Praktische Theologie

Florian Karcher / Germo Zimmermann (Hg.): Handbuch missionarischer Jugendarbeit

Florian Karcher / Germo Zimmermann (Hg.): Handbuch missionarischer Jugendarbeit, Beiträge zur missionarischen Jugendarbeit 1, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener-Aussaat, 2016, 528 S., € 30,–, ISBN 978-3-7615-6286-4

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Das Handbuch Missionarische Jugendarbeit ist der erste Band der im Neukirchener Verlag erscheinenden Reihe „Beiträge zur missionarischen Jugendarbeit“ (BMJ) und wird herausgegeben vom Institut für missionarische Jugendarbeit der CVJM-Hochschule in Kassel. Die Reihe hat den Anspruch sich zwischen wissenschaftlichem Diskurs und Praxisanwendung zu platzieren, was zu begrüßen ist, aber auch ein anspruchsvolles Unterfangen darstellt. Herausgegeben wird dieser erste Band von dem promovierten Religionspädagogen Florian Karcher und dem Professor für Soziale Arbeit Germo Zimmermann, beide Lehrende an der CVJM-Hochschule Kassel. Wenn wir zunächst nach der Motivation dieses Buches, ja der ganzen BMJ-Reihe fragen, fasst es ein Satz aus dem Vorwort des ersten Bandes gut zusammen: „Ein Grundwort kirchlichen Lebens kehrt zurück: Mission. Lange Zeit verdrängt, vielleicht sogar verdächtigt, oftmals verschwiegen, gewinnt es neu an Bedeutung“ (5). Gut nachvollziehbar ist bei einer so grundlegenden Thematik, dass die Herausgeber sich für einen interdisziplinären Ansatz entschieden haben, der sich dem Themengebiet missionarischer Jugendarbeit aus Sicht der Theologie, Psychologie, Geschichtswissenschaften, Medienpädagogik, Erziehungswissenschaften und Sozialen Arbeit nähert.

Das Buch ist nach dem Vorwort von Oberkirchenrat Erhard Berneburg (Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste) und der Einleitung der Herausgeber in drei größere Teile gegliedert: Im ersten Teil (15–186) setzen sich zehn Autor/-innen mit den zentralen Grundlagen missionarischer Jugendarbeit auseinander. Dabei geht es um Begriffsklärungen, eine historische Einordnung sowie um eine theologische bzw. sozialwissenschaftliche Grundlegung des Themas. Dabei wird der Missionsbegriff aus missionstheologischer (Rüdiger Gebhardt), neutestamentlicher (Nils Neumann), kirchengeschichtlicher (Ulrike Treusch; Andreas Getfert) und katholischer Perspektive (Patrik C. Höring) sowie der Verbandsperspektive (Germo Zimmermann) beleuchtet, bevor er durch eine entwicklungspsychologische (Martina Walter) und Theorie-Praxis-Perspektive (Ingmar Wendland) ergänzt wird.

Im ersten Beitrag nehmen Karcher und Zimmermann dazu mit „Was ist missionarische Jugendarbeit? Ziele, Leitlinien und Dimensionen“ (17–49) eine theoretische Grundlegung vor; dabei legen sie offen, was sie unter missionarischer Jugendarbeit verstehen und welche Ziele sie auch mit diesem Buch verfolgen. Da dies für das gesamte Verständnis des Buches wichtig ist, möchte ich etwas genauer auf diesen Beitrag eingehen. Karcher und Zimmermann geben gleich zu Beginn die inhaltliche Richtung vor, indem sie schreiben: „Missionarische Jugendarbeit ist eben nicht die Jugendarbeit der besonders frommen, der christlich-konservativen oder evangelikalen Gemeinden und Werke, sondern der Begriff beschreibt ein Konzept und eine Ausrichtung von Jugendarbeit, ganz gleich, ob diese dabei von einem freikirchlichen Werk, einem christlichen Jugendverband oder einer evangelischen oder katholischen Kirchengemeinde verantwortet wird“ (17). Deshalb muss missionarische Jugendarbeit inhaltlich immer neu gefüllt und gedeutet werden und so werden Karcher und Zimmermann konkret: „Wenn also in diesem Beitrag von missionarischer Jugendarbeit die Rede ist, dann geht es darum, ein Konzept zu beschreiben und dessen Ziele, Leitlinien und Dimensionen zu beleuchten. Wir möchten damit den Versuch wagen, das was seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten in verschiedenen Kirchen und Werken in Deutschland bereits praktiziert wird, auf theoretischer und praktischer Ebene zu reflektieren, um damit den Begriff, aber vor allem auch das Konzept der missionarischen Jugendarbeit, zu schärfen“ (18). Sie sehen drei grundlegende Ebenen der missionarischen Jugendarbeit: 1) Missionarische Jugendarbeit verwirklicht den Sendungsauftrag der Kirche(n), 2) Missionarische Jugendarbeit übernimmt sozialpädagogische Verantwortung und 3) Missionarische Jugendarbeit nimmt den christlichen Bildungsauftrag wahr. Die zweite große Frage, die die Herausgeber in ihrer Einleitung stellen, ist: Was macht missionarische Jugendarbeit aus? Die Antworten: 1) Missionarische Jugendarbeit ist von einer respektvollen Haltung gekennzeichnet, 2) beachtet Lebenswelten und Milieus junger Menschen, 3) ermöglicht demokratische Partizipation und Mitgestaltung, 4) arbeitet ressourcenorientiert mit „Youth Empowerment“ und 5) ermöglicht und handelt in Beziehungen. Im dritten Teil beschreiben sie dann fünf Dimensionen (martyria, koinonia, leiturgia, diakonia, paideia) missionarischer Jugendarbeit, die auch als Analyseinstrument für die Praxis genutzt werden können (32). In ihrem Schlussplädoyer kommen die beiden Autoren auf das praktische Fazit: „Missionarische Jugendarbeit zwischen Leidenschaft und Professionalität“ (43). Dieser Beitrag ist auch deshalb so wichtig, da er eine programmatische Linie für den Band vorgibt, in die sich alle anderen Beiträge inhaltlich einordnen lassen.

