Systematische Theologie

Daniel J. Treier / Douglas A. Sweeney (Hg.): Hearing and Doing the Word. The Drama of Evangelical Hermeneutics in Honor of Kevin J. Vanhoozer

Daniel J. Treier / Douglas A. Sweeney (Hg.): Hearing and Doing the Word. The Drama of Evangelical Hermeneutics in Honor of Kevin J. Vanhoozer, London, New York: T&T Clark, 2021, Pb., x+348 S., US $36,85, ISBN 978-0-5676-6265-1


Die Festschrift für Kevin J. Vanhoozer, herausgeben anlässlich seines 65. Geburtstags, bietet sowohl in ihrer Gänze als auch in Teilen eine relevante Einführung in und Auseinandersetzung mit dem noch nicht abgeschlossen Gesamtwerk von Kevin Vanhoozer. Der Titel Hearing and Doing the Word knüpft an sein Interesse an einer biblischen Hermeneutik und das Anliegen an, dass ein theologisches Verstehen von Gottes Wort auch die Praxis prägen soll. Die Festschrift steht im Zeichen des Dialogs mit seiner Hermeneutik und hofft, auch für die Zukunft das „faithful hearing and doing of God’s Word“ (1) zu fördern.

Der einleitende Aufsatz von Daniel Treier zeigt, warum es sich lohnt, sich mit Kevin Vanhoozer auseinanderzusetzen. Er ordnet das Wirken und die Veröffentlichungen von Vanhoozer in die historische Entwicklung der Hermeneutik als Thema evangelikaler Theologie ein. Ihre Anfänge verortet er am Ende der 1960er Jahre und in einer Auslegung, die im Gefolge der Arbeiten von Eric Donald Hirsch Jr. die Intentionen des Autors ins Zentrum stellte. Auch wenn dieser Ansatz prägend blieb, beeinflussten in den folgenden Jahrzehnten Hans-Georg Gadamer und Paul Ricoeur die evangelikale Hermeneutik. Anthony Thiselton war es in den frühen 80er Jahren zu verdanken, dass Gadamers Denken positiver rezipiert wurde und text- bzw. leserorientierte Aspekte mehr Aufmerksamkeit bekamen (3). Während Treier in Thiselton den „senior statesman and encyclopedic resource“ (4) einer evangelikalen Hermeneutik sieht, bezeichnet er Vanhoozer als „senior theologian and a primary source of its operational vocabulary“ (4). Treier unterteilt das Wirken von Vanhoozer in drei Phasen. Von 1986–98 ist seine Arbeit geprägt vom Dialog mit der philosophischen Hermeneutik und von der Frage, was es bedeutet, eine biblische Hermeneutik und Theologie zu entfalten. In diese frühe Phase fällt die Dissertation Vanhoozers in Cambridge (Biblical Narrative in the Philosophy of Paul Ricoeur. A Study in Hermeneutics and Theology, 1990). Zum Abschluss kommt die Phase 1998 mit der Publikation von Is There a Meaning in This Text? The Bible, the Reader, and the Morality of Literary Knowledge. Die zweite Phase von 1998 bis 2005 hat einen stärkeren theologischen Fokus. Vanhoozer publiziert in dieser Zeit seine wichtigen Werke First Theology. God, Scripture, and Hermeneutics (2002) und The Drama of Doctrine. A Canonical-Linguistic Approach to Christian Theology (2005). In der dritten und noch unvollendeten Phase seines Wirkens setzt Vanhoozer den Dialog mit der Dogmatik fort. Treier hebt als wichtigste Veröffentlichung das 2010 veröffentlichte Werk Remythologizing Theology. Divine Action, Passion, and Authorship hervor.

Die weiteren Beiträge der Festschrift gliedern sich in drei Teile mit jeweils sechs Artikeln. Der erste Teil der Festschrift handelt thematisch vom „Biblical Script“ (21) und ist inspiriert vom Vanhoozers Interesse am biblischen Kanon. Iain Provan beschäftigt sich mit der Hermeneutik der Textkritik, V. Philips Long mit der Entschlüsselung von impliziten Botschaften des biblischen Textes. Karen H. Jobes interpretiert die Zitate aus der Septuaginta im Hebräerbrief im Kontext der für Vanhoozer wichtigen Theorie der Sprechakte. Robert H. Gundry, ein Lehrer Vanhoozers aus seinen ersten Studienjahren am Westmont College in Kalifornien (303), argumentiert, dass die Unterschiede zwischen dem Johannesevangelium und den Synoptikern das Ergebnis einer bewussten Rückdatierung („backdating“, 75) durch Johannes seien. Graham A. Cole steuert einen Aufsatz über den Satan als den großen Antagonisten im biblischen Theodrama bei. Robert W. Yarbrough beschäftigt sich mit der Bedeutung des Martyriums innerhalb von Vanhoozers Theologie und vergleicht sie mit der Theologie von Martin Albertz, einem durch die Nazis verfolgten deutschen Neutestamentler.

