J. B. Lightfoot: The Acts of the Apostles
B. Lightfoot: The Acts of the Apostles. A Newly Discovered Commentary, Hg. Ben Witherington III / Todd D. Still, The Lightfoot Legacy Series Set 1, Downers Grove/IL: IVP Academic, 2014, Hb., 397 S., US $ 40,–, ISBN 978-0-8308-2944-6
Die Apostelgeschichte (Apg) berichtet im achten Kapitel, dass dem äthiopischen Kämmerer bei seiner Lektüre des Jesajabuches unerwartet ein Ausleger – Philippus – zu Hilfe kommt, der ihm die Bedeutung einer schwer verständlichen Textpassage erschließt.
Dem Leserkreis der Apg kommt nun ebenfalls unversehens ein Ausleger zu Hilfe, und zwar der bereits vor über 125 Jahren verstorbene renommierte englische Exeget und ehemalige Bischof von Durham (England) Joseph Barber Lightfoot (1828–1889). Im Frühling 2013 nämlich hat der amerikanische Neutestamentler Ben Witherington III in einem Bücherschrank in der Bibliothek der Kathedrale von Durham hunderte in Vergessenheit geratene Manuskriptseiten mit Vorbereitungsnotizen zu Acta-Vorlesungen von J. B. Lightfoot entdeckt, die dieser in den Jahren 1855 bis 1879 an der Universität Cambridge gehalten hatte (21–36).
Zusammen mit Todd D. Still und unter Mitwirkung von Jeanette M. Hagen hat Witherington die lediglich die Kapitel Apg 1–21 behandelnden Aufzeichnungen Lightfoots inzwischen digitalisiert, transkribiert und ediert, sodass diese nun in Form des vorliegenden Kommentars, um dessen Inhalt (53–276) es nun gehen soll, als Nachschlagewerk zur Verfügung stehen.
Zunächst zu Lightfoots Antworten auf die Einleitungsfragen zur Apg: Der Paulusbegleiter Lukas ist der Autor (65), Theophilus – und mit ihm evtl. „the whole church“ – ist der/die Adressat(in) (75–76). Die Abfassungszeit kann nicht genau bestimmt werden (75: „we have really no date“). Lightfoot legt sich lediglich dahingehend fest, dass die Apg die Fortsetzung des von ihm in die Zeit vor 70 n. Chr. datierten Lukasevangeliums ist (69–71). Zum Abfassungsort äußert sich Lightfoot zwar nicht ausdrücklich, geht aber davon aus, dass Lukas und Theophilus gebürtig aus der Stadt Philippi stammen (215 bzw. 75).
Im Hinblick auf die in der Apg berichteten Ereignisse bzw. die Pauluschronologie kommt Lightfoot, der die erst 1905 entdeckte Gallio-Inschrift noch nicht kannte, z. T. zu einer vom heutigen Forschungskonsens abweichenden Datierung: Ihm zufolge war Paulus 52–54 n. Chr. in Korinth (188).
Lightfoots Auslegung von Apg 1–21, die im Aufbau an seine drei berühmten, jeweils aus „Introductions, Notes, and Dissertations“ bestehenden Kommentare zu den Paulusbriefen (Gal, Phil, Kol/Phlm) erinnert (ein entsprechender „Revised Text“ der Apg fehlt jedoch), ist teils druckreif ausformuliert, teils stichwortartig und rudimentär. Letzteres hat zur Folge, dass sich eine fortlaufende Lektüre streckenweise mühsam gestaltet. Zu empfehlen ist daher die bei Kommentaren ohnehin üblichere gezielte Konsultation zu einzelnen Versen. Unter Verweis auf biblische Parallelstellen und weitere antike Primärtexte sowie in Auseinandersetzung mit Arbeiten anderer Forscher (z. B. H. Alford, J. A. Bengel, H. A. W. Meyer, J. J. Wettstein und G. B. Winer) bietet Lightfoot oftmals eine Fülle von textkritischen, philologischen, grammatischen, historischen und geographischen Einsichten, die zum besseren Verständnis des jeweiligen Verses führen.
Freilich wird man Lightfoot nicht immer und in allen Einzelheiten zustimmen können. So stellt er in Bezug auf die Apg als Ganze fest: „[T]hroughout the body of this treatise our Lord himself is represented as the chief agent … Baumgarten [The Acts of the Apostles, Bd. 1, Edinburgh 1854, 28–29] is right in referring ὁ κύριος to ‚the Lord Jesus‘“ (71–72). Diese Einschätzung steht in Spannung zu Aussagen der Apg, die Jesus als „Knecht“ (παῖς) Gottes (Apg 3,13.26; 4,27.31) und vielmehr Gott als den κύριος (Apg 3,20; 13,47; 15,13–21; 17,24) und als denjenigen identifizieren, der die in der Apg berichteten Geschehnisse maßgeblich lenkt (Apg 1,7; 5,30–32; 22,14–15) bzw. dem die Apostel sich verpflichtet fühlen (Apg 4,19; 5,29).
In Anbetracht dieser Stellen ist dann auch Lightfoots Annahme, bei dem in Apg 1,24 im Gebet adressierten κύριος handele es sich um Jesus (71), zu bezweifeln. Vielmehr legt der eindeutige Gebrauch von sowohl κύριος in Apg 4,24–30 (ebenfalls im Gebet) als auch καρδιογνώστης in Apg 15,8 (vgl. auch Lk 16,15) nahe, dass auch in Apg 1,24 mit dem „Herrn“ und „Herzenskenner“ Gott (θεός), d. h. der aus dem Alten Testament bekannte Schöpfergott, gemeint ist.
In seiner Auslegung zu Apg 8,4–24 vertritt Lightfoot die historisch unzutreffende und inzwischen überholte Position, welche „Simon Magus as the father of Gnosticism“ betrachtet (139). In der entsprechenden Anmerkung schreibt Witherington denn auch: „Gnosticism probably did not exist in the first century a. d. and probably cannot be traced back to Simon the Magician“ (139, Anm. 3).
Im Anhang (279–386) werden drei bisher schwer zugängliche Veröffentlichungen von Lightfoot zur Apg sowie ein langer anonymer Nachruf auf ihn nachgedruckt. Der dann durch Autoren- (387–389) und Bibelstellenregister (390–397) abgerundete Kommentarband enthält einige Fotos (z. B. vom Bücherschrank in Durham und von einigen der darin gefundenen Manuskriptseiten der Acta-Vorlesungen) und ist (von Ausnahmen abgesehen) sorgfältig herausgegeben.
Im achten Kapitel der Apg wird abschließend berichtet, dass der äthiopische Kämmerer nach seiner Begegnung mit und Unterweisung durch Philippus „seine Straße fröhlich zog“. Ganz ähnlich wird es wohl auch denen gehen, die bei ihrer Lektüre der Apg den Kommentar J. B. Lightfoots zu Rate ziehen: Die hierin enthaltenen Erläuterungen führen zu einem Erkenntnisgewinn im Hinblick auf die Apg und somit zu (neuer) Freude über die biblische Botschaft.
Dr. Boris Paschke, Gastprofessor für Neues Testament an der Evangelische Theologische Faculteit, Leuven
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz.