Mark J. Boda: The Book of Zechariah
Mark J. Boda: The Book of Zechariah, NICOT, Grand Rapids: Eerdmans, 2016, XXIII+911 S., $ 58,–, ISBN 978-0-8028-2375-5
Wer die englischsprachige Literatur aufmerksam wahrnimmt und über Sacharja arbeitet kommt seit vielen Jahren an Mark Boda nicht vorbei. Mit der Veröffentlichung seines über 900-seitigen Kommentars wird sich das in den nächsten Jahren auch nicht so schnell ändern. Der Kommentar ist das Ergebnis seiner über 20-jährigen Beschäftigung mit diesem spannenden und vielfach als schwierig wahrgenommenen „kleinen“ Propheten. Kurz, ein Kommentar, den man immer wieder zur Hand nehmen sollte.
Angesichts eines solch umfangreichen Werkes und der ausgewiesenen Kompetenz des Verfassers bei der Beschäftigung mit diesem Prophetenbuch, liegt es nahe, eine Fundgrube an wichtigen und wertvollen Beobachtungen, Diskussionen und Reflexionen in diesem Kommentar zu erwarten. Der Leser wird in dieser Hinsicht auch nicht enttäuscht. Boda demonstriert seine Vertrautheit mit dem Text und seine aufmerksame Lektüre. Es wird auch an einigen Stellen sichtbar, dass Boda mit diesen Texten schon lange unterwegs ist und sich als Lernender begreift. So verweist er auch schon einmal darauf, dass er seine Meinung im Gegensatz zu einer früheren Überzeugung verändert hat.
Hält man sich die Fülle an Literatur und Perspektiven zu Sacharja vor Augen, überrascht weder der Umfang des Kommentars noch die Tatsache, dass es dennoch leicht ist, auf Lücken im Kommentar hinzuweisen. Deswegen können und wollen die folgenden Hinweise nicht den wertvollen Beitrag Bodas mit diesem Kommentar in Frage stellen. Vielmehr soll damit klar werden, was man von seinem Kommentar erwarten kann und was man – bei Interesse und Notwendigkeit – an anderer Stelle suchen muss.
Bei der Kommentierung der einzelnen Abschnitte schenkt Boda häufig der Beleuchtung von wortsemantischen und intertextuellen Fragen besondere Aufmerksamkeit. Hier werden einige Kommentarteile zu einer wahren Fundgrube für viele gute Beobachtungen und einer Bandbreite von Möglichkeiten für die Auslegung. Demgegenüber kommen strukturelle, archäologische, aber auch manchmal theologische Fragen etwas zu kurz. In der Diskussion mit anderen Perspektiven entsteht immer wieder der Eindruck, dass sich Boda mit einigen (ausgewählten) Gesprächspartner wie Kommentare von Meyers/Meyers, Petersen oder Sweeney oder Monographien wie die von Stead, Tollington, Lee, Tai oder die Arbeit von Rex Mason an einen Tisch setzt und seine Beobachtungen und Perspektiven diskutiert. Das hat einen großen Wert, weil er damit seine Auslegung in der breiteren Diskussion verortet.
Bei der Behandlung einleitender Fragen überrascht es, dass die Diskussion um das Zwölfprophetenbuch auf gut zwei Seiten abgehandelt wird und bei der Kommentierung des Buches kaum eine Rolle spielt. Das ist insbesondere erstaunlich, weil Boda mit Blick auf das Schlüsselthema der Umkehr festhält, dass „those responsible for the book of Zechariah are also those who were instrumental in bringing the Book of the Twelve together into much of the form we have today“ (31). Die laufende Diskussion zum Zwölfprophetenbuch hätte hier und da eine größere Rolle spielen können.