Der zweite Teil steht unter der Überschrift „Great Performances“ (111) und greift historische Beispiele für die Auseinandersetzung mit der Bibel als heiliger Schrift auf. Die Beiträge widmen sich neben Basilius von Cäsarea (Darren Sarisky), Thomas von Aquin (Matthew Levering), Johannes Calvin (Scott M. Manetsch) auch John Wesley (Thomas McCall) und Karl Barth (Stephen M. Garrett). Gregory W. Lee widmet sich Augustinus und seinem Umgang mit der Bibel. Mit Augustinus kommt ein wichtiger Einfluss für Vanhoozers Arbeit zur Sprache. Bereits im einleitenden Aufsatz machte Treier deutlich, wie wichtig der augustinische Ansatz von „faith seeking understanding“ (7) für Vanhoozer ist. Lee zeigt dann, wie die Schriftlehre Augustins ihren Nachhall bei Vanhoozer findet (142).

Im dritten Teil „Theodrama Today“ (204) greifen die Autoren verschiedene Themen von Vanhoozers Arbeit auf. Scott R. Swain befasst sich mit der Frage, ob und wie das trinitarische Taufbekenntnis für die Auslegung der Bibel ein hilfreiches oder hinderliches Vorverständnis darstellt. Michael Allen analysiert kritisch die erneuerte Bedeutung der (ökonomischen) Trinitätslehre für die Systematische Theologie im Gefolge von Karl Barth, Karl Rahner, Jürgen Moltmann und Kevin Vanhoozer bzw. die für ihn nicht unbedenkliche Tendenz, andere Themenfelder aus einer trinitarischen Perspektive zu betrachten. Michael Horton entfaltet in seinem Aufsatz Paul Ricoeurs Beitrag zu einer theologischen Hermeneutik und besonders zur Idee der Kirche als „creatura verbi“ (236). Hans Madueme entfaltet die biblische Begründung und die bleibende theologische Bedeutung der augustinischen Lehre einer „original guilt.“ Elizabeth Y. Sung widerspricht mit Berufung auf Vanhoozers kanonisch-linguistischen Ansatz einer patristischen Taufwiedergeburtslehre in der Auslegung von Johannes 3,3–6. Sie betont das göttliche Handeln in der Geistes-Taufe und unterscheidet sie von der kirchlichen Taufpraxis. Jeremy Begbie befasst sich schließlich damit, welche Bedeutung das laute Lesen und Vorlesen biblischer Texte für die Auslegung der Bibel hat. Zusätzlich schlägt er vor, dass der von John Puddefoot entwickelte „Resonance Realism“ (295) ein hilfreiches Modell für Vanhoozers epistemologische Haltung in seiner biblischen Hermeneutik sein könnte. Die Festschrift endet mit einem Aufsatz von Douglas Sweeney. Er enthält ergänzende Informationen zum Werdegang von Vanhoozer und gibt einen Überblick über die enthaltenen Beiträge.

Die Festschrift zeigt beispielhaft die vielfältigen Möglichkeiten, wie der Dialog mit Kevin Vanhoozer die theologische Arbeit befruchten kann. Die Beiträge stammen aus den Federn von Freunden, Kollegen und Weggefährten von Vanhoozer. Dabei kommen nicht nur evangelikale Exegeten und systematische Theologen zu Wort, sondern auch katholische Forscher. Gleichzeitig wird mit Blick auf die Auswahl der Mitwirkenden deutlich, dass trotz Vanhoozers PhD in Cambridge und seiner Lehre in Edinburgh keine kontinentalen Autoren einen Beitrag leisten. Dies deckt sich mit dem Befund, dass es dem Rezensenten nicht möglich war, im Jahrbuch für Evangelikale Theologie oder den AfeT-Rezensionen ein Werks von Vanhoozer zu entdecken. Die Festschrift könnte also gerade innerhalb der deutschsprachigen evangelikalen Theologie eine Einladung sein, den Dialog mit Vanhoozer zu suchen. Dies gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass Vanhoozer für 2024 die Publikation von Mere Christian Hermeneutics. Transfiguring What it Means to Read the Bible Theologically angekündigt hat.


Daniel Vassen, Doktorand an der ETF in Leuven im Fachbereich Systematische Theologie und Pastor des focusC in Chur (Schweiz).