Hans-Hermann Pompe, u.a. (Hg.): Fresh X
Hans-Hermann Pompe / Patrick Todjeras / Carla J. Witt (Hg.): Fresh X – Frisch. Neu. Innovativ. Und es ist Kirche, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener-Aussaat, 2016, 152 S., € 9,99, ISBN 978-3-7615-6259-8
Kirche – frisch, neu und innovativ. Das klingt nicht nur verheißungsvoll, sondern ist die notwendige Orientierung, die die Kirche im Jahr des Reformationsjubiläums haben muss. Sonst kann sie sich selbst nicht als einer „ecclesia semper reformanda“ treu bleiben. Genervt von festgefahrenen Strukturdebatten und geistloser „Projektitis“ lese ich dieses Buch und erhoffe mir neue Motivation, mit innovativen Ideen Menschen für Jesus Christus zu gewinnen und mit ihnen an Gottes Mission in dieser Welt teilzuhaben. Leider hat sich meine Hoffnung bei der Lektüre nur mit Einschränkungen erfüllt.
Das Buch umfasst 13 Beiträge von Autorinnen und Autoren, die allesamt zu den Impulsgebern der deutschsprachigen Fresh-X-Bewegung zählen. Sie repräsentieren die ökumenische Vielfalt der Fresh-X-Landschaft (evangelisch-landeskirchlich, evangelisch-freikirchlich, römisch-katholisch) und ihre unterschiedlichen institutionellen Ebenen (Verbände, Netzwerke, lokale Gemeinden, Kirchenkreise, Bistümer, Landeskirchen, Diözesen, Universitäten). Die Herausgeber setzten sich zum Ziel, mit dieser Aufsatzsammlung einen „neuen Grundlagenband“ zu schaffen, der die Entwicklung im deutschsprachigen Raum in den letzten fünf Jahren dokumentiert. Am Anfang stehen zwei Vorträge von Steven Croft und John Finney, zwei bedeutenden Impulsgebern aus der Anglikanischen Kirche. Markus Weimer formuliert den zukunftsweisenden Ertrag des anglikanischen Reformprozesses. Carla J. Witt zeichnet die Entwicklung des deutschen Fresh-X-Netzwerkes nach, Sandra Bils die ökumenische Zusammenarbeit zwischen der ev.-luth. Landeskirche Hannover und dem röm.-kath. Bistum Hildesheim, die in das Projekt „Kirche²“ mündete. Es folgen 6 Beiträge, in denen die grundlegenden Begriffe der Fresh-X-Bewegung erfasst und dargestellt werden: Missio Dei (Patrick Todjeras), Mixed Economy (Hans-Hermann Pompe), die In-Out-up-of-Dimension (Reinhold Krebs), Beteiligungskirche (Achim Härtner), Lokale Kirchenentwicklung (Christian Hennecke) und Ökumene der Sendung (Maria Herrmann). Die letzten beiden Vorträge von Sabrina Müller und Michael Herbst formulieren die Relevanz, die Fresh X für die notwendige Erneuerung und somit für die Zukunft der Kirche hat.
Nach der Lektüre des Buches ist mein Fazit gemischt. In der Summe wurde ich über die grundlegenden Begriffe und theologischen Prämissen der Fresh-X-Bewegung kurz und bündig informiert. Eine Verortung in der bisherigen ekklesiologischen und praktisch-theologischen Diskussion unterbleibt weitgehend, kann vom Format des Buches bzw. der in ihm abgedruckten Beiträge aber auch kaum erwartet werden. Es handelt sich schließlich in der Mehrheit um Vorträge, die die Autorinnen und Autoren auf unterschiedlichen Veranstaltungen für ein Publikum gehalten hatten, dem (Gott sei Dank) nicht nur Fachkolleginnen und Fachkollegen angehörten. Dadurch ist der Sprachstil für engagierte Laien und theologisch interessierte Leser gut verständlich. Die Lesefreude wurde allerdings durch einige Redundanzen getrübt. Mag es für einen Vortrag durchaus angemessen sein, die meist bekannten Definitionen und grundlegende Unterscheidungen nochmals für die anwesenden Hörer zu benennen, so ergeben sich für den Leser der gedruckten Sammlung unnötige Dubletten. Sie hinterlassen bei manchen Beiträgen den Eindruck, kaum neue Informationen erhalten zu haben, sondern nur das bereits Gelesene aus neuer Perspektive wiederholt zu bekommen.
Dennoch lege ich dieses Buch nicht enttäuscht aus der Hand. Gerade der letzte Beitrag von Michael Herbst bringt für mich auf den Punkt, woran die landeskirchliche Landschaft krankt. Auf allen Ebenen steht die Frage nach dem „Was“ (sollen wir tun) und dem „Wie“ (sollen wir es tun) an erster Stelle. „Was“ und „wie“ motivieren aber niemanden, wenn dahinter nicht das „warum“ steht. Diese Unterscheidung hilft mir, mein Unbehagen über die bereits erwähnte „kirchliche Projektitis“ zu formulieren und ihr damit auch begegnen zu können. Denn: „Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie“ (Viktor Frankl). Oder mit Michael Herbst: „Ihr sucht ein ‚Warum‘ für euer Leben und für die Zukunft eurer Gemeinden und der Kirche? Hier ist es: Folgt mir nach, ich will euch zu Menschenfischern machen. Wann ist eine Kirche alt, dem Untergang geweiht und ohne Zukunft: Wenn sie ihr ‚Warum‘ verliert. Nicht wenn sie kleiner, ärmer und älter wird, aber wenn sie ihr ‚Warum‘ verliert. Wenn sie Jesus aus den Augen verliert und damit die Menschen, zu denen er unterwegs ist…, [w]enn sie mit sich selbst beschäftigt und um sich selbst besorgt ist, dann wird sie alt und hat keine Zukunft.“ (132, Michael Herbst).
Pfr. Dr. Dirk Kellner, Evangelische Kirche in Steinen
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