Christian Danz / Jakob Helmut Deibl (Hg.): Transformation of Religion. Interdisciplinary Perspectives
Christian Danz / Jakob Helmut Deibl (Hg.): Transformation of Religion. Interdisciplinary Perspectives, Religion and Transformation in Contemporary European Society 25, Paderborn: Brill Schöningh, 2023, geb., XIII+188 S., € 35,–, ISBN 978-3-506-79025-5
Schaut man in wikipedia s. v. Transformation, so werden dort zehn, teilweise deutlich voneinander unterschiedene Felder genannt. Darin sind Theologie, Religion und Glaube nur mit der pastoralpsychol. Zeitschrift Transformationen vertreten. In dem hier anzuzeigenden Buch ist Transformation jedoch die tragende religionshistorische, -phänomenologische und -soziologische Kategorie.
Das Buch enthält zehn Vorträge einer digital organisierten Konferenz im Research Centre ´Religion and Transformation in Contemporary Society´ der Universität Wien im Februar 2021. Alle zehn Beitragenden forschen und lehren in Wien. Fast nomen est omen entsprechend heißt es gleich im allerersten Satz der Einführung: „As society and culture change, so does religion and its descriptions.“ (IX)
Vor dem genaueren Blick in Einführung und die Vorträge drei mehr formale Bemerkungen: (1) Bei dem vergleichsweise sehr hohen Preis des nicht einmal sehr umfänglichen Buches, könnte man erwarten, dass es neben der englischen Version parallel eine deutsche gibt. Dies ist aber nicht der Fall. (2) Die Essays sind so aufgebaut, dass vor dem Text ein abstract und keywords stehen. Beides hilft sehr, um sich einen Überblick zu verschaffen. Es wäre schön, wenn wenigstens diese Partien auch in deutscher Sprache dargeboten wären. (3) Am Ende eines jeden Essays steht eine meist umfängliche Literaturliste. Dafür ist man dankbar, denn die Literaturhinweise helfen sehr in der Weiterarbeit.
In der konzentrierten Einführung (IX-XIII) werden außer dem bereits zitierten ersten Satz (begriffs-)geschichtliche und sachliche Gesichtspunkte zum Thema Religion genannt. Man kann natürlich nicht erwarten, dass jeder Beitrag allen Vorgaben und Kriterien voll und ganz genügt oder dass das Thema Transformationen in gleichem Maße im Mittelpunkt steht. So eröffnet Hans Gerald Hödl den Reigen der Beiträge mit der Vorstellung und Diskussion des Dimensional Model of Religion. Er definiert Religion dreifach, nämlich „essentialist, functional, and descriptive“, erklärt diese Begriffe jedoch nicht weiter. Seinen Verdienst sehe ich vor allem darin, dass er die in Deutschland leider nie wirklich angekommenen fünf Dimensionen von Religion nach Charles Y. Glock revitalisiert und aktualisiert. Ausgesprochen begrifflich denkt und arbeitet Nickolas P. Roubekas. Er berichtet aus dem englischsprachigen Raum von der Dekonstruktion des Religionsbegriffes, hält selber jedoch an ihm fest, ja erhofft am Ende „a more promising and stimulating study of religion both today and in the future“ (31). Auf der begrifflichen Linie weiter macht Karsten Lehmann bei seinem Versuch, das Three-Level-Concept of Religion vorzustellen. Marianne Grohmann untersucht – so ihr Titel – Transformation Processes in the Religion of Ancient Israel. Sie verfolgt die Entwicklung des Monotheismus in Israel und den Israel-Juda-Namenskomplex. Dabei gelte, so ihr letzter Satz: „The relationship to YHWH … is central for the identity of biblical Israel and Judah, in different stages of its history“ (70). Keine Frage: Grohmann kommt dem Buchtitel am nächsten.
Weitere Beiträge widmen sich dem Islam (Rüdiger Lohlker), dem postsäkularen Feminismus (Sabine Grenz), dem Konzept der Religion im Kontext der Ästhetik (Jakob Helmut Deibl) und der Political Religion (Ingeborg G. Gabriel); Martin Fieder bietet An Account of Behavioural Biology on the ,Concept of Religion‘ und Christian Danz löst sich von den traditionellen Debatten eines allgemeinen Verständnisses von Religion und versteht „religion as communication“ (119).
Am Ende möchte ich drei Bemerkungen machen: (1) Eine schmerzliche Lücke des Buches besteht mMn darin, dass die Säkularisierung und die massive Entkirchlichung nicht als Formen religiöser Transformation traktiert werden. (2) Sehr interessant wäre es, die Erkenntnisse und Urteile von Henning Wrogemann (Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie 2023) einzuspielen. (3) Überall, wo Glaube und Religion/en rein deskriptiv beschrieben werden (dass das methodisch der erste Schritt sein sollte, ist unbestritten), bricht doch jenseits persönlicher Entscheidungen die Wahrheitsfrage auf.
Pfarrer i. R. Dr. Gerhard Maier, Neuffen