Andreas Pawlas: Kampf der Korruption
Andreas Pawlas: Kampf der Korruption. Theologische Ansätze und Anfragen in Geschichte und Gegenwart, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2017, Pb., 394 S., € 88,–, ISBN 978-3-374-04861-8
Um es gleich vorweg zu sagen: Dieses Werk ist eines der besten Bücher zum Thema Korruption. Anschaffung und Lektüre seien ausdrücklich empfohlen.
Andreas Pawlas, Wirtschaftswissenschaftler und Theologe, Gastprofessor an der Theologischen Fakultät in Tartu/Estland und Lehrbeauftragter an Hochschulen in Kiel und Hamburg, beschreibt in einem einleitenden Teil zunächst fachkundig bekannte Korruptionsfälle der Gegenwart, sowohl in Deutschland, wie auch international. Daraus wird treffend eine notwendige Klassifizierung des Begriffes und des vielfältigen Phänomens abgeleitet. Pawlas macht dadurch deutlich, dass Differenzierung Not tut.
Akribisch zeichnet der Autor dann in einem zweiten, fast 200 Seiten umfassenden Teil die Geschichte der Korruption nach, vom alten Orient über Griechenland, die römische Welt, das alte Israel, die neutestamentliche Zeit, die Kirchenväter, mittelalterliche Zeugen und Reformation, über nationale Entwicklungen in England, Frankreich, den USA und China bis hin zum „überpositiven Ansatz“ im Nachkriegsdeutschland. Die Fülle der herangezogenen Quellen ist dabei vorbildlich. Ich kenne keine ähnlich umfangreiche geschichtliche Darstellung des Gesamtphänomens. Der Überblick macht deutlich, wie stark die Einordnung und Bewertung von Korruption von den Bedingungen der Zeit abhingen.
Ein weiterer Teil referiert die staatlichen und rechtlichen Maßnahmen gegen Korruption (293–321), mit Schwerpunkt auf dem deutschen Korruptionsbekämpfungsgesetz von 1997. Hier wäre eine Zusammenfassung der Ergebnisse hilfreich gewesen.
In den letzten, leider recht kurz geratenen Teilen des Werkes geht es um grundsätzliche Fragestellungen. Pawlas setzt Korruption ins Verhältnis zum „Egoismus“ bei Adam Smith, setzt sich kritisch mit einer rein „ökonomischen Theorie der Korruption“ auseinander und fragt nach den Erfolgsaussichten der Korruptionsbekämpfung angesichts eines Menschenbildes des Eigennutzes. Es wird deutlich, dass ohne eine Veränderung des Glaubens an die Notwendigkeit von Eigennutz und damit verbunden der Suche nach dem eigenen Vorteil keine grundlegende Besserung zu erwarten ist. Die Vielzahl von Gesetzen und Initiativen gegen Korruption steht deshalb nicht überraschend in einem Unverhältnis zur Zunahme von Bestechungsfällen in der Gegenwart. Wenn allein der ökonomische Erfolg als moralisches Kriterium gilt, werden alle Gesetze dieser Welt die Bestechung nicht eindämmen, so Pawlas. Hier hätte man sich noch weitergehende theologische Ausführungen gewünscht, etwa zur Frage, wie eine solche grundsätzliche Veränderung im Menschenbild vonstattengehen könnte.
An der sehr umfangreichen Literaturliste lässt sich bemängeln, dass Susan Rose-Ackerman, International Handbook on the Economics of Corruption, Cheltenham: Edward Elgar, 2006 und Nachfolgeband (2011), sowie die Standardwerke von Johann Graf Lambsdorff nicht auftauchen. Bei ca. 700 gelisteten Titeln dürfte ein solcher Kritikpunkt jedoch eher kleinlich wirken.
Summa: Eine gründliche Studie, welche ihre besondere Stärke im historischen Teil hat. Sie zeigt auf, dass das Phänomen Korruption ohne das gegenwärtig vorherrschend Menschenbild der Ökonomie nicht zu verstehen ist und eine Überwindung allein durch Gesetze und Verordnungen nicht erreicht werden kann.
Dr. Stephan Holthaus, Rektor und Professor für Christliche Ethik und Apologetik mit Schwerpunkt Wirtschaftsethik an der Freien Theologischen Hochschule Gießen
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