Praktische Theologie

Volker Leppin / Samuel Vollenweider u. a. (Hg.): Mystik

Volker Leppin / Samuel Vollenweider u. a. (Hg.): Mystik, Jahrbuch für biblische Theologie 38, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2024, geb., 503 S., € 69,–, ISBN 978-3-525-50061-3


Das Jahrbuch für biblische Theologie widmet sich im Jahr 2023 dem Thema der Mystik und beleuchtet verschiedene Fragestellungen. Zu den zentralen Fragen gehört, ob und inwiefern sich Spuren der Mystik in der Bibel finden lassen, welche mystischen Tendenzen in der Kirchengeschichte zu verzeichnen sind und wie christliche Mystik im 21. Jahrhundert gelebt und gedacht werden kann. Diese Leitfragen werden im Band aufgeworfen und von 22 Autoren in 21 Aufsätzen behandelt.

Zu Beginn des Bandes wird zwar keine einheitliche Definition zur Mystik gegeben, es werden jedoch acht wichtige Aspekte aufgelistet (9-11). Die Mystik beschäftige sich erstens intensiv mit der „geistlichen Wirklichkeit Gottes“. Zudem sei sie eine innere Erfahrung der unmittelbaren Nähe Gottes. Die Erfassung dieser Gottesnähe sei paradox, da sie als begrenzte, menschliche Erfahrung auf das Göttliche, Ewige stoße. Außerdem sei Mystik in ihrer Schlichtheit ein Nachdenken darüber, wie das bisher beschriebene geschehen ist. Diese gemeinsamen Aspekte nutzen die Autoren als Basis für ihr Anliegen, über christliche Mystik zu denken und zu schreiben.

Die Aufsätze gliedern sich in fünf Disziplinen. Den Auftakt bildet eine religionswissenschaftliche Annäherung an das Thema mit einem Aufsatz von Christoph Auffarth zu mystischen Religionen. Das zweite Themenfeld beinhaltet drei Aufsätze zur Rezeptionsgeschichte alttestamentlicher Abschnitte. Es werden die Psalmen (Alexandra Grund-Wittenberg), der Prophet Hesekiel (Franz Sedlmeier) und die Gattung der Weisheitsliteratur (Ludger Schwienhorst-Schönberger) beleuchtet. Anschließend wird das Neue Testament und seine Rezeptionsgeschichte unter die Lupe genommen. Es werden zuerst zwei Perikopen aus dem Lukas- und Johannesevangelium untersucht (Konrad Schwarz und Michael Theobald), anschließend widmet sich Samuel Vollenweider dem Apostel Paulus. Die letzten beiden Aufsätze zum Neuen Testament bieten Tobias Nicklas und Martin Meiser zu biblisch-theologischen Themen.

Im vierten Abschnitt wird in drei Aufsätzen jüdische und muslimische Mystik untersucht (Günter Stemberger, Gerold Necker und Ottmar Fuchs). Das fünfte Untersuchungsfeld beinhaltet die Disziplinen Historische und Systematische Theologie. Darin angesiedelt sind sechs Aufsätze von Fabian Tiling zu Origenes, Volker Leppin zum Mittelalter, Stefan Michels zu Johann Sebastian Bach, Mirja Kutzer zu allegorischer Mystik, Jörg Lauster zu der Theorie von Mystik und schließlich Saskia Wendel, welche sich mit den Herausforderungen der Mystik an die Theologie befasst. Das letzte Themenbündel schlägt die Brücke ins Heute und befasst sich mit drei Aufsätzen zu gegenwärtigen, mystischen Erfahrungen und Praktiken (Andreas Odenthal, Anna-Katharina Höpflinger, Gregor Hasler, Stéphanie Majerus, Samuel Vollenweider). Der Band endet mit einem ausführlichen Bibelstellen- und Begriffsregister.

Der 38. Band des Jahrbuchs für biblische Theologie beeindruckt durch seine thematische Bandbreite und interdisziplinäre Fundierung, die historische und gegenwärtige Perspektiven zur Mystik vereint. Besonders hervorzuheben ist die Vielfalt der überkonfessionellen Autorenschaft, die dem Thema eine bemerkenswerte Tiefe verleiht. Die Tatsache, dass fast jeder Autor zu Beginn seines Beitrags den Begriff der Mystik definiert, trägt einerseits zum Verständnis bei, andererseits beeinträchtigt dies jedoch das gemeinsame Fundament der Beiträge. Die fehlende einheitliche Definition erschwert die Orientierung, doch insgesamt bleibt der Band eine wertvolle Annäherung und Beschäftigung mit der christlichen Mystik.


Joshua Ganz, Pastor und Armeeseelsorger, Winterthur, Schweiz