Systematische Theologie

William Lane Craig / Erik J. Wielenberg: A Debate on God and Morality. What is the Best Account of Objective Moral Values and Duties?

William Lane Craig / Erik J. Wielenberg: A Debate on God and Morality. What is the Best Account of Objective Moral Values and Duties?, New York: Routledge, 2021, Pb., XII+234 S., € 40,–, ISBN 978-0-367-13565-2


Am 23. Februar 2018 debattierten William Lane Craig und Erik J. Wielenberg an der North Carolina State University über der Frage: „What is the Best Account of Objective Moral Values and Duties?“ („Was ist die beste Erklärung für objektive moralische Werte und Pflichten?“). Craig argumentierte, dass der Theismus eine solide Grundlage für objektive Moral bietet, während der Atheismus dies nicht tut. Wielenberg entgegnete, dass Moral auch ohne Gott objektiv sein kann.

Der Verlag Routledge entschied sich aufgrund des unerwartet hohen Interesses für eine Herausgabe des Werkes, welche die vollständige Debatte, sowie Endnoten mit ausführlichen Diskussionen enthält, die in der Debatte nicht enthalten waren. Ein Kapitel beinhaltet jeweils eine Rede der Philosophen. Bei der Debatte kamen beide viermal zu Wort, anschließend gab es noch eine Fragerunde mit dem Moderator. Darüber hinaus enthält das Buch nun fünf Kapitel von anderen Philosophen, die substanzielle Antworten auf die Debatte verfasst haben. Den personalen moralischen Realismus vertreten dabei die christlichen Apologeten J. P. Moreland, David Baggett und Mark Linville. Wes Morriston und Michael Huemer sind mit ihren Essays dagegen Verfechter eines apersonalen moralischen Realismus.

Das Buch bietet grundlegende und weiterführende Ressourcen für ein besseres Verständnis des moralischen Realismus und seiner Abhängigkeit von bzw. Unabhängigkeit von theistischen Grundlagen. Die beiden Philosophen untersuchen, welche Sichtweise die beste Erklärung für eine objektive Moral liefert. Dieses Buch behandelt also nicht die Frage, ob es eine objektive Moral gibt. Unabhängig von ihren atheistischen und theistischen Perspektiven setzen die Autoren eine objektive Moral voraus. Vielmehr behandelt dieses Buch die Frage, ob Craigs theistische Sichtweise eine bessere Erklärung der objektiven Moral liefert als Wielenbergs atheistische Sichtweise. Beide Autoren vertreten eine realistische Auffassung von Moral, das heißt, dass Moral unabhängig vom Menschen als eine konkrete Realität besteht. Dabei ist „konkret“ als Gegenstück zu dem philosophischen Adjektiv „abstrakt“ zu verstehen. Die beiden Grundansichten lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Der christliche Apologet Craig, Professor an der Biola Universität bei Los Angeles, vertritt eine theistische Sichtweise, die sich vorwiegend an den Arbeiten von Robert Adams und William Alston orientiert. Nach Craigs Ansicht werden moralische Verpflichtungen durch Gottes Gebote bestimmt und moralische Werte durch Gottes Natur erklärt (Divine Command Theory). Die Idee dahinter ist, dass eine moralische Tat nur dann moralisch verpflichtend sei, wenn Gott sie befiehlt (31). Ebenso ist etwas nur dann moralisch gut, wenn es in relevanter Weise der Natur Gottes ähnelt. Craig argumentiert, dass Gott wesentlich für die Erklärung der Moral ist, da moralische Eigenschaften nur aufgrund von Gottes Geboten und Natur existieren. Dabei ist anzumerken, dass die Befehle und Gesetze Gottes eben nicht nur durch die Bibel oder in hörbar-direkter Weise zu den Menschen gelangen können, sondern in das Herz der Menschen geschrieben sind (Röm 2,14–16). Ein weiteres Hauptargument ist bei Craig, dass er nicht-natürlichen Dingen eine konkrete Realität zumisst. Er behauptet, dass Wielenberg dies nicht tun kann, da er ohne Theismus einer platonischen Ansicht verpflichtet sei. Mit Platonismus bezieht er sich dabei auf die Ansicht, dass abstrakte Objekte existieren. Wielenberg vertritt diese Auffassung nicht, wie aus den Fußnoten und seinem späteren Antwortaufsatz hervorgeht. Hier wäre es um der Verständlich-keit willen hilfreicher gewesen, wenn das Problem des Platonismus im Voraus geklärt worden oder ganz ausgelassen worden wäre.

Wielenberg, Professor für Philosophie an der DePauw Universität in Greencastle, Indiana, vertritt eine atheistische Sichtweise, die er als gottlosen, normativen Realismus bezeichnet. Seine Sicht ist eine Kombination aus Atheismus und robustem normativem Realismus. Dieser besagt (anders als der naturalistische Atheismus), dass moralische Eigenschaften nicht-natürliche, irreduzible Eigenschaften von Dingen sind, die unabhängig von uns existieren (40). Zentral für Wielenbergs Auffassung ist die Idee, dass nicht-moralische Eigenschaften moralische Eigenschaften hervorbringen. Seine bekannteste Metapher für diese Sichtweise ist ein in Flammen stehendes Kind. Das Kind schreit vor Schmerz und weit und breit ist kein Mensch zu sehen. Neben dem Kind steht nun zufälligerweise ein großer Behälter mit Wasser. Jeder Mensch, der nun vorbeiläuft, sei moralischer verpflichtet, die Flammen zu löschen und so das Leben dieses Kindes zu retten (39). Wielenberg bietet jedoch keine plausible Erklärung dafür, warum nicht-moralische Eigenschaften wie der Wasserbehälter im Beispiel moralische Eigenschaften hervorbringen können. Es handle sich hierbei um eine bloße Tatsache der Realität (42). Nach Wielenbergs Ansicht ist Gott somit nicht notwendig, um die Moral zu erklären, da nicht-moralische Eigenschaften moralische Eigenschaften hervorbringen. Des Weiteren hat Wielenberg keine substantielle Erklärung dafür, wie man wissen kann, welche Eigenschaften eine moralische Pflicht hervorrufen. Woher weiß der Mensch, welchem konkreten Objekt er eine moralische Pflicht ablesen muss? Zudem bietet Wielenberg keine Grundlage dafür, warum ein Kind rettungsbedürftiger ist als ein Bündel Zeitungen. Was gibt einem Menschenleben mehr Wert als alten Zeitungen?

Die Argumente beider Seiten sind prägnant dargestellt, jedoch erschweren teilweise die unnötig aufgeblähten Satzkonstruktionen das Verständnis. Es werden sehr gute Kenntnisse metaethischer Konzepte vorausgesetzt, die durch eine Enzyklopädie der Philosophie oder ähnliches erlangt werden können. Das Buch bietet eine wertvolle Debatte darüber, ob Gott die beste Erklärung für objektive Moral ist oder nicht. Die fünf zusätzlichen Artikel enthalten wichtige Gedanken und Argumente, denen bei der Debatte selbst zu wenig Beachtung geschenkt oder die ganz vergessen wurden. Das Buch bietet somit eine breite Basis, um sich vertieft mit dem Thema zu beschäftigen. Theisten und Atheisten treffen selten aufeinander, um einen Abend lang zu debattieren. Das Buch eignet sich daher gut für ein gemeinsames Lesen, eventuell sogar zusammen mit Atheisten und Theisten.


Joshua Ganz, Pastor und Armeeseelsorger, Winterthur, Schweiz