Praktische Theologie

Peter Meyer / Kathrin Oxen (Hg.): Predigen lehren

Peter Meyer / Kathrin Oxen (Hg.): Predigen lehren. Methoden für die homiletische Aus- und Weiterbildung, Kirche im Aufbruch 17, Leipzig: EVA, 2016, 376 S., € 19,90, ISBN 978-3-374-04126-8

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Um es vorweg zu sagen: Ein Buchtitel zur Homiletik, der sich nicht an Studierende, sondern an Dozierende richtet, ist allein schon dieses unerwarteten und seltenen Umstands willen wert, beachtet zu werden. Er hat bei mir von Anfang an Interesse und Neugier geweckt. Im Alltagsgeschäft homiletischer Ausbildung wirkt ein Titel, der eine Sammlung von „Methoden für die homiletische Aus- und Weiterbildung“ verspricht, geradezu wie ein geöffnetes Fenster, durch das der Hauch eines frischen Windes Einzug halten könnte.

Ausgangspunkt ist für die beiden Herausgeber Peter Meyer und Kathrin Oxen die Beobachtung, dass im Curriculum theologischer Ausbildung fundamentaltheologische Themen in der Regel ausführlich behandelt werden, dass aber auf der anderen Seite die für eine gemeindliche Predigttätigkeit notwendige Praxis häufig zu wenig Beachtung findet. Das Gefühl der Überforderung, die unreflektierte Übernahme von vorgefundenen homiletischen Leitbildern und das schlechte Gewissen, unter der alltäglichen Arbeitslast des Gemeindedienstes der Predigtaufgabe sowieso nicht angemessen gerecht werden zu können, prägt entsprechend die Befindlichkeit Vieler im späteren Dienst. So sehr sich das Buch also an Lehrende wendet, so sehr zielt es auf das Heranreifen einer engagierten Predigtpersönlichkeit, die in vielfältiger Weise und praxiskompetent das Wort Gottes zur Sprache bringt.

Die 51 Einzelbeiträge, die von 41 unterschiedlichen Autoren verfasst sind, setzen deshalb das theologische Handwerkszeug der Exegese und Systematik voraus. Sie reflektieren keine Hermeneutik und keine fundamental-homiletischen Grundentscheidungen, auch wenn diese in der Darstellung der einen oder anderen Methode erkennbar werden. In einem ersten Abschnitt werden praxisnah die Besonderheiten unterschiedlicher Lernorte beschrieben: Studium, Predigtseminar, Kirchengemeinde, Prädikanten- und Diakonenausbildung sowie homiletische Fortbildungsangebote. An dieser Stelle wird die Verortung des Buchs im Kontext landeskirchlicher Strukturen erwartungsgemäß am stärksten deutlich. Der besondere Wert dieses Abschnittes lag für mich als Lehrendem vor allem darin, mich selbst und meine eigenen Studierenden „wiederzufinden“ – mit lachendem und weinendem Auge. Auch wenn hier insgesamt sieben Beiträge plausibel machen, dass die eine oder andere beschriebene Methode am besten an diesen oder jenen Lernort passt, hätte ich mir eine kompaktere Darstellung gewünscht, um nicht erst auf Seite 89 „zum Eigentlichen“ kommen zu müssen, dem Hauptteil „Homiletische Methoden – homiletische Lernarrangements“.

Die 38 Beträge des Hauptteils sind in sechs unterschiedliche „Brennpunkte“ gegliedert: 1. homiletische Orientierung, 2. die eigene Ausrichtung als Prediger und Predigerin, 3. die Erschließung von Texten,  4. die Erschließung von Situation und Lebenswelt, 5. Schritte der Predigtvorbereitung und Performanz sowie 6. Weiterarbeit an fertigen bzw. gehaltenen Predigten. Alle Beiträge folgen einer gemeinsamen Struktur. Nach einer stichwortartigen Beschreibung von Sozialform (Einzelarbeit, Gruppengespräch usw.), Zeitbedarf und notwendigem Material wird die jeweilige Methode unter vier Fragestellungen dargestellt: 1. Worum geht es? 2. Wozu führt das? 3. Wie geht das? 4. Homiletisch-didaktischer Kommentar. Diese klare und übersichtliche Struktur erleichtert die Lektüre und ermöglicht eine schnelle Orientierung, wenn man das Eine oder Andere ausprobieren möchte. Verwendete Beispieltexte oder Vorlagen lassen sich auf der dazu gehörigen und analog zum Buch aufgebauten Homepage (www.predigen-lehren.de) bequem herunterladen.

Trotz der groben Systematisierung der Einzelbeiträge in „Brennpunkten“ unterscheiden sie sich methodisch, in Sozialform und im Zeitaufwand deutlich. Von fünfminütigen Übungen in der Kleingruppe bis zum Tagesseminar ist alles zu finden. Die meisten Übungen zielen auf Arbeit in einer Gruppe ab und sind stark auf die Förderung von Selbstwahrnehmung und Kreativität in unterschlichen Kompetenzbereichen angelegt. Einige fördern notwendige Fertigkeiten zu einer Predigt im Sinne der New Homiletic. Andere greifen moderne Kommunikationsformen auf (z. B. Wordslam). Eine Reihe von vorgestellten Methoden unterstützen die klassische Predigtmeditation/Predigtreflexion (z. B. Übungen im Umfeld des sogenannten „homiletischen Dreiecks“) oder auch der Rhetorik (z. B. Wortscan zur Enttarnung von Worthülsen). Wer aus der Praxis kommt, wird sich naturgemäß die Frage stellen, ob das Eine oder Andere in seinem Lehr- und Lernumfeld in dieser Form klappen kann und ob es seinem Stil und Anliegen entspricht. Zu manchen methodischen Wegen habe ich keinen Zugang gefunden. Anderes halte ich für bedenkenswert, einiges kann ich übernehmen. Und wieder andere Konzepte waren eine gute Anregung für eigene Ideen im Rahmen meines Kontexts. Dieses Schicksal teilen wohl alle Methodensammlungen und ich gehe davon aus, dass sich die Autoren dessen bewusst gewesen sind.

Der letzte Teil des Buchs verweist in sechs Beiträgen auf die internationale Situation und beschreibt Entwicklungen und Perspektiven aus Afrika, Schweden, England, Norwegen und den USA. Auch wenn in diesen Beiträgen keine dezidierten Einzelmethoden homiletischer Arbeit beschrieben werden wie im Hauptteil des Buchs, weiten die dahinter liegenden Grundsatzüberlegungen im Kontext des jeweiligen Landes den Blick, regen zur kritischen Diskussion auch für unsere Situation in Deutschland an und runden das Buch inhaltlich ab.

„Predigen lehren“ will ein Buch für Dozierende sein. Hat es sich die Lektüre gelohnt? Für mich auf jeden Fall. Auch wenn das Buch nicht aus einem evangelikalen theologischen Ansatz heraus verfasst wurde und für mich diskussionswürdige Konzepte neuerer Homiletik durchscheinen lässt, bietet es viele methodischen Anregungen, die meine eigene Arbeit bereichern werden. Wenn sich jetzt noch Liebe zu Christus, Liebe zum Wort Gottes, Begeisterung für das Evangelium und Liebe zu den Zuhörern methodisch einüben ließen, hätte ich wenig Sorge um die Zukunft der Predigt auf unseren Kanzeln.

 

Wolfgang Klippert, Dozent an der Biblisch Theologischen Akademie Wiedenest

 

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