Bert Roebben: Religionspädagogische Kartographie
Bert Roebben: Religionspädagogische Kartographie, Forum Theologie und Pädagogik 26, Münster / Berlin: LIT, 2023, geb., 168 S., € 19,90, ISBN 978-3-643-15322-7
Die Religionspädagogik hat in den letzten Jahrzehnten manchen Umbruch erlebt. So kann es Studierenden in Theologie und Lehramt schwerfallen, sich einen guten Überblick über die Herausforderungen und Grundthemen der Disziplin zu verschaffen.
Bert Roebben ist Professor für Religionspädagogik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn und bietet mit seiner klugen Kompilation von Artikeln eine Art Reiseführer durch das Wissensgebiet. Hierzu vertieft er sieben Schlüsselthemen; jedes einzelne soll als Konzept „die Kluft zwischen hermeneutischer Perspektive einerseits und methodischer Konkretisierung andererseits gut überbrücken“ (6).
Nach einem methodisch anregenden, persönlich gehaltenen Prolog geht es zuerst um „Korrelation“. Roebben reflektiert hier über die theologische Natur religiöser Bildung in der Schule angesichts zeitgenössischer Traditionskrisen. Dem gegenüber entwickelt er eine eigenständige hoffnungsorientierte Perspektive, die den Beitrag des Religionsunterrichts zur Persönlichkeitsentwicklung und die Offenheit für Transzendenz unterstreicht. Programmatisch hält er fest: „Die Theologizität des Religionsunterrichts neu zu denken heißt, die post-säkulare Vorstellung von Selbst-Transzendenz auf theologische Art als radikale Transzendenz – etsi Deus daretur – neu zu denken und die Vorgaben für den Religionsunterricht (…) in der vielschichtigen Erfahrung gelebten Glaubens neu zu verankern und mit der Gottesfrage zu verknüpfen“ (27).
Für das Thema „Inklusion“ skizziert der Autor einen biblisch-theologischen und pädagogischen Begründungsrahmen. Sein Fokus liegt auf einer Kultur der Anerkennung, dem Potenzial des Storytellings und der Intersubjektivität. Biblische Impulse unterstreichen zudem seine These, dass weise Religionspädagogen eschatologisch offen und mutig sein sollten, ihre Arbeit zu hinterfragen und neu auf ihre Mitmenschen auszurichten.
„Interpretation“ umschreibt das dritte Thema, in dem der Religionspädagoge den Prozess des Lernens in dreifacher Weise deutet: Beim Lernen über Religion informieren Lehrer als Experten; beim Lernen von Religion fungieren sie als Moderatoren; beim Lernen in/durch Religion hingegen konfrontieren sie als authentische Zeugen und laden im Unterrichtsgespräch zur reflektierten Aneignung des Gehörten ein.
Das vierte Thema hat „Charakter“ zum Titel und fragt mit Anschluss an Václav Havel, inwiefern sich Lehrkräfte in ihrer moralischen Bildung eine solide Hoffnung aneignen sollten. Diese konkretisiert Roebben ausführlicher als pädagogische Blickrichtung, didaktische Praxis und theologische Dynamik. Unter der Überschrift „Narration“ bietet der Autor fünftens einen Erfahrungsbericht zum Umgang mit sakralen Schriften in säkularen, multikulturellen Schulräumen. Das führt ihn zu Überlegungen einer hermeneutisch-irritierenden Bibeldidaktik und zu Reformimpulsen für die Lehrerbildung.
Das sechste Thema „Performance“ reflektiert das Modell einer performativen, narrativen und diskursiven Pilgerdidaktik, bei der Menschen religiöse Erfahrungen machen, sie gemeinsam interpretieren und schließlich Konzepte untersuchen, die ihnen das religiös Erlebte und Interpretierte weiter verdeutlichen. Roebbens Hauptanliegen ist, durch unkonventionelle Wege die Erneuerung religiöser Bildung in Europa zu begünstigen. Seiner Grundüberzeugung nach führt der theologische Suchprozess coram Deo und im Lichte eines radikalen Existenzialismus immer wieder in die solidarische, suchende Gemeinschaft mit anderen Menschen.
Schließlich entfaltet der Autor in „Spiritualität“ das Konzept der Jugendtheologie, erörtert die Herausforderung des Agnostizismus und geht auf die Pubertät aus entwicklungspsychologischer Sicht ein. Darauf aufbauend spricht er sich für das gemeinsame Theologisieren als elementare Handlungsform in der Arbeit mit der jungen Generation aus, um sie in ihren Fragen und Zweifeln zielgerichtet und doch auf Augenhöhe zu begleiten. Ein Epilog zu Roebbens eigener religionspädagogischen Reise als Praktiker und Akademiker sowie ein nützliches Literaturverzeichnis und Personenregister runden den Band ab.
Zwar ist bei der Lektüre ein gewisses Vorwissen hilfreich, dennoch bietet der Titel eine kreativ-konstruktive Einführung in die Religionspädagogik. Die Beiträge aus Roebbens Werk sind gekonnt ausgewählt, jeweils separat eingeleitet und miteinander verknüpft. Dem Autor gelingt es hervorragend, den eigenen Erfahrungsschatz und historische Entwicklungen mit religionspädagogischen Grundfragen und praktisch-methodischen Überlegungen zu verbinden. Darüber hinaus laden Roebbens Beschäftigung mit der Forschungsliteratur und seine eigenen Akzente kontinuierlich zum kritisch-konstruktiven Weiterdenken ein.
Nicht alle Ansätze überzeugen, u. a. Roebbens rezeptionsästhetische Exegese oder sein tendenziell thomistisches Natur- und Gnadenverständnis. Landes- und freikirchlichen Lesern wird besonders die fehlende Konkretisierung bzw. Beschäftigung mit der eigentlichen ‚Kommunikation des Evangeliums‘ auffallen. Als Ergänzung zu einschlägigen Einführungswerken sowie als freundlicher Dialogpartner ist Roebbens Buch jedoch sehr zu empfehlen.
Daniel Vullriede, M.A., Dozent am Bibelseminar Bonn und IBEI Rom