisoffen sein sollte. Genau diese Ergebnisoffenheit ist das Anliegen des Design-Ansatzes und genau diese wird nicht nur vom Naturalismus, sondern – wie auch in diesem Buch bestätigt –unter Berufung auf theistische Evolutionskonzeptionen de facto bestritten.

Eine Einsicht, die Alister McGrath äußert, sei besonders hervorgehoben: „Da die wissenschaftliche Methode offensichtlich nicht notwendigerweise zum Atheismus führt, müssen jene, die unter Berufung auf die Wissenschaft den Atheismus verteidigen, eine Reihe von nicht belegbaren, metaphysischen Annahmen in ihre Beschreibung der Wissenschaft einfließen lassen, und hoffen, dass niemand diesen intellektuellen Taschenspielertrick bemerkt“ (17). Hilfreich erscheinen McGraths Ausführungen zu Methodenfragen, insb. zum Thema Gottesbeweise. Das Konzept „Beweis“ ist in empirischen und erst recht historischen Wissenschaften zu hoch gehängt (nicht nur im Hinblick auf die Frage nach der Existenz Gottes), vielmehr lässt sich lediglich die Frage beantworten, zu welcher Weltsicht die naturwissenschaftlichen Befunde besser passen. Vor diesem Vergleich müssen sich Christen als Naturwissenschaftler wahrhaftig nicht scheuen.

In den neun Berichten stehen persönliche Werdegänge und Erlebnisse im Vordergrund, aber auch wissenschaftlich-systematische Fragen werden öfter aufgeworfen und abgehandelt. Die Autoren geben zu diesen Sachfragen zwar einige Anregungen zum Weiterdenken mit, diese werden aber aus Sicht des Rezensenten teilweise – wie angedeutet – nur unbefriedigend andiskutiert.

 

Dr. Reinhard Junker, Mitarbeiter der SG Wort und Wissen e. V., Baiersbronn

 

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