Im zweiten Teil (187–364) beschreiben 13 Autorinnen und Autoren a) soziologische Herausforderungen wie beispielsweise „Missionarische Kinder- und Jugendarbeit im Takt einer beschleunigten Gesellschaft“ (Karin Wehmeyer), „Armut als Herausforderung christlicher Jugendverbände“ (Ernst-Ulrich Huster) oder „Milieusensible Jugendarbeit und missionarisches Handeln“ (Heinzpeter Hempelmann); b) gemeindepädagogische Herausforderungen wie bspw. „Konfirmandenarbeit und Mission“ (Friedrich Schweitzer), „Wie geht’s weiter? Übergänge ins Erwachsenenalter“ (Daniela Mailänder) oder „Interreligiöse Jugendarbeit als missionarische Gelegenheit“ (Karsten Jung); und c) aktuelle Herausforderungen wie etwa „Jugendliche zwischen den Welten – Herausforderungen migrationssensiblen Handelns für die missionarische Jugendarbeit“ (Sarah Koyyuru), „Missionarische Entdeckungstour Ostdeutschland – Situationsanalyse und Vorschläge zur Strategie missionarischen Handelns“ (Cordula Lindörfer) oder „Missionarische Jugendarbeit in der digitalen Lebenswirklichkeit“ (Nathanael Volke).

Der dritte Teil (365–525) nimmt dann die Praxis ins Visier. In 13 Kapitel behandeln 15 Autorinnen und Autoren eine vielfältige Palette von Themen wie zum Beispiel: „Missionarische Gruppenarbeit“ (Andrea Karcher), „Jugendgottesdienste mit missionarischer Kraft“ (Steffen Kaupp), „Jugendfreizeiten als Orte gelebten Glaubens“ (Wolfgang Ilg u. a.), „Jugendevangelisation“ (Karsten Hüttmann), „Glaubenskurse“ (Jörg Kresse), „Schülerbibelkreise“ (Franz Röber, Jürgen Schmidt) oder „Sportmissionarische Jugendarbeit“ (Carolin Münch). Als Leserin und Leser bekommt man so einen guten Einblick in die unterschiedlichen Arbeitsbereiche der missionarischen Jugendarbeit und viele Anstöße für die praktische Arbeit vor Ort.

Wie ist dieser vielfältige Band einzuordnen? Zunächst ist es sehr zu begrüßen, dass die Herausgeber Karcher und Zimmermann das Thema Mission aufnehmen und ausführlich auf über 500 Seiten für die Jugendarbeit fruchtbar machen. Dies geschieht auf einem hohen Niveau, mit interdisziplinärer Breite und einer großen Aktualität. Für einen Sammelband ist es dabei selbstredend, dass die einzelnen Beiträge nicht alle eine gleichbleibend hohe fachliche Qualität haben. Beachtlich ist, dass das Ziel einer wissenschaftlichen Anschlussfähigkeit auf der einen Seite und einer großen Praxisnähe auf der anderen Seite erreicht wird. Kritisch bleibt anzumerken, dass die Herausgeber zwar eine grobe Gliederung vorgenommen haben, aber die konzeptuelle Zusammenstellung der einzelnen Artikel etwas zu kurz kommt. Und es bleibt zum Beispiel die Frage, welches Ansinnen die Herausgeber bei der Zusammenstellung der Grundlagenartikel hatten. Geht man von dem eigenen inhaltlichen Verständnis in der Einleitung aus, so hätte ich eher eine Grundlegung zu dem Thema Bildung und Soziale Arbeit in Bezug auf missionarische Jugendarbeit erwartet. Wenn man von diesen – ich gebe zu –hohen Erwartungen an einen Sammelband absieht, hält man einen Schlüsselband zum Thema missionarische Jugendarbeit in der Hand, dem ich wünsche, dass er in der akademischen Welt weiter diskutiert wird und in der missionarischen Jugendarbeit vor Ort zu einer Art „Rahmenlehrplan“ wird.

 

Prof. Dr. Tobias Faix, Professor für Praktische Theologie an der CVJM-Hochschule Kassel

 

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