Matthias Clausen: Evangelistisch predigen. Grundlagen und Praxis einladender Verkündigung
Matthias Clausen: Evangelistisch predigen. Grundlagen und Praxis einladender Verkündigung, TVG-Lehrbücher, Gießen: Brunnen, 2023, Paperback, 172 S., € 25,–, ISBN 978-3-7655-9583-7
Evangelisation gehört „in die Mitte von Kirche und Gemeinde und damit auch in die Mitte der theologischen Ausbildung“ (9) – diese Überzeugung bringt Matthias Clausen ganz „unapologetisch“ gleich im Vorwort zum Ausdruck. Entsprechend ist es ihm ein Anliegen, „die zentrale Bedeutung von evangelistischer Predigt aufzuzeigen und sie zugleich theologisch zu verantworten“ (ebd.). Der Vf. ist Inhaber der Karl Heim-Professur für Evangelisation und Apologetik an der Ev. Hochschule Tabor (Marburg) sowie Theologischer Referent des Instituts für Glaube und Wissenschaft und hat sich bereits in seiner 2010 erschienenen Dissertation aus homiletischer Perspektive mit Evangelisation unter nachmodernen Bedingungen auseinandergesetzt. Das vorliegende Lehrbuch verbindet somit fruchtbar die Ergebnisse intensiver Reflexion über die glaubensweckende Verkündigung mit der jahrelangen Praxiserfahrung des Vf.s als Hochschulevangelist.
In einem ersten Teil (11–31) benennt Clausen die „Ausgangspunkte“ seines Verständnisses von Evangelisation und evangelistischer Predigt. Dabei setzt er Evangelisation in ein stimmiges Verhältnis zu anderen Dimensionen missionarischen Wirkens und arbeitet die zentralen Kennzeichen evangelistischer Predigt heraus: Diese teile mit jeglicher Predigt die Erwartung von Gottes Reden und die Bindung an die Bibel, lade aber als „Sonderfall von Predigt“ (18) deutlich intentionaler zum Glauben an das Evangelium ein. Dabei will der Vf. Evangelisation nicht als „ergebnisunsicher“ oder „ergebnisoffen“ beschreiben, sondern als „Ergebnis hoffend“ und in diesem Sinne „zielorientiert in ihrer Kommunikation, zugleich demütig und erwartungsvoll vor Gott, um dessen Wirken sie bittet“ (28).
Daran anknüpfend geht Clausen in einem zweiten Hauptteil (33–96) an Grundfragen und „heißen Eisen“ werbender Verkündigung entlang und macht deutlich, dass evangelistische Predigt a.) auf einem ausgewogenen Verständnis der Grundzüge des Evangeliums beruht (33–36), b.) verschiedene Aspekte der Konversion als Ziel evangelistischer Kommunikation zu bedenken hat (36–43), c.) eine reflektierte Zuordnung von Gesetz und Evangelium vornehmen sollte (43–52), d.) vor der Herausforderung steht, die „Botschaft vom Kreuz“ angesichts gängiger Einwände zu plausibilisieren (52–60), e.) das „Gericht Gottes“ als Horizont der Evangelisation nicht aus dem Blick verlieren darf (61–72), f.) sich durchdacht auf ihre relevanten Kontexte einzustellen hat (73–85) und g.) immer auf Gemeinde bezogen und in umfassendere Konversionsprozesse eingebettet ist (85-96). Dabei geht der Vf. didaktisch elementarisierend und doch nie übermäßig vereinfachend vor, die Argumentation ist umsichtig, erfahrungsgetränkt und stets darauf bedacht, Einseitigkeiten und Engführungen zu vermeiden.
Der dritte Teil des Bandes (97–157) ist schließlich den ganz praktischen Aspekten gelingender Predigt gewidmet. Was Clausen hier an kompakten und doch sehr gründlichen Anleitungen zu Themenbereichen wie Redeformen, Aufbaumodelle, Verständlichkeit, monologische, dialogische, analoge oder digitale Kommunikation bietet, ist nicht nur für den evangelistischen Sonderfall, sondern auch für den homiletischen Normalfall wertvoll und wesentlich. Dem Charakter eines (auch für das Selbststudium geeigneten) Lehrbuchs wäre dabei allerdings noch deutlicher entsprochen, wenn der Vf. den einzelnen Darstellungen konsequenter veranschaulichende „Good Practice“-Beispiele aus seinem reichhaltigen Predigt-Portfolio an die Seite gestellt hätte (wie das bspw. ausführlich auf S.149 und punktuell auf den folgenden Seiten geschieht). Vor allem in den Abschnitten, in denen es um existenzielle und intellektuelle Anknüpfungspunkte im Sinne einer ganzheitlichen Apologetik geht (110–121), würde das beim Leser den unmittelbaren Lerneffekt sicher erhöhen.
Auf die Frage, ob man „sonntagsmorgens evangelisieren“ könne, antwortet Clausen im Übrigen bereits im zweiten Teil seines Buches skeptisch, auch wenn er dem regulären Gottesdienst „durchaus evangelistisches Potenzial“ zugesteht (93–96). In diesem Zusammenhang hielte ich es trotz der nachvollziehbarerweise vorgenommenen Unterscheidung zwischen evangelistischer und gemeindlicher Predigt für lohnend, doch etwas expliziter der Frage nachzugehen, wie auch im Rahmen einer „normalen, sonntäglichen Gemeindepredigt“ den anwesenden Noch-nicht-Glaubenden (vgl. 1Kor 14,20–25) evangelistisch-apologetisch begegnet werden könnte. So ließe sich Clausens hervorragende Predigtkonzeption noch natürlicher auch in der herkömmlichen homiletischen Ausbildung verankern und könnte über den unmittelbar evangelistischen Kontext hinaus ihren wünschenswerten Einfluss entfalten.
Prof. Dr. Philipp Bartholomä, Professor für Praktische Theologie an der FTH Gießen