Boda misst dem Phänomen große Bedeutung bei, dass Sacharja vielfach in intertextueller Beziehung zu anderen Texten der Hebräischen Bibel steht. In seiner fortlaufenden Kommentierung verweist er auf viele Texte, die bei der jeweiligen Textstelle in Frage kommen. Damit werden dem Leser wichtige Informationen an die Hand gegeben. Boda widmet der Frage, was als Ausgangspunkt / Quelle zu identifizieren ist, immer wieder besondere Aufmerksamkeit. Allerdings überrascht zweierlei. Zum einen findet sich keine einführende oder grundlegende Reflexion zur Identifizierung solcher Textstellen. Es reduziert sich auf wenige – mehr oder minder allgemeine – Bemerkungen zu „inner-biblical allusion“ (39–41). Die dabei zur Anwendung kommenden Kriterien können dabei recht unterschiedlich sein. Wer mit der Diskussion vertraut ist, kann im Lichte anderer Kommentare oder Monographien erkennen, was für Boda von besonderer Bedeutung ist. Manchmal gewinnt man allerdings auch den Eindruck, dass er sich an bevorzugt an Tollingtons, Steads, Lees und Tais Arbeiten orientiert. Man mag sich fragen, warum die Arbeiten von Delkurt oder Pola hier eine geringere Rolle spielen. Neben der Identifizierung der Textstellen ist zum anderen die Gewichtung und Auswertung der intertextuellen Beziehungen bisweilen recht unterschiedlich, nicht immer leicht nachzuvollziehen und manchmal recht knapp. Manchmal reduziert sie sich fast auf die Beschreibung, dass Sacharja von diesen Texten beeinflusst wurde oder an andere Texte erinnert. Dies alles ist angesichts der methodischen Reflexionen in den vergangenen Jahrzehnten im Allgemeinen und mit Blick auf die Situation im Sacharjabuch im Besonderen überraschend. Aber hier gilt natürlich wie bei allen anderen Fragen, dass das Format eines Kommentars der/m Verfasser/in immer Entscheidungen aufnötigt, was er oder sie behandeln kann.
Unter Anerkennung der Unterschiede zwischen Sacharja 1–8 und 9–14 vertritt Boda die Überzeugung, dass diese vierzehn Kapitel dennoch als ein Buch behandelt werden sollten. Zur Begründung führt er unter anderem die durchgängig vorliegenden Verweise auf andere biblische Literatur, die Bedeutung von prophetischen Symbolhandlungen in beiden Teilen (Kap. 3; 6,9–15 und 11,4–16), die gemeinsamen Themen (z. B. Leiterschaft) und ihre damit verbundene Entwicklung im Verlauf des Buches (28). Für die Entstehung der Kapitel 9–14 nennt er verschiedene Zeitpunkte und Zeiträume von 515–433 v. Chr. als Möglichkeiten. Die ersten sechs Kapitel konzentrieren sich auf die Realisierung der versprochenen Wiederherstellung am Anfang der Perserzeit, so dass unter anderem Priester und Propheten ihren Platz bekommen. Sacharja 7–8 entwickeln einige Bemerkungen in Sacharja 1–6, dass noch mehr aussteht, weiter, insbesondere die Teilnahme der Heiden an der Verehrung Jahwes. Sacharja 9–10 gehen hier noch weitere Schritte. Mit den letzten drei Kapitel wird der zeitliche Aspekt unschärfer („an jenem Tag“) und Jahwes Aktivitäten dominieren noch mehr (vgl. 701–702). Die letzten sechs Kapitel verschieben dabei den Fokus von den Menschen als Handelnden auf Gott. Außerdem arbeiten sie Konsequenzen für die mangelnde Bereitschaft, auf Gottes Ruf zur Buße zu hören, in Kapitel 7–8 heraus. Als Adressaten macht Boda Menschen in der Mitte oder am Ende des fünften Jahrhunderts aus. Dabei stellt das Buch eine zu Nehemias Unternehmen ergänzende Perspektive dar, die Gottes Wunsch betont, dass es um mehr als nur physische Wiederherstellung für das Volk geht. Für Boda belegt das vorliegende Nehemiabuch, dass Sacharjas Perspektive letztlich von Nehemia akzeptiert und übernommen wurde (37).
Prof. Dr. Heiko Wenzel, Professor für Altes Testament an der Freien Theologischen Hochschule Gießen
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