Praktische Theologie

Andrew Root / Blair D. Bertrand: When Church Stops Working. A Future for Your Congregation beyond More Money, Programs, and Innovation

Andrew Root / Blair D. Bertrand: When Church Stops Working. A Future for Your Congregation beyond More Money, Programs, and Innovation, Grand Rapids/MI: Brazos Press, 2013, Pb., 154 S., € 21,39, ISBN 978-1-58743-605-5


Andrew Root hält Charles Taylors Opus Magnum „Ein säkulares Zeitalter“ für ein epochales Werk. Es sei das erste Buch des Jahrhunderts (Taylor, A Secular Age, Harvard 2007.), das im nächsten noch gelesen werden wird (vgl. Root, Faith Formation, Grand Rapids 2017, x.). Ursprünglich als Trilogie angekündigt, beläuft sich seine Auseinandersetzung mit dem Werk inzwischen auf knapp 1700 Seiten in sechs Bänden, in denen er der Frage nachgeht, was diese neue Epoche für Glaube, Hauptamtliche und Gemeinden in der Gegenwart bedeutet (vgl. die Rezensionen hierfür auf dieser Plattform).

Aufgrund zahlreicher Rückmeldungen unternimmt er im vorliegenden Band den Versuch, ein Kompendium vorzulegen. Dabei werden zwei Ziele verfolgt: Um auch für ein Laienpublikum gewinnbringend lesbar zu sein, wird auf wissenschaftliche Standards verzichtet. Es werden keine Fußnoten gesetzt und keine Quellen angegeben. Des Weiteren wird der Versuch unternommen, Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, wobei betont wird, dass es keine „step-by-step directions“ und „quick fixes“ (xiii) gebe. Für eine stärkere Anbindung an die Praxis, zieht Root seinen Freund und Studienkollegen Blair D. Bertrand als Co-Autor hinzu.

Die Hauptthese des Werkes ist, dass „what you think is the problem isn’t really the problem“ (xi). Die Hauptanfechtung der Kirche sei nicht, dass ihr Einfluss, ihre Teilnehmendenzahlen und ihre Finanzen schrumpfen. Die Problematik bestehe vielmehr darin, dass sie das Phänomen der Säkularisierung mit der Logik der Säkularisierung bekämpfen wolle: Innovation, Effizienz und Beschleunigung.

Vielfach werde von neuen kirchlichen Trendsettern auf Apg 2,46f verwiesen und daraus (in säkularer Logik) auf Wachstumsgesetze geschlossen. Das wahre Gründungsdatum der Kirche sei dagegen bereits Apg 1,4, als Jesus seine Jünger beauftragt zu warten. Die Kirche sei nicht der Star ihrer eigenen Geschichte. „The church must wait because its only job is to witness to the living Jesus Christ, who is moving in the world“ (70).

Das säkulare Zeitalter lege einen großen Wert auf das ‚Haben’, während sich die Kirche auf ihr ‚Sein’ zurückbesinnen müsse. Das Warten auf das Handeln Gottes drücke sich als Resonanz (hier wird ohne Nennung an Hartmut Rosa angeschlossen) aus. „You do this by teaching others and creating space for confession and gratitude“ (51).

Die Kirche bestehe – mit Bonhoeffer – stets aus realen menschlichen Beziehungen und dürfe nicht der Idee einer perfekten Kirche verfallen. Ebenso wird unter Rückgriff auf Kierkegaard die Unverfügbarkeit Gottes geltend gemacht. Der Einbruch von Ewigkeit in die Zeit sei notwendigerweise Krise. Die Kirche müsse sich somit in der gegenwärtigen Situation nicht ängstigen, zumal die Christenheit weitaus größere Krisen erlebt habe.

Anstatt, wiederum im Anschluss an zeitgenössische marktökonomische Methoden, ein eigenes „Vision Statement“ zu formulieren, schlagen Root und Bertrand vor, auf ein „Watchword“ zu warten, das von außen (Gott) kommt. Als Beispiel für ein solches wird u. a. Martin Luther Kings „When there is no way, I’ll make a way“ (107) angeführt. „These words must find you. But what you can do […] is develop your ear“ (151).

Die Autoren werden ihrer Intention in diesem Werk gerecht. Es bietet eine schnelle und ohne soziologische, philosophische und theologische Vorkenntnisse lesbare Gegenwartsanalyse der Kirchen im säkularen Zeitalter nach Taylor aus einer dezidiert christlichen Perspektive. Die besondere Stärke liegt darin, dass transparent gemacht wird, wie stark das innerkirchliche Denken von der Logik der Säkularisierung durchsetzt ist. Das Werk kann potentiell eine enorm entlastende Funktion für die Kirche entfalten, wenn sie sich zu Herzen nimmt, dass sie nicht selbst, sondern Gott das Subjekt der Geschichte ist. Aus dem schneller-höher-weiter-Hamsterrad des säkularen Zeitalters auszusteigen und sich nach dem Handeln Gottes auszustrecken, kann die Wiederentdeckung einer vergessenen Berufung sein. Was das im Einzelnen für jede individuelle Gemeinde bedeutet, muss allerdings jeweils eigens neu entdeckt werden. Die Autoren verweigern sich, einfache Antworten zu geben. „There are no six steps or worksheets or inventories“ (xiii).

Wer allerdings ein tieferes Verständnis für die Hintergründe und Auswirkungen des säkularen Zeitalters und dessen Bedeutung für das Christentum heute erlangen möchte, wird nicht umhinkommen sich mit Taylors Original und der Rezeption Roots in den anderen sechs Bänden auseinanderzusetzen, denn das kann (und will) dieses Buch nicht leisten.


Andreas Jägers, M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter Internationale Hochschule Liebenzell (IHL), Remchingen