Altes Testament

Andreas Käser: Gepflanzt am frischen Wasser

Andreas Käser: Gepflanzt am frischen Wasser. Weisheit und Poetik im Alten Testament, Marburg: Francke-Buch, 2024, geb., 373 S., € 22,–, ISBN 978-3-96362-393-6


Dieses Lehrbuch bildet die Fortsetzung zu Reiseziel Altes Testament: Die Welt der biblischen Geschichtsbücher und ihre Botschaft. Während sich der erste Band mit den biblischen Geschichtsbüchern befasste, geht es in diesem Band um die Weisheitsliteratur und die poetische Literatur im Alten Testament. Dazu zählt der Vf. das Buch der Sprüche, Hiob, Prediger, den Psalter, Klagelieder, Hohelied, aber auch die Urgeschichte in Genesis. Außerdem gibt es einen Exkurs zur apokryphen Weisheitsliteratur.

Zum Verfasser: Dr. Andreas Käser hat Theologie und Germanistik studiert. 2007 promovierte er an der Uni Tübingen mit einer Studie zum Verhältnis von Literaturwissenschaft und historischer Exegese in alttestamentlichen Erzähltexten. Seit 2017 ist er Dozent an der Theologischen Akademie Stuttgart und seit 2024 auch am Theologischen Seminar Adelshofen.

Bevor der Vf. in die einzelnen biblischen Texte einsteigt, befasst er sich grundsätzlich mit dem Thema Weisheit und Poetik. Einerseits wird hier Weisheit nach alttestamentlichem Verständnis definiert und in die wesentlichen Merkmale alttestamentlicher Poesie (inklusive gängiger Stilmittel, wie z. B. der Parallelismus membrorum) eingeführt. Andererseits wird die Textgrundlage eingegrenzt und dabei festgestellt, dass auch die Erzähltexte und Prophetenbücher des AT weisheitliche und poetische Texte enthalten. Außerdem werden Josef, Salomo, Daniel und weitere Personen des AT als Vorbilder des weisheitlichen Lebens untersucht. Am Beispiel Salomos wird illustriert, dass Weisheit nicht nur erlangt, sondern auch bewahrt und gepflegt werden muss. Weiterhin wird auch auf Weisheit im NT verwiesen. In Bezug auf die Poetik ist besonders hervorzuheben, dass der Vf. sich nicht damit zufrieden gibt, die Stilmittel der alttestamentlichen Poetik darzustellen, sondern noch ein weiteres Kapitel einplant, indem Sinn und Zweck der Poetik dargestellt werden. Hier betont der Vf. das Prinzip der „Entkonkretisierung“ (174), welches es dem Beter bzw. Leser ermöglicht, Identifikationspunkte zum poetischen Text zu finden.

Nun zu den Kapiteln, die die einzelnen biblischen Bücher behandeln. Hierbei geht es dem Vf. primär darum, die Bücher bibelkundlich zu erschließen. Hin und wieder werden Impulse zur Anwendung oder auch Bezüge zum NT eingestreut. Die Einleitungsfragen werden relativ knapp abgehandelt, wobei der Vf. klar zu konservativen Deutungen tendiert.

So geht er davon aus, dass ein Großteil des Sprüchebuchs auf König Salomo (als Sammler, nicht so sehr als Verfasser der Sprichwörter) zurückgeht, erkennt aber an, dass einzelne Sprüchesammlungen von anderen Verfassern / Redaktoren (z. B. Agur, Lemuel) stammen. Dabei geht er nicht auf historische Anfragen ein, ob es z. B. ein salomonisches Großkönigreich und eine salomonische Aufklärung tatsächlich gab. Die Abfassung des Hiobbuchs wird in die Zeit der Erzeltern eingeordnet. Für das Predigerbuch lässt der Vf. offen, ob dieses von Salomo verfasst und später sprachlich überarbeitet wurde oder gemäß dem Talmud auf Hiskias Schriftgelehrte zurückgeht. Der Vf. geht davon aus, dass David der „Hauptautor des Psalters“ (267) ist, wenngleich einige Psalmen einen anderen Autor haben. Die Zuweisung ledavid ist zwar grammatisch „nicht eindeutig“ (267), dennoch geht der Vf. davon aus, dass die Worte „in den meisten Fällen als Autorenangabe“ (267) zu verstehen sind. Beim Hohelied interpretiert der Vf. die Worte lischlomo in Hld 1,1 hingegen als Zuschreibung, welche auf eine salomonische Überlieferung verweist, die in der Hiskia-Zeit überarbeitet wurde, ähnlich wie der Vf. es für das Predigerbuch in Anspruch nimmt. An dieser Stelle wäre eine ausführlichere Begründung oder der Verweis auf relevante Literatur hilfreich. Dass Jeremia der Verfasser des Buchs der Klagelieder ist, wie die LXX-Tradition es behauptet, hält der Vf. hingegen für „wenig wahrscheinlich“ (300). Die apokryphische Schrift Weisheit Salomos ist laut Vf. pseudepigraphisch.

Dass der Vf. die Einleitungsfragen nur sehr knapp behandelt, kann, je nach Zielgruppe, durchaus als eine Stärke des Buchs begriffen werden. Denn so liegt der Fokus darauf, die Aussagen zum weisheitlichen Leben im AT zu verstehen und eine Wertschätzung für die poetischen Texte zu entwickeln, ohne sich in technische Einzelheiten zu verwickeln. Das Buch motiviert, sich mit den Inhalten zu beschäftigen, und wer das getan hat, hat anschließend auch eine bessere Grundlage, um die Einleitungsfragen zu bewerten.

Im Zusammenhang mit dem Buch der Sprüche wird der Tun-Ergehen-Zusammenhang als theologischer Begriff eingeführt, wenngleich auch auf Ausnahmen im Buch der Sprüche hingewiesen wird. Das Hiob-Buch wird im Besonderen als solch eine Ausnahme gesehen, wonach es für das Leid nicht immer eine nachvollziehbare Erklärung gibt. Der Vf. sieht hier eine Vertiefung und keinen Widerspruch zur Lehre des Sprüchebuchs.

Dass der Vf. auch die Urgeschichte behandelt, ist für ein Lehrbuch zur Weisheitsliteratur eher ungewöhnlich. Inhaltlich ist es jedoch angemessen, da dort Aussagen zu den Themen Schöpfung und Anthropologie getroffen werden. Wiederum gelingt es dem Verfasser, inhaltliche Fragen zu klären, ohne sich an kontroversen Fragen aufzuhängen. Er gibt allerdings zu bedenken, dass die biblischen Texte nicht zur Klärung von „nachmodernen Fragen“ (336) geeignet sind, wie z. B. dem genauen Hergang bei der Entstehung des Universums und des Lebens.

Das Buch wendet sich an interessierte Bibelleser und setzt keine speziellen Vorkenntnisse voraus. Es ist nicht erforderlich, aber durchaus von Vorteil, den ersten Band bereits gelesen zu haben, denn jener bietet auch eine allgemeine Einführung in das AT und in das Bibellesen. Das Cover des Buchs ist sehr ansprechend gestaltet; im Buchinnenteil ist die Zahl der Schaubilder noch ausbaufähig. Entgegen anderen Lehrbüchern zu den Weisheitsbüchern gibt es kein ausgewiesenes Kapitel zur altorientalischen Weisheitsliteratur. Bei der Behandlung der biblischen Bücher wird jedoch auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede hingewiesen.

Es ist schade, dass die Schriftpropheten auch in diesem Band keine Berücksichtigung fanden, auch wenn der Vf. anerkennt, dass es bei ihnen weisheitliche und poetische Texte gibt. Es bleibt zu hoffen, dass ihnen noch ein dritter Band gewidmet wird, um so die Reihe zu vervollständigen.


Dr. Wolfgang Köhler, Studienleiter der EuNC Gemeindeakademie, Senior Lecturer für Altes und Neues Testament am European Nazarene College