Neues Testament

Jürg Buchegger-Müller: Die Briefe des Johannes

Jürg Buchegger-Müller: Die Briefe des Johannes, Historisch Theologische Auslegung, Holzgerlingen: SCM R. Brockhaus, 2023, geb., 1048 S., € 73,–, ISBN 978-3-7655-9739-8


Dr. Jürg Buchegger-Müllerist Pastor einer Freien evangelischen Gemeinde in der Schweiz und unterrichtete an verschiedenen Einrichtungen in Belgien, der Schweiz und Österreich Theologie, u. a. am IGW, der STH, TSC und der ETF in Leuven. Nach einem Theologiestudium an der FETA bzw. STH in Basel, studierte er in Deerfield, USA, und in Leuven, Belgien, weiter. Für seine Dissertation wurde ihm im Jahre 2021 der Johann-Tobias-Beck-Preis verliehen.

Buchegger-Müllers Beitrag über die Johannesbriefe ist ein weiterer Schritt zur Vervollständigung der HTA-Reihe, die eine große Lücke im deutschsprachigen wissenschaftlichen Diskurs schließt. Dabei ist festzustellen, dass sein Werk schon allein aufgrund seines Umfangs und der Detailtiefe einzigartig ist: Der Kommentar von Dietrich Rusam (Botschaft des Neuen Testaments) hat beispielsweise einen Umfang von lediglich 200 Seiten, der Kommentar von Udo Schnelle (ThHK) immerhin 250 Seiten. So bemerkt Buchegger-Müller in seinem Vorwort: „Ich kann daher nachvollziehen, dass die drei Briefe in der Gefahr stehen, neben den übrigen Texten des Neuen Testaments unterzugehen und ungehört zu bleiben.“ (25) Trotzdem kann er allein rund 480 Kommentare und „uns noch bekannte Auslegungen über die JohBriefe“ (234) auflisten.

Das Werk ist auf dem neuesten Stand der Forschung und behandelt alle drei Johannesbriefe (Teile A, B und C), jeweils mit der Behandlung der Einleitungsfragen und der Auslegung. Hervorzuheben ist, dass die Einleitungsfragen für jeden Text gesondert betrachtet werden, wobei die zum ersten Johannesbrief ausführlicher ausfällt, einen Beitrag zur Forschungs- und Auslegungsgeschichte der Johannesbriefe beinhaltet und ggf. mit Vor- und Rückverweisen für die anderen Texte gearbeitet wird (29).

Für drei so kurze neutestamentliche Briefe fällt die Kommentierung und Diskussion nicht nur sehr detailliert aus, sondern auch sehr kenntnisreich. Dabei bezieht Buchegger-Müller – und das ist außerordentlich zu würdigen – auch aktuelle Diskussionen, z. B. zum Jesusbild des Korans, ein. Er schreibt:

Die Eckpunkte meiner Auslegung lassen sich so zusammenfassen: Der 1Joh entstand auf dem Hintergrund der Erfahrung des Weggangs (1Joh 2,19) einiger Personen aus der christlichen Gemeinschaft. Der 2. und der 3. Johannesbrief sind zwei Privatbriefe, die in dieses Umfeld passen könnten. (27)

Die gründliche Arbeit vertieft sich in verschiedenen Exkursen, z. B. zu den Vorschlägen für die „Gegnerprofile“ im 1Joh, zu den Begriffen „Wort des Lebens“, κοινωνία, oder zur Familienmetaphorik. Buchegger-Müller geht detailliert auf Textkritik und Struktur des Textes eins, die Einzelexegese ist sehr ausführlich und nah am Grundtext. Manche Ausführungen sind eher von akademischem Interesse und nicht unbedingt zum Textverständnis nötig, haben aber in diesem Werk trotzdem ihren richtigen Platz. Die Zusammenfassung der einzelnen Abschnitte liefert einen wichtigen Beitrag zum Anliegen der Reihe, auch für die gemeindliche Praxis und kirchliche Gegenwart relevant zu sein. Die Diskussion mit dem Islam stehen nicht immer prominent im Vordergrund (z. B. 644).

Bemerkenswert an diesem Buch sind neben einer Fülle von verständnisfördernden Textschaubildern auch die Illustrationen des Autors (z. B. 604, 845). Allerdings ist es sehr schade, dass der Verlag diese Abbildungen nicht in Fließobjekten mit Bildunterschrift versehen hat und deshalb im Text darauf nicht direkt Bezug genommen werden kann. Wie bei der ganzen HTA-Reihe spiegelt sich die Qualität des Inhalts leider nicht im Textsatz wider. Dieser ist zwar gut lesbar, aber eher lieblos und vor allem mit etlichen typografischen Schnitzern ausgeführt worden. Dies ist aber dem Autoren nicht anzulasten und schmälert den Wert des vorliegenden Buches nicht.

Das empfehlenswerte Werk ist in deutscher Sprache verfasst, sprachlich äußerst zugänglich, auch wenn es sich eher an Fachkundige und nur am Rande an Laien richtet. Aber auch der interessierte Laie wird den Kommentar mit großem Gewinn lesen können und einen tiefen Einblick in die aktuelle Forschung finden. Dieser Gewinn kann hier nur ansatzweise gewürdigt werden. Ein Verzeichnis der Exkurse, ein Literaturverzeichnis, ein Autorenregister sowie ein Sach- und Namensregister rundet das Werk ab; ein Abkürzungsverzeichnis wird dem Werk vorangestellt.


Dr. Jens Dörpinghaus, University of Pretoria, Faculty of Theology and Religion, Pretoria, South Africa