Praktische Theologie

Christiane Moldenhauer / Jens Martin Monsees (Hg.): Die Zukunft der Kirche in Europa

Christiane Moldenhauer / Jens Martin Monsees (Hg.): Die Zukunft der Kirche in Europa, Beiträge zu Evangelisation und Gemeindeentwicklung 22, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (neukirchener theologie), 2016, 241 S., € 24,99, ISBN 978-3-7887-3007-9

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Vom 28.–30.5.2015 fand mit circa 100 TeilnehmerInnen eine wissenschaftliche Tagung des Instituts zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung (IEEG) in Greifswald statt. Eine Frucht davon ist das hier anzuzeigende Buch, das als 22. Band der „Beiträge zu Evangelisation und Gemeindeentwicklung“ erschienen ist; herausgegeben wurde es von zwei wissenschaftlichen MitarbeiterInnen des IEEG.

Das „Vorwort“ (V–VII) benennt die großen Koordinaten der europäischen Kirchen und Staaten. Die letzteren sind „schon lange nicht mehr einheitlich christlich geprägt“. Und „die Kirchen finden sich in einer Phase des Umbruchs und der Neuorientierung“ (V). Auslösend dafür sind eine neue Zuordnung von Kirche und Staat sowie vor allem Säkularisierungs- und Pluralisierungsprozesse, die die ehemaligen Mehrheitskirchen marginalisierte. Andererseits erfahren „bislang unterdrückte Kirchen in Europa neue Freiheiten, aber auch die Notwendigkeit einer Neuorientierung“ (ebd.). Über Ländergrenzen hinweg „stellt sich die Frage nach einer missionarischen Kirche“ (VI). Außerdem wird der Inhalt der Beiträge kurz beschrieben, was manche sicherlich gerne als Lesehilfe in Anspruch nehmen.

Das „Nachwort“ (236–239) ist speziell auf die deutsche Situation bezogen und bringt die Buchinhalte mit Entwicklungen in der EKD und der seit 2015 stark in den Vordergrund getretenen Flüchtlingssituation ins Gespräch. Stichworte dessen sind Konversionen / Taufen und der interreligiöse Dialog, besonders mit dem Islam.

Querschnittartig seien folgende Informationen und einige Beobachtungen mitgeteilt; am Ende dann der Versuch einer Einschätzung. Die insgesamt 16 Beitragenden (sie sind 240f gelistet) sind teils Kirchenpraktiker (z. B. Bischöfe, Oberlandeskirchenrat, Dekan; Pfarrer kommen nicht zu Wort!), als Professoren und DozentInnen mehrheitlich jedoch im universitären Bereich angesiedelte Personen. Die Beiträge folgen unstrukturiert nacheinander; vier sind in englischer Sprache gehalten worden und abgedruckt, leider ohne deutsche Zusammenfassungen. Umgekehrt vermisst man englische summaries bzw. abstracts der deutschen Beiträge. Etwas mehr Internationalität sollte zum Standard werden. Einige Beitragende äußerten sich andernorts zur Sache; insofern ist man dankbar, wenn durch diesen Tagungsband der Weg zu weiteren Veröffentlichungen gewiesen wird. Exemplarisch sei an dieser Stelle Gerhard Wegner und das mit von ihm herausgegebene Buch „Potentiale vor Ort“ (2015) genannt. Er richtet den Fokus auf „Strukturen und Gelegenheiten innerhalb der bestehenden kirchlichen Sozialformen …, die möglicherweise so etwas wie religiöse Kreativität freisetzen können“ (63). Direkt und indirekt geht es bei ihm sehr stark auch um die Pfarrpersonen. Mindestens fünf Beiträge beziehen sich auf Deutschland; der zweite Schwerpunkt liegt auf England (Stichwort: fresh expressions of church). Je ein Beitrag berichtet und bedenkt die norwegische, niederländische und tschechische Situation. Fünf Beiträge sind insofern hervorgehoben, als sie mit einer response diskutiert und vertieft wurden. Erfreulicherweise widmen sich drei Beiträge expressis verbis dem Islam, auch den Chancen und Problemen von sogenannten Migrationskirchen. Die vier längsten und anmerkungsreichsten Beiträge repräsentieren die Inhalte und Intentionen der Tagung. Da ist erstens Sibylle Rolf mit der „Kommunikation des Evangeliums im Anschluss an reformatorische Theologie“ (= Untertitel; 1-19), zweitens Henning Theißen zu „Wort und Sozialgestalt der Kirche“ (183–214), drittens Henning Wrogemann (139–156) zu „Muslimische Präsenzen in Europa als Herausforderung für kirchliche Praxis“ (= Untertitel) und last but not least Michael Herbst, der Gründer des IEEG, spiritus rector dieser Tagung und Mitherausgeber der Reihe „Beiträge zu Evangelisation und Gemeindeentwicklung“. Sein Hauptbeitrag ist „Kirche kann auch anders. Perspektiven einer Kirche der Zukunft“ (215–235). Er füllt den nebulösen Begriff „Religion“ und weist realistisch auf Chancen und Grenzen erwecklich orientierter kirchlicher Arbeit hin.

Der Titel des Buches ist sehr weit gespannt und verspricht als solcher zu viel. Ein Untertitel hätte es mehr „auf den Boden“ geholt. Lokal oder regional verantwortlichen Christen ist es aufgegeben, die vielerlei ekklesiologischen Gedanken und missiologischen Anstöße und Impulse bezogen auf ihren Ort und ihren Verantwortungsbereich zu adaptieren und zu konkretisieren. Kirche lebt vor Ort – oder sie ist ein bloßes Wolkenkuckucksheim.

 

Dr. Gerhard Maier, Pfarrer i.R. Neuffen

 